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Interview

„Autopapst“ Dudenhöffer gibt Auskunft
Wird hierzulande das E-Auto zum Rohrkrepierer?

Lesezeit 4 Minuten
Ein Symbol markiert einen Parkplatz für Elektroautos.

Ein Symbol markiert einen Parkplatz für Elektroautos.

Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer zum Streit über das Aus für Fahrzeuge mit Verbrennermotor und den Kauf von Stromern

Ferdinand Dudenhöffer gilt wegen seiner jahrzehntelangen Expertise als Deutschlands „Autopapst“. Die hiesige E-Auto-Krise und Rufe nach einer Rücknahme des Verbrenner-Verbotes hält Dudenhöffer für brandgefährlich, wie er im Interview mit Tobias Schmidt erläutert.

Herr Professor Dudenhöffer, Sie sind gerade aus China zurück. Werden E-Autos dort Diesel und Benziner tatsächlich ablösen?

Ja sicher! Um 2030 – in sechs Jahren – erwarten wir jährlich 20 Millionen neue Elektrofahrzeuge auf Chinas Straßen, vollelektrisch oder mit Plug-in-Hybrid. Der Anteil an den Neuzulassungen wird auf über zwei Drittel steigen. Reine Verbrenner – ob Diesel oder Benziner – werden im Pkw-Bereich in ein, spätestens zwei Jahrzehnten komplett verschwinden.

In Deutschland erscheint die E-Mobilität wie eine Fata Morgana. Je näher man dem echten Hochlauf kommt, desto weiter rückt der in die Ferne …

Die Politik in Berlin und Brüssel macht die E-Mobilität in Deutschland und Europa mit schweren Fehlern zur Fata Morgana. Mit der Abschaffung der Elektroauto-Prämie zum Jahreswechsel hat die Ampel-Regierung den Hochlauf abgewürgt und Stromern Made in Germany erst einmal einen kräftigen Einbruch versetzt. Denn im Kleinwagen- und Kompakt-Bereich sind Elektroautos noch rund 15000 Euro teurer als die Verbrenner-Modelle. Ohne Subventionen kauft niemand die Dinger.

ARCHIV - Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft, ist am 02.02.2014 Gast in einer Talk-Show in Berlin. Gutscheine im Wert von 2000 Euro für jeden Dieselauto-Besitzer und eine Abschaffung des Steuervorteils gegenüber Benzinern könnten nach Ansicht des Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer das Diesel-Problem lösen.(zu dpa ´Dudenhöffer: Steuervorteil für Diesel-Fahrer abschaffen» vom 06.08.2017) Foto: Karlheinz Schindler/dpa-Zentralbild/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ | Verwendung weltweit

ARCHIV - Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft, ist am 02.02.2014 Gast in einer Talk-Show in Berlin.

Selbst Tesla-Gründer Elon Musk scheint mit seinem 20000-Dollar-Wagen die Segel zu streichen. Ist die Verheißung von bezahlbaren Elektroautos vielleicht einfach unerfüllbar?

Definitiv nein! Der Preis hängt von mehreren Faktoren ab. 30 bis 40 Prozent hängen an der Batterie. In China wird längst auf Masse produziert. Ob in Europa jemals konkurrenzfähige Batterien hergestellt werden können, halte ich für fraglich. Hinzu kommt, dass die Fehlerhaftigkeit der Prozesse bei jungen Batterieherstellern, wie etwa Northvolt, verbessert werden muss. Die Chinesen beherrschen das schon viel besser und verschaffen sich auch dadurch gewaltige Kostenvorteile. In zwei, drei Jahren werden deutlich leichtere Feststoffbatterien den nächsten Technologieschub bringen und das Laden schneller machen. Samsung will 2027 Serienfahrzeuge damit ausstatten. Meine Prognose: Um das Jahr 2030 werden Elektroautos günstiger sein als Verbrenner!

Auch E-Autos made in Wolfsburg und Bremen?

In Deutschland ist der Zug für die Massenproduktion von E-Autos nach China abgefahren. Dort werden VW, BMW, Mercedes und so weiter ihre E-Autos auch für den heimischen Markt bauen. Dorthin wandern die Jobs ab. Die Konzerne sind dazu gezwungen. Wer auf der Scholle Deutschland sitzen bleibt, wird nicht den großen Erfolg erzielen. Weil die Elektromobilität hier als Konkurrenz zum Verbrenner regelrecht abgewürgt worden ist, wurde auch die Zukunft des Industriestandortes Deutschland erheblich geschwächt.

Der Niedergang der europäischen E-Mobilität kann wohl kaum allein am Stopp der E-Auto-Prämie liegen …

Dass der Staat die Preisdifferenz nicht mehr reduziert, ist wirklich ein krasser Fehler, aber nicht der einzige. Die Autolobby hat durch ihr überzogenes Geschrei über angeblich fehlende Ladesäulen die eigenen Kunden abgeschreckt. Und dann kommt nach Christian Lindner von der FDP auch CSU-Mann Manfred Weber um die Ecke und will das für 2035 beschlossene Verbrenner-Verbot in der EU abschaffen. Inzwischen haben sich fast alle konservativen Politiker eingereiht, natürlich auch Sahra Wagenknecht. Und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kämpft in ihrem Europawahlkampf gegen das Elektroauto. Sie alle wollen sich beim Wähler als Retter der deutschen Autoindustrie präsentieren. Aber statt unsere Autobauer zu retten, zerstört das Gerede unsere Industrie. Denn Deutschlands Hersteller brauchen ja den Hochlauf der E-Mobilität unbedingt, um in die Massenproduktion zu kommen. Wer sagt, er wolle das Verbrenner-Verbot kippen, schadet dem Standort.

2025 treten schärfere CO2- Vorgaben für die Autobauer in Kraft. Und der CO2-Preis macht Benzin und Diesel teurer. Wird das der E-Mobilität nicht doch zum Durchbruch verhelfen?

Aber klar! Nur eben mit völlig unnötiger und für den Standort Deutschland desaströser Verzögerung. Spätestens 2030, wenn wirklich strenge EU-Vorgaben in Kraft treten, wird der Markt zu Ungunsten der Verbrenner kippen. Schon vorher wird der Plug-Hybrid zurückkommen, darauf setzen auch viele asiatische Hersteller.

Sind Sie wirklich überzeugt, dass E-Mobilität trotz Erderwärmung die individuelle Mobilität der Massen retten wird?

Absolut. Schauen Sie nach China, auf die explodierenden Zulassungszahlen, die gigantischen Ladestationen, die zufriedenen Kunden, das Tempo der Innovationen … Und erleben Sie, welche Wohltat es ist, wenn statt lauten Verbrennern mit ihren Abgasen immer mehr emissionsfreie Stromer durch 20-Millionen-Einwohner-Städte schleichen.

Also ab zum Händler? Oder sollten Interessierte noch ein bisschen abwarten?

Nach Lage der Dinge rate ich, noch ein paar Jahre abzuwarten. Wer heute ein E-Auto haben will, sollte es leasen oder auf einen Plug-in setzen. Vollelektrische Fahrzeuge werden stetig besser und preiswerter, sodass die Anschaffung jetzt gut überlegt sein will.