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Alarmierende Zahlen NRWAnstieg der Gewalt an Schulen erfordert neue Sicherheitskonzepte

Lesezeit 3 Minuten
Stühle sind in einem Klassenzimmer auf Tische aufgereiht, im Hintergrund bereitet eine Lehrerin einen Tafelanschrieb vor.

Die Gewalttaten an Schulen hat in allen Bundesländern zugenommen.

Die jüngsten Zahlen offenbaren eine erschreckende Zunahme von Gewalttaten an Schulen in Deutschland, besonders auffällig sind die Anstiege in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein.

Die Gewalt an Schulen hat deutlich zugenommen. Bundesweit erhöhte sich die Zahl der gemeldeten Vorfälle von 21.570 im Jahr 2022 auf 27.470 im Jahr 2023 – ein Anstieg von rund 27 Prozent. Das geht aus aktuellen Zahlen der Bundesländer hervor, die unserer Redaktion vorliegen.

Die Zahlen übertreffen damit auch das Vor-Corona-Niveau. Vor den pandemiebedingten Schulschließungen meldeten die Bundesländer für das Jahr 2019 insgesamt 18.886 Gewaltdelikte. In den Folgejahren sanken die Vorfälle deutlich. Doch der Rückgang war nur von kurzer Dauer. Im Jahr 2023 stiegen sie aber wieder um knapp 37 Prozent gegenüber dem Jahr 2019.

Gewaltdelikte variieren von Bundesland zu Bundesland

Die Bundesländer Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern lieferten keine Daten für das Jahr 2019. Um eine vergleichbare Grundlage für die Entwicklung nach der Pandemie zu schaffen, wurden diese Bundesländer herausgerechnet. Die Erhebung der Gewaltdelikte variiert von Bundesland zu Bundesland. Unterschiedliche Definitionen von Gewalt, andere Meldepraktiken und unterschiedliche Datenerhebungsmethoden führen dazu, dass ein direkter Vergleich der Zahlen nur bedingt möglich ist. Dennoch lässt sich ein klarer Trend ablesen: Die Zahl der Gewalttaten an Schulen ist in allen Bundesländern gestiegen.

Besonders alarmierend ist die Entwicklung in Schleswig-Holstein. Hier stieg die Zahl der Vorfälle von 990 im Jahr 2022 auf 1292 im Jahr 2023 – ein Zuwachs von über 30 Prozent. Ein Blick auf die Zahlen vor der Pandemie zeigt einen noch dramatischeren Anstieg: Von 855 Taten im Jahr 2019 auf 1292 im Jahr 2023, was einer Zunahme von mehr als 50 Prozent entspricht.

Eindeutige Entwicklung in Nordrhein-Westfalen

Im bevölkerungsreichsten Bundesland Deutschlands, Nordrhein-Westfalen, zeigt sich ebenfalls eine eindeutige Entwicklung. Die Zahl der Gewalttaten an Schulen erhöhte sich von 2972 Fälle im Jahr 2022 auf 4808 Fälle im Jahr 2023 – ein Anstieg von über 61 Prozent. Vor der Pandemie waren es 3948 Fälle. Damit ist die Zahl der Gewaltdelikte seit 2019 um 21 Prozent gestiegen.

In Niedersachsen nahm die Zahl der gemeldeten Gewalttaten von 2295 im Jahr 2022 auf 2850 im Jahr 2023 zu. Das entspricht einem Anstieg von rund 24 Prozent. Im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit ist die Zahl der Gewaltdelikte hier um 15 Prozent angewachsen.

Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, sieht unterschiedliche Ursachen für den starken Anstieg: „Ich bin davon überzeugt, dass Schulleitungen, die zuvor minderschwere Fälle über Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen wie deutliche Ansprache, Ausschluss vom Unterricht oder Versetzung in die Parallelklasse abgehandelt haben, mittlerweile früher und gezielter die Polizei einschalten. Und das ist ein Grund für die gestiegenen Zahlen. Aber auch der Umstand, dass Mitschüler Gewaltvorfälle melden.“

Düll fordert angesichts der steigenden Zahlen, dass sich Personen an den Schulen explizit um den Bereich Sicherheit kümmern. „Und damit meine ich nicht den klassischen Sicherheitsbeauftragten, der zweimal im Jahr einen Probefeueralarm organisiert. Sicherheit ist ein großes Feld, darunter fallen Gewaltprävention und Anti-Aggressionsschulungen, aber auch Verkehrssicherheit, Brandschutz und Krisenintervention“, sagte er unserer Redaktion. Düll sprach sich dafür aus, spezielle Beförderungsstellen zu schaffen, die diese Aufgaben zu übernehmen.

Sicherheitsdienste lehnt Düll hingegen ab: „Wir haben über 40.000 Schulen in Deutschland, und es wäre völlig unverhältnismäßig, vorsorglich Metalldetektoren einzuführen und Menschen abzustellen, die Taschen kontrollieren. Wir sind keine Strafjustizzentren.“