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Kampf gegen AltersdiskriminierungZu alt für den Job? Von wegen!

Lesezeit 4 Minuten
Schlechte Chancen für ältere Bewerberinnen und Bewerber: Die Benachteiligung fängt oft schon bei der Personalbeschaffung an.

Schlechte Chancen für ältere Bewerberinnen und Bewerber: Die Benachteiligung fängt oft schon bei der Personalbeschaffung an.

In Einstellungsgesprächen, bei Gehalt und Beförderungen: Besonders Frauen sind von Altersdiskriminierung betroffen.

Hannah PetersohnKöln Beginnt eine Stellenausschreibung mit: „Junges dynamisches Team sucht …“, ist es fraglich, ob sich ältere Menschen, womöglich bereits in Rente und auf der Suche nach einem Hinzuverdienst, auf den Job bewerben würden. Mitgemeint werden sie sich wohl eher nicht fühlen. Tatsächlich kann die Formulierung laut Bundesarbeitsgericht ein Indiz für Altersdiskriminierung sein.

„Manche erleben Altersdiskriminierung schon im Recruiting, in den Stellenbeschreibungen oder in den Bewerbungsgesprächen“, sagt die Unternehmensberaterin Irène Kilubi. Auch in puncto Gehaltsverhandlungen zögen Ältere eher den Kürzeren und würden häufiger bei Beförderungen übergangen. Zudem investierten Unternehmen wesentlich mehr in Weiterbildungen für jüngere Angestellte als seniorige Mitarbeiter. Ein anderes Thema sind laut der Beraterin betriebsbedingte Kündigungen. „Meist sind es die Älteren, die gebeten werden, zu gehen.“

Ältere Menschen machen sich Vorurteile zu eigen

Kilubi hat das Buch „Du bist mehr als eine Zahl: Warum das Alter keine Rolle spielt“ geschrieben. Darin kritisiert sie stereotype Altersbilder, die in unserer Gesellschaft, vor allem in der Arbeitswelt. „Ältere werden auch bei spannenden Projekten häufig ausgeschlossen“, so die Beraterin, die mit zahlreichen Betroffenen gesprochen hat.

Ihr zufolge gehen viele Unternehmen davon aus, dass die kognitiven Fähigkeiten ab einem bestimmten Alter nicht mehr ausreichen, um sich neue Kompetenzen anzueignen. Laut Kilubi machen sich ältere Menschen diese Vorurteile schnell zu eigen. Wem immer wieder suggeriert werde, er sei mit 50 Jahren zu alt zum Studieren, für einen Quereinstieg, glaube das irgendwann auch. „Statistisch gesehen wird man mit 50 Jahren in der Arbeitswelt als ,alt angesehen“, erklärt die promovierte Wirtschaftsingenieurin.

Selbst die Politik hat das Problem erkannt und stellt vor allem Frauen in den Fokus, die stärker als Männer von Altersdiskriminierung betroffen seien. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts erleben 14 Prozent der 45- bis 54-jährigen Frauen Diskriminierung am Arbeitsplatz – mehr als in jeder anderen Altersgruppe.

Frauen ab 50 Jahren finden einfach nicht mehr statt. Sie werden unsichtbar.
Irène Kilubi, Unternehmensberaterin

„Leider zeigen mehr als 700 Fälle aus der Beratung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes: Frauen ab Mitte 40 werden noch oft benachteiligt“, so Ferda Ataman, unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung. Sie „werden wegen ihres Alters nicht eingestellt, bei Beförderungen übergangen oder bei Fortbildungen ,übersehen. Das ist nicht nur diskriminierend, sondern schadet unserer Wirtschaft. Der Personalmangel kostet uns jährlich Milliarden“, bemängelt Ataman. Auch Beraterin Kilubi bestätigt: „Frauen ab 50 Jahren finden einfach nicht mehr statt. Sie werden unsichtbar.“

Altersdiskriminierung: Bundesregierung will Kampagne starten

Die Bundesregierung hat sich das Problem auf die Agenda gesetzt und will mit eigenen Kampagnen für das Thema sensibilisieren. Die Antidiskriminierungsstelle unterstützt zudem die Kampagne „Ohne mich würdet ihr alt aussehen“, eine Initiative gegen Altersdiskriminierung von Frauen im Job. Auch hier soll Öffentlichkeitsarbeit das Umdenken vorantreiben: Auf Plakaten zeigen arbeitstätige Frauen ab 50 ihr Gesicht und berichten über ihren Arbeitsalltag. Darunter eine Sachbearbeiterin, eine Physiotherapeutin, eine Schulsekretärin, eine Erzieherin, die Intendantin der Dresdner Philharmonie und eine Großhändlerin.

Politik und Wirtschaft drängen ohnehin zunehmend darauf, dass Ältere länger im Job bleiben. Andernfalls drohe der Rente der Kollaps, der Fachkräftemangel bremst schon jetzt die Wirtschaftskraft aus. Nur mit Steuererleichterungen allein, wie kürzlich von Finanzminister Christian Lindner vorgeschlagen, lassen sich ältere Arbeitnehmer wohl nicht zur Extraschicht animieren. Wichtig sei laut Beraterin Kilubi darüber hinaus das Arbeitsumfeld, in dem sich auch Über-50-Jährige wertgeschätzt fühlen.

Unternehmen müssten das Thema auf die Agenda setzen. „Sie sollten den Zutritt und Verbleib zum Arbeitsmarkt erleichtern, sie sollten sich sämtliche Prozesse ansehen, wo eine Benachteiligung aufgrund des Alters stattfinden könnte. Und ein Bewusstsein für Altersdiskriminierung schaffen, einen offenen Dialog herstellen.“

Dafür brauche es eine Unternehmenskultur, die es Angestellten erlaubt, Probleme anzusprechen, ohne dass sie dadurch Nachteile befürchten müssen. „Wir haben alle Vorurteile, aber sie dürfen nicht unsere Entscheidungen beeinflussen“, warnt die Beraterin.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das 2006 in Kraft getreten ist, soll auch vor Benachteiligungen aufgrund des Alters schützen. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bietet einen sogenannten Diskriminierungscheck an, für Betroffene und solche, die vermuten, wegen ihres Alters benachteiligt zu werden. Schließlich machen ältere Menschen nicht nur im Arbeitsleben Diskriminierungserfahrungen. Auch auf dem Wohnungsmarkt, bei Bank- und Finanzdienstleistungen oder im Gesundheitsbereich haben sie häufig Nachteile. Je nachdem, in welchem Lebensbereich die Diskriminierung stattfindet, berät die Antidiskriminierungsstelle und gibt eine rechtliche Einordnung.

Betroffenen rät Unternehmensberaterin Kilubi, für sich selbst einzustehen, auch mal Forderungen zu stellen und Diskriminierungen offen anzusprechen. „Wir können Systeme und Strukturen nicht von heute auf morgen ändern, aber wir können trotzdem unser Leben in die Hand nehmen.“ Frauen gibt sie den Tipp, über ihre Leistungen zu reden und sie messbar zu machen. „Das kann man trainieren“, so Kilubi. Dann lasse sich eine Beförderung oder Gehaltserhöhung auch besser begründen.