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Aus 3 mach 5 RäumeWie sich aus kleinen Wohnungen mehr Platz herausholen lässt

Lesezeit 9 Minuten
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Eine kleine Wohnung bedeutet nicht immer, dass man keinen Platz hat. Clevere Raumnutzung ermöglicht Familien das Leben in kleinen Stadtwohnungen.

Köln – Zu klein, zu wenig Zimmer, nicht genügend Stauraum und Grundrisse, die sich als unflexibel erweisen. Was lange Zeit als Paarwohnung gut funktioniert, geht nur noch unter Einschränkungen, sobald ein Kind dazu kommt. Und spätestens, wenn sich das zweite ins Familienleben gesellt, gerät die Dehnbarkeit der Großstadtwohnung an ihre Grenzen. Aber es gibt Lösungen. Keine Altbaunische muss ungenutzt bleiben, keine Familie muss an den Stadtrand ziehen. Es gibt durchaus Möglichkeiten aus drei Zimmer fünf Räume zu organisieren. Die Designerin Sima Niroumand findet maßgeschneiderte Optionen.

Klar, viele junge Familien wollen bei Zuwachs an den Stadtrand samt Keller, Garage und Garten, selbst dann, wenn dieser nur die Größe eines Handtuchs aufweist. Weil ihnen die Vorteile der Innenstädte dann nicht mehr wichtig sind, weil die Enge, Verkehr und Lärm mehr nerven als die Freude, weiterhin unkompliziert Freunde treffen zu können, am Kultur- und Partyleben teilzunehmen.

Das urbane Leben als Familie nicht aufgeben

Aber genauso viele junge Eltern wollen ihre gewohnte Umgebung nicht aufgeben, weil sie das urbane Leben mit allen Annehmlichkeiten auch als Familie weiterhin schätzen; den großen Sandkasten am Spielplatz, die öffentlichen Parks dem eigenen Grün vorziehen. Kurz: Ein Leben an oder vor den Grenzen der Stadt kommt für sie nach wie vor, oder gerade, weil Kinder da sind, nicht in Frage. Sowieso nicht, wenn eine Infrastruktur von Omas und anderer Hilfen nicht vorhanden sind, sie stattdessen auf die Konstanten ihrer gewohnten Umgebung nicht verzichten wollen und können.

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Mit genug Stauraum wirken auch kleine Stadtwohnungen nicht vollgestellt. Ein Besuch bei Designerin Sima Niroumand.

Ein Umzug in eine größere Wohnung? Für die meisten mittlerweile undenkbar. Weil unbezahlbar. Es müssen also andere Modelle her. Nur welche? Bevor wir eines zur Problemlösung vorstellen, ein ganz kurzer Blick in die Statistik: In den Ballungsgebieten steigen die Quadratmeterpreise seit Jahren dramatisch, mit Ausnahme Berlins, wo die Mietpreisdeckelung seit vergangenem Jahr greift. Aber in jeder anderen Großstadt klettern die Preise.

Bezahlbarer Wohnraum wird knapper

Zum Vergleich: Zwischen 2009 und 2019 sind die Mietpreise laut Statista, einem führenden Anbieter für die Erhebung für Markt- und Konsumentendaten, in Köln um 34, in Stuttgart um 49 und in München um 61 Prozent gestiegen. Die teuersten Städte im vierten Quartal 2020 sind München, mit einem Mietpreis pro Quadratmeter von 18,61 Euro, und Frankfurt, wo 15,53 Euro fällig sind. In Köln liegt der Preis bei 11,83 pro Quadratmeter bei einer 100-Quadratmeter-Wohnung, jedoch bei rund 17 Euro in begehrter Innenstadtlage.

„Die große Koalition der Bundesregierung hat ihr Ziel der Förderung von sozialem und familienfreundlichem Wohnungsbau bei weitem nicht erreicht“, sagt Architekt und Stadtplaner Jochen Siegemund, Professor für Entwerfen, Objekt und Raum an der Technischen Hochschule Köln. Das Angebot für bezahlbaren Wohnraum in den Innenstädten wird knapper und bei wachsender Nachfrage eben auch teurer. Neben dem Wohnbedarf wächst auch der Anspruch am Wohnen. Jeder Einzelne verlange zunehmend mehr Wohnfläche, was zwangsläufig auch zu einem geringeren Wohnraumangebot und Nutzungsdichte in der Stadt führt, so Siegemund.

Räume bekommen mehrere Funktionen

Die Hoffnung, dass nun durch pandemiebedingten Leerstand mehr Wohnfläche in den Innenstädten zurückgewonnen wird, ist ein Thema, mit dem sich die Wissenschaft beschäftigt. „Gesucht sind flexiblere und nachhaltigere Ansätze, bei denen statt einer monofunktionalen Raumnutzung eine Multiflexibilität der Räume, Raumtypen und Raumeigenschaften und damit einhergehende Mischnutzung (mixed use) hergestellt wird.“ Was sich zunächst anspruchsvoll anhört, heißt nichts anderes, als einem Raum nicht mehr nur eine Funktion zuzuweisen, sondern für viele zu gestalten. Genau das, was Sima Niroumnand mit ihrem Designbüro Habitiny bereits anwendet.

Zum Weiterlesen

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Aus dem Buch: Aus vier Zimmern mach sechs Räume.

Foto: Prestel Verlag

Aus 4 Zimmern mach 6 Räume. Wohnkonzepte für Familien.

Sabine Stiller. Prestel Verlag, 192 Seiten, 38 Euro.

Denn gerade, seit Beginn der Pandemie und der Verlegung der Arbeit ins Homeoffice, kommt bei vielen Familien noch ein weiterer Spannungsfaktor hinzu. Der bis vor kurzem noch sehr geschätzte offene Grundriss mit Wohnküche in neueren Wohnungen provoziert seit fast einem Jahr wegen seiner Struktur der Türenlosigkeit Ärger.

Kurz: „Die intensive Auseinandersetzung mit dem eigenen Wohnraum und dem direkten Stadtumfeld durch die eingeschränkte Flexibilität in der Pandemie bietet die Chance, den Städtebau und die Architektur auch im Mikrobereich zu hinterfragen und weiterzuentwickeln. Wie werden unsere Städte und Wohnräume in einer Pandemie oder auch nach der Pandemie dem flexiblen Nutzerbedarf und individuellen Raumanforderungen gerecht? Gerade jetzt können wir in unseren Städten schnelle und experimentelle Lösungen ausprobieren und diese auf Nachhaltigkeit, Klima- und Umweltgerechtigkeit überprüfen“, sagt Siegemund.

Bei der Designerin Sima Niroumand zu Hause

Flexible Gestaltung – das ist das Spezialgebiet von Habitiny, ein Kölner Designbüro, das sich die Platznot in der Großstadt und deren Problemlösung zur Geschäftsgrundlage machte. Ein Hausbesuch bei Sima Niroumand.

Die Chefin von Habitiny öffnet persönlich. Ein Mietshaus, Altbau, zehn Parteien, mit zig Namen und noch mehr durchgestrichenen am Klingelschild. Eine typische Häuserzeile in Ehrenfeld, Sanierungsstand: von den Kohleöfen befreit, ansonsten noch nicht state-of-the-art. Die Bewohner kommen von überall her, auf der Ecke ein kleiner italienischer Supermarkt, der Anlaufstelle für Vieles, eine Institution im Veedel ist.

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Sima Niroumand hat das Designbüro Habitiny gegründet.

Die Tür geht auf, aber nicht zu einem Dachgeschoss-Büro, sondern in ihre Wohnung. Wo sie mit ihrem Partner und ihren beiden Kindern, sechs und zwei Jahre alt, lebt, und wo auch ihre Geschäftsadresse ist. So wie bei Sima Niroumand nahezu alles auf wundersame Weise und top organisiert in die Familienwohnung mit Dachterrasse, aber ohne Keller, integriert ist: Campingausrüstung lagert neben Geschenkpapier, Arbeitsplatz in der Schrankwand neben Bettkoje.

Ihr Business bestreitet sie an ihrem Computer und mit einem beeindruckenden wie weit verzweigten Netzwerk von Architekten und Handwerkern deutschlandweit. „Je nach Auftrag und Projekt, buche ich dazu, ob in Berlin, Hamburg oder Köln“, sagt die 39-jährige Kommunikationsdesignerin mit iranischen Wurzeln. Sind die Projekte in Ortsnähe, kommt sie persönlich, liegen sie weiter entfernt, macht sie sich per Videocall ein Bild von der Situation.

Viele Farben in der Wohnung

Der Flur ist leuchtend in zwei Tönen Rot, knallig in Coralle und lachsfarben in der oberen Hälfte. „Kein Wandstrich hat bei mir eine längere Halbwertszeit als eineinhalb Jahre. Ich liebe Farben und die Veränderung.“ Ihr Esszimmer hat ein sattes Grün, die Wand im Kinderzimmer strahlt kobaltblau.

Ihre Wohn- und Arbeitsstätte verfügt über Flur, Küche, Esszimmer, Kinderzimmer, Bad, und, wenn man die steile Stiege hochgeht, ein Wohnzimmer im Spitzboden, Schlaf- und Arbeitsplatz, ein kleines extra Zimmer für alles mögliche plus Dachterrasse.

Das Extra-Zimmer als Rückzugsort für Jeden

Dieses Extra-Zimmer ist aber mehr als nur ein kleiner Raum mit ein paar Quadratmetern, denn ihm kommt vielerlei Bedeutung zu: Oft geben Eltern ihr Schlafzimmer auf, geben es an die Kinder ab und verlieren einen Rückzugsort. Das kleine Extra-Zimmer ist zu Beginn der Corona-Zeit entstanden.

Kasten „Aus Klein mach Groß“

Tipps von Sima Niroumand

- alte Vorstellungen abhaken und die neuen Bedürfnisse definieren- in die Höhe denken- multifunktionale Möbel erdenken- Rückzugsorte schaffen, indem einem Raum viele Funktionen zugeteilt werden.

Mehr Infos finden Sie hier.

„Denn es ist weniger wichtig, dass jeder seinen Rückzugsort bekommt, sondern mehr, dass es einen gibt, den jeder nutzen und eine Tür schließen kann. Bei uns dient er als Lego-Bauplatz, als zweiten Arbeitsplatz für meinen Partner, Yogaraum, Gästezimmer. Und so einen Raum empfehle ich allen Familien. Durch die Mehrfachnutzung spart man Platz. Und die Kinder nehmen dafür oft in Kauf, mit den Geschwistern ein Zimmer zu teilen.“ Es ist quasi der Showroom zu den Ideen der Hochschule, wie sie Jochen Siegemund formuliert.

Dass die ganze Fläche gerade mal 75 Quadratmeter zählt, fällt schwer zu glauben. Denn vollgestopft und überladen sieht sie wahrlich nicht aus. Jedem Bewohner stehen gerade mal 18,75 Quadratmeter zur Verfügung und Sima ist verantwortlich fürs Raumwunder auf zwei Etagen.

Aus Raumnot entstand Geschäftsmodell

Wie so viele gelungene wie erfolgreiche Geschäftsmodelle gründet auch Simas auf einem persönlichen Dilemma, in ihrem Fall Raumnot. „Als ich zum zweiten Mal schwanger wurde, mussten wir uns etwas einfallen lassen.“ Klar war, dass die junge Familie ihre Mietwohnung im Multi-Kulti-Viertel, in der sie schon seit zehn Jahren wohnt, nicht aufgeben wollte, und eine höhere Miete zu bezahlen ebenfalls undenkbar war.

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Ausziehbare Container bringen viel Stauraum und verstecken die unschönen Dinge in der Wohnung von Sima Niroumand.

Wenn man heute ins Kinderzimmer mit der kobaltblauen Wand kommt, fällt ein riesiges Podest auf, das Niroumand „Containerschiff“ nennt und außer zwei Kinderbetten auf der offenen Fläche, den Kleiderschrank der Kinder und Eltern, ein Lager für die Campingausrüstung und Handwerkszeug und einen Wäschetrockner samt integriertem Wickeltisch beherbergt. „Alles auf Rollcontainern zum Herausziehen, und, viel wichtiger, zum Verstecken. Denn Hässliches will ja keiner sehen, selbst wenn es nur sauber gefaltete Kleidungsstücke sind.“ Apropos Kleidungsstücke: Die meisten lagern gerollt, das sei platzsparender, sagt die Business- und Campingfrau.

Durchdachte Schranksysteme bieten Stauraum

Mit diesem Modell, das sie mit einem befreundeten Tischler lange ausgetüftelt hat, von Wand zu Wand baute, und heute Containerschiff heißt, begann ihr Geschäft. Weitere Ausbauten folgten, was heißt: Hinter jeder Wand verbirgt sich ein durchdachtes Schranksystem, keine Altbaunische bleibt ungenutzt, kein Bett steht einfach nur als Bett, sondern ist ein mit integrierter Matratze auf Schubladen gebautes Podest. „Man würde ja bei einem Ehebett vier Quadratmeter Stauraum verschwenden“, liefert die Designerin als Erklärung.

Bei Habitiny geht es um Wohnraumoptimierung. Bevor Sima Niroumand sich mit ihrer Geschäftsidee selbstständig machte, war sie als Kreativdirektorin in einer Online-Agentur angestellt. „Ob ich dort für die Problemlösung zuständig war oder heute Räume auf die Bedürfnisse zugeschnitten gestalte, spielt keine Rolle“, sagt die Designerin.

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Ihr Erfolg beruht auf einer einfachen Rechnung. Pro Zimmer mehr werden bei einer neuen Miete rund 1.000 Euro mehr Kosten pro Monat in der Großstadt fällig, also pro Jahr rund 12.000 Euro. Ihr fertig gebautes, eingepasstes Containerschiff kostet um 4000 Euro – wobei der Preis von Variablen wie etwa Material und Beschaffenheit der Wände abhängt. „Wenn eine Familie also den Wunsch äußert, noch ein paar Jahre in der Wohnung leben zu wollen, ist die Rechnung ganz einfach.“

Aber bevor die Designerin ausrückt und ein paar ihrer mittlerweile 30 Handwerker pro Auftrag beschäftigt, plant sie mit den Familien ihren Bedarf, fragt nach dem Budget und schneidert dann das passende Modell in Farbe und Ausführung zusammen.

„Denn wer kann sich 120 Quadratmeter in der Großstadt leisten?“, fragt sie und schickt die Antwort gleich hinterher: „Ich kenne niemanden.“ Aber falls doch, lässt sich jeder Habitiny-Einbau auch wieder ausbauen.