Wie Menschen abgesichert sind, die sich in einem Ehrenamt engagieren, erklärt Martin W. Huff in unserer Rechtskolumne.
RechtsfrageIch bin ehrenamtlich viel unterwegs, bin ich dabei unfallversichert?
Zu ihrem ehrenamtlichen Engagement gratuliere ich Ihnen zunächst sehr. Ohne einen solchen gesellschaftlichen Einsatz gäbe es keine Tafeln für arme Mitbürgerinnen und Mitbürger. Rettungsdienste wären nicht so schnell vor Ort. Viele sportliche und künstlerische Aktivitäten könnten nicht mehr stattfinden.
Doch all diese ehrenamtliche Arbeit ist immer auch mit Risiken verbunden. Ein Unfall ist schnell passiert, wenn man viel unterwegs ist. Daher hat der Gesetzgeber entschieden, dass ehrenamtliche Tätigkeiten unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung fallen. Dies bedeutet, dass für Betroffene nach einem Unfall eine Absicherung für den Unfall selbst und seine Folgen vorhanden ist. Dies umfasst etwa Reha-Maßnahmen oder eine Rente, wenn der Unfall zu einer Erwerbsunfähigkeit führt.
Allerdings gibt es immer wieder Streit darum, was eigentlich unter dem Begriff „ehrenamtliche Tätigkeit“ im Sinne des Sozialgesetzbuches Teil VII, dem Recht der Unfallversicherung, zu verstehen sei. Ist es „nur“ das direkte ehrenamtliche Handeln, oder geht der Versicherungsschutz auch darüber hinaus? Immer wieder lehnt die zuständige Verwaltungs-Berufsgenossenschaft Ansprüche ehrenamtlich Tätiger nach einem Unfall ab, und es müssen vor den Sozialgerichten Klageverfahren geführt werden. Ende 2022 hat das Bundessozialgericht in zwei Leitentscheidungen (Urteile vom 8.12.2022 – B 2 U 14/20 R und 19/20 R) wichtige Klarstellungen vorgenommen.
Im ersten Fall ging es um den ehrenamtlichen Vorsitzenden eines Ortsvereins des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Sein Verein pflegte freundschaftliche Kontakte mit einem anderen Ortsverein. Sie besuchten einander und führten gemeinsame Veranstaltungen durch. Auf dem Weg zu einem solchen Besuch verunglückte der Mannschaftsbus, und der Vorsitzende wurde schwer verletzt. Der zweite Fall betraf den Auftritt eines Frauenchors, der ein öffentliches Adventssingen in kirchlichen Räumlichkeiten veranstaltet hatte. Auf dem Weg zum Konzert verunglückte eine Sängerin mit ihrem Auto auf Glatteis schwer.
Freude gehört zum Wesen des Ehrenamts
In beiden Fällen lehnte die Berufsgenossenschaft den Versicherungsschutz ab. Es handele sich bei dem Besuch befreundeter DRK-Gliederungen und dem Konzert nicht mehr um die eigentliche ehrenamtliche Tätigkeit. Dies beurteilten die obersten deutschen Sozialrichter in Kassel anders und sahen die Eintrittspflicht der gesetzlichen Unfallversicherung als gegeben an. In beiden Fällen bestehe ein erkennbarer innerer Zusammenhang mit der ehrenamtlichen Tätigkeit. Berücksichtigt werden müssten auch das Engagement über die direkte Tätigkeit hinaus, wie die gegenseitigen Besuche der Vereine.
Und mit Blick auf die Chorsängerin formulieren die Richter: Der Weg zum Adventssingen „stand in einem inneren Zusammenhang mit dem versicherten Ehrenamt, selbst wenn die Klägerin das Singen in dem Chor vornehmlich aus Freude am Gesang und der Gemeinschaft ausüben wollte. Denn Freude gehört zum Wesen des Ehrenamts.“ Deutlicher kann man das Ehrenamt nicht schützen. Für Sie bedeutet das, dass Sie generell gut abgesichert sind, wenn Sie ehrenamtlich tätig sind.
Dieser Text ist eine Folge unserer Rechtskolumne „Recht & Ordnung“. In dieser Serie schreiben Staatsanwältin Laura Hollmann (Düsseldorf), Rechtsanwalt Martin W. Huff (ehem. Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln) und Rechtsanwältin Helga Zander-Hayat. Sie leitet bei der Verbraucherzentrale NRW den Bereich Markt und Recht. In ihren Kolumnen geben sie Auskunft zu oft kniffligen Fragen des Rechts, können aber keine Rechtsberatung bieten oder in konkreten Fällen den Gang zu einem Anwalt ersetzen. Haben Sie eine Frage an unsere Experten? Dann schreiben eine Mail an: recht-und-ordnung@dumont.de