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VerbrauchertäuschungSollte Werbung mit „klimaneutralen“ Produkten verboten werden?

Lesezeit 3 Minuten
Mehrere Wollpullover liegen gefaltet auf einem Stapel. Daran hängt ein Schild mit der Aufschrift: "CO₂-neutral".

Viele Produkte werben damit, klimaneutral zu sein. Doch was bedeutet das überhaupt?

Eine Verbraucherschutz-Anwältin erklärt, warum das „klimaneutral“-Label irreführend ist und wie man wirklich umweltfreundliche Produkte erkennt.

  1. Ein Gastbeitrag von Rechtsanwältin Helga Zander-Hayat. Sie leitet bei der Verbraucherzentrale NRW den Bereich Markt und Recht.

Immer mehr Menschen möchten etwas fürs Klima tun und auch beim Einkauf möglichst nachhaltige, klimafreundliche Entscheidungen treffen. Glaubt man den Produktlabels oder der Werbung, ist das ganz einfach: Die Auswahl an Produkten, die vorgeblich das Klima schonen, ist riesig. Vom „klimaneutralem Haarshampoo“, zu „100 Prozent CO₂-neutral hergestellt“ über „klimapositive Pasta“ bis zum „CO₂-neutralen Heizöl“ – fast alles, was wir zum Leben benötigen, scheint es auch klimaneutral zu geben. Doch was genau verbirgt sich hinter diesen Bezeichnungen?

Die meisten Menschen verbinden mit „klimaneutral“, dass das Produkt auch tatsächlich klimaschonend hergestellt wurde oder der Hersteller sich bei seiner Produktion verpflichtet hat, den Ausstoß von CO₂ zu vermeiden. Wer dies annimmt, liegt aber falsch. „Klimaneutral“ bedeutet in der gängigen Praxis nur, dass zunächst der CO₂ -Ausstoß eines Produkts berechnet und dann von den Herstellern wieder ausgeglichen wird. Dies geschieht zum Beispiel durch den Kauf von Zertifikaten aus Klimaschutzprojekten wie dem Pflanzen von Bäumen oder dem Bau von Windrädern.

Ist die Kritik am „klimaneutral“-Label berechtigt?

Jedes Produkt kann also das Label „klimaneutral“ tragen, selbst wenn es emissionsintensiv hergestellt wird oder gar dem Klima schadet. So können sich Unternehmen durch Zertifikatskäufe auf bequeme Weise ein ökologisches Image aufbauen, ohne eigene Produktionsprozesse ändern zu müssen. Am meisten profitieren die Firmen selbst sowie die Anbieter der „klimaneutralen“ Labels, die damit ein gutes Geschäft machen. Auf der Strecke bleibt dabei der gute Glaube derjenigen, die dem Label „klimaneutral“ vertrauen.

Aber ist diese Kritik nicht überzogen? Ist der CO₂-Ausgleich nicht wenigstens ein erster Schritt zu mehr Klimaschutz? Bäume pflanzen und Windräder bauen – das klingt tatsächlich gut. Doch der Beitrag von Projekten zur CO₂-Reduktion ist in vielen Fällen zweifelhaft und die Qualität der CO₂-Zertifikate im Einzelfall kaum überprüfbar.

Wie erkennen Verbraucher wirklich klimaschonend hergestellte Produkte?

Fragwürdige Berechnungen und unrealistische Annahmen würden dabei zugrunde gelegt, berichten Klimaschutzexperten. Studien zeigen, dass die Mehrheit der Kompensationsprojekte tatsächlich nicht die CO₂-Reduktionen erbringt, die sie versprechen. So wird bei der Aufforstung von Wäldern oft vorausgesetzt, dass die Wälder dauerhaft stehen bleiben – sie können jedoch abbrennen oder wieder abgeholzt werden. Beim Schutz bedrohter Waldgebiete besteht die Gefahr, dass anstelle des geschützten Gebiets an anderer Stelle abgeholzt wird. Hinzu kommt, dass der CO₂-Ausgleich nicht von einer unabhängigen Stelle, sondern privatwirtschaftlich organisiert wird. Es gibt keine öffentliche oder behördliche Kontrolle, ob die Angaben zu Emissionen in der Produktion überhaupt stimmen.

Verbraucherinnen und Verbraucher können also die Qualität der Zertifikate hinter einem bestimmten „klimaneutralen“ Produkt in aller Regel nicht beurteilen. Damit sie nicht durch falsche Erwartungen und irreführende Versprechen getäuscht werden, sollte die Werbung mit „klimaneutralen“ Produkten verboten werden. Fakt ist, dass „Klimaneutralität“ für ein einzelnes Produkt gar nicht zu erreichen ist. Doch wie können umweltbewusste Verbraucherinnen und Verbraucher ihren Konsum tatsächlich nachhaltiger ausrichten? Statt sich von cleverem Marketing blenden zu lassen, sind altbewährte Strategien oft die bessere Wahl: regionale und saisonale Lebensmittel kaufen, Verpackungsmüll vermeiden, Elektrogeräte möglichst lange nutzen oder auch zu gebrauchter Ware greifen.

Dieser Text ist eine Folge unserer Rechtskolumne „Recht & Ordnung“. In dieser Serie schreiben Staatsanwältin Laura Hollmann (Düsseldorf), Rechtsanwalt Martin W. Huff (ehem. Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln) und Rechtsanwältin Helga Zander-Hayat. Sie leitet bei der Verbraucherzentrale NRW den Bereich Markt und Recht. In ihren Kolumnen geben sie Auskunft zu oft kniffligen Fragen des Rechts, können aber keine Rechtsberatung bieten oder in konkreten Fällen den Gang zu einem Anwalt ersetzen. Haben Sie eine Frage an unsere Experten? Dann schreiben eine Mail an: recht-und-ordnung@dumont.de