Mobilfunkanbieter haben Daten an die Schufa übermittelt. Ob man dagegen vorgehen kann, erklärt Anwalt Christian Solmecke in unserer Rechtskolumne.
Illegale Auskünfte an die SchufaWarum praktisch jeder den Mobilfunkanbieter auf Schadenersatz verklagen kann
Deutschlands größte Mobilfunkanbieter Telefónica Germany (o2), Telekom und Vodafone haben über Jahre hinweg sogenannte Positivdaten unzähliger Kunden an Auskunfteien wie die Schufa übermittelt – ohne jemals nach einer Erlaubnis gefragt zu haben. Das wurde Ende 2021 durch Recherchen des NDR und der „Süddeutschen Zeitung“ bekannt.
Positivdaten sind zum Beispiel Informationen über die Zahl laufender und alter Verträge mit verschiedenen Anbietern oder darüber, wann Rechnungen bezahlt wurden. Auch solche vermeintlich neutralen Informationen lassen negative Rückschlüsse zu: Bereits die Anzahl der abgeschlossenen Verträge oder der häufige Wechsel eines Mobilfunkvertrags können als Indiz für Anbieter-Hopping zu günstigen Konditionen gewertet werden. Das sehen Unternehmen nicht gern, und sie könnten jemanden deshalb als nicht vertrauenswürdig einstufen. Solche Bewertungen können außerdem in die „Scores“ von Auskunfteien wie der Schufa einfließen, die darüber entscheiden, ob man einen Vertrag, eine Wohnung oder einen Kredit erhält – oder eben nicht.
Schufa: Verbraucher müssen in Datenweitergabe einwilligen
Diese Praxis hält die Datenschutzkonferenz von Bund und Ländern (DSK) schon lange für illegal. Nun teilt auch das Landgericht (LG) München I in einem Verfahren der Verbraucherzentrale NRW gegen Telefónica (o2) diese Auffassung: Die Datenweitergabe der Mobilfunkanbieter an die Schufa & Co. verstoße gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Die Positivdaten hätten nicht ohne Einwilligung der Betroffenen übermittelt werden dürfen. Telefónica könne sich weder auf ein „berechtigtes Interesse“ noch auf ein Recht zur Übermittlung wegen der Notwendigkeit „vorvertraglicher Maßnahmen“ berufen (Urteil vom 25.04.2023, Az. 33 O 5976/22 – nicht rechtskräftig).
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Eine weitere Klage gegen die Telekom hat das LG Köln zwar aus prozessualen Gründen in erster Instanz abgewiesen – inhaltlich vertrat das Gericht jedoch dieselbe Ansicht wie das LG München (Urteil vom 23.03.2023, 33 O 376/22). Hier geht es mit der Berufung am 15. September weiter. Vor dem LG Düsseldorf wird schon am 6. September ein Verfahren gegen Vodafone verhandelt. In einer anderen Sache hat kürzlich das LG Frankfurt a.M. eine Klausel des Energieversorgers Eprimo gekippt, weil deren weite Formulierung es erlaubte, auch Positivdaten an Auskunfteien zu übermitteln – was das Gericht ebenfalls als DSGVO-widrig ansah.
Was bedeutet das nun für praktisch alle Menschen mit Mobilfunkvertrag? Jedem, dessen Positivdaten an Schufa & Co. übermittelt wurden, steht meiner Ansicht nach ein Recht auf Schadensersatz nach Artikel 82 der DSGVO zu – schließlich handelt es sich um einen massiven und systematischen sowie langjährigen Eingriff in das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten. Hierzu sollten Betroffene zunächst von ihrem Recht auf Auskunft nach Artikel 15 der DSGVO Gebrauch machen, um zu erfahren, ob auch ihre Daten unzulässig übermittelt wurden. Wenn das der Fall ist, können sie ihren Anspruch zunächst außergerichtlich und – wenn die Anbieter nicht reagieren sollten – vor Gericht geltend machen.
Dieser Text ist eine Folge unserer Rechtskolumne „Recht & Ordnung“. In dieser Serie schreiben Staatsanwältin Laura Neumann (Düsseldorf) sowie die Rechtsanwälte Pia Lorenz („Beck aktuell“), Martin W. Huff (ehem. Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln), Christian Solmecke (Partner der Kölner Medienrechtskanzlei WBS.Legal) und Thomas Bradler (Verbraucherzentrale NRW, Leiter Markt und Recht). In ihren Kolumnen geben sie Auskunft zu oft kniffligen Fragen des Rechts, können aber keine Rechtsberatung bieten oder in konkreten Fällen den Gang zu einem Anwalt ersetzen. Haben Sie eine Frage an unsere Experten? Dann schreiben Sie uns eine Mail an: recht-und-ordnung@kstamedien.de