Schadstoffe können sich in allen Ecken der Wohnung verbergen. Ein Experte verrät, wie man sie findet – und am besten vermeidet.
Farbe, Möbel, Boden, SchimmelWelche Schadstoffe in unseren Wohnungen lauern und wie man sie entdeckt
Ob neue Möbel oder frische Farbe an der Wand: Manche Gerüche in der Wohnung geben Anlass zur Sorge. Gut möglich, dass hier Schadstoffe in der Luft liegen. Und es gibt noch mehr Stellen in Wohnräumen, bei denen Verbraucherinnen und Verbraucher vorsichtig sein sollten. Denn nicht nur Schimmel kann in der Wohnung gesundheitsgefährdend sein.
Tristan Jorde leitet die Fachbereiche Umwelt und Produktsicherheit bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Er weiß: Schadstoffe können sich an vielen Orten im Haus verstecken.
Baustoffe
„Das sieht alles harmlos aus, wenn es eingebaut ist. Und wenn es eingebaut ist, tut es auch meist wenig“, sagt Jorde über potenziell gefährliche Baustoffe. Wenn man nichts mit ihnen mache, passiere in der Regel nicht viel. „Spannend wird es, wenn Sie hineinbohren oder etwas rausreißen.“
Das gilt vor allem für alte Bausubstanzen. Die verbaut wurden, als noch andere Schadstoff-Regeln galten. Jorde nennt Beispiele: Alte Dämmwolle enthält künstliche Mineralfasern, die hoch krebserregend sein können. Auch mit Asbest – das an sich nicht gefährlich ist, wohl aber, wenn kleine, staubige Splitter eingeatmet werden – muss in alten Gebäuden gerechnet werden. Herstellung und Verwendung wurden in Deutschland 1993 verboten.
Ebenfalls in älteren Gebäuden kann sich das giftige und krebsauslösende PCB verstecken. Unter anderem in Dehnungsfugen im Bad oder auf der Terrasse. „Die sehen aus wie ganz normale Dehnungsfugen“, sagt Jorde. Seit 1989 ist PCB in Deutschland verboten.
Boden
„Mein ausdrücklicher Appell: bitte kein PVC kaufen“, sagt Jorde. Diese Böden setzen in der Regel Weichmacher ab. Heutzutage werden die flexiblen Beläge häufig als Design-Vinyl verkauft, geworben wird manchmal auch mit dem Adjektiv „weichmacherfrei“. Jorde: „Das gibt es nicht. Da werden dann bestimmte Gruppen an Weichmachern durch andere ersetzt, bei denen die Tests noch nicht so weit fortgeschritten sind.“ 2017 schrieb Ökotest nach einer Untersuchung: „Von der Produktion über die Nutzung bis hin zur Entsorgung ist der gesamte PVC-Lebenszyklus eine einzige Schadstoffgeschichte.“
Was bei Bodenbelägen auch gefährlich werden kann: der Kleber – „allerdings nur in der Verarbeitung“, so der Verbraucherschützer. Ist die Klebemasse getrocknet und vom Boden bedeckt, sei er vergleichsweise harmlos.
Wandfarben
Wer eine Wand gestrichen hat, kennt es: Bis der strenge Geruch verschwunden ist, kann es dauern. Deshalb: immer gut lüften, rät Jorde. Beim Kauf von Wandfarben lässt sich auf Zertifikate wie das von Ökotest oder den blauen Engel achten. Und: Wer innen streicht, sollte explizit Farbe für den Innenbereich kaufen.
Möbel
Auch nach dem Kauf von neuen Möbeln sollte das Zimmer, in dem sie stehen, in den ersten Tagen gut durchgelüftet werden, sagt Jorde. Handelt es sich um das Schlafzimmer, sollten Verbraucherinnen und Verbraucher ruhig erst einmal in einem anderen Raum übernachten. Heutzutage sei viel Kunststoff im Spiel, nach dem Auspacken können flüchtige Schadstoffe freigesetzt werden. Jordes Tipp: Second-Hand-Möbel kaufen.
Textilien
Textilien sind heutzutage oft behandelt, haben zum Beispiel einen Flamm- oder Fleckenschutz. „Es ist schlau, die Textilien zunächst zu waschen“, sagt Jorde. Danach sollte man sie nicht allzu warm werden lassen, denn dadurch werden flüchtige Substanzen freigesetzt. Zum Beispiel in der Heizsaison oder im Sommer durch intensive Sonneneinstrahlung. Auch bei Textilien gilt: „Am besten ist immer noch das Lüften.“
Schimmel
Schimmel sollte umgehend entfernt werden. Jorde empfiehlt alkoholhaltige Schimmelentferner, die seien „wesentlich harmloser“ als chlorierte. Aber: „Es nutzt gar nichts, wenn man den Schimmel einfach nur wegwischt. Dann kommt er nach wenigen Wochen wieder“, so der Verbraucherschützer. Wichtig ist es, die Ursache zu entfernen.
Das bedeutet: Räume sollten nicht zu feucht sein, deshalb regelmäßig gelüftet werden. Auch Verbraucherinnen und Verbraucher, die zu wenig heizen, riskieren Schimmel: Kühlen Räume zu sehr ab, sinkt auch die Temperatur von Wänden und hinter Möbeln. Dort bildet sich Kondenswasser, dann Schimmel. 40 bis 60 Prozent solle die Luftfeuchtigkeit betragen, um im sicheren Bereich zu sein, sagt Jorde.
Feinstaub
In Großstädten wie Köln sorgen Industrie und Verkehr immer wieder für eine erhöhte Feinstaubbelastung. Aber auch in der Wohnung selbst gibt es Feinstaub. Zum Beispiel, wenn der Filter des Staubsaugers nicht mehr richtig arbeitet. Oder verursacht durch brennende Kerzen, besonders natürlich in der Weihnachtszeit. Jorde sagt: „Nach einem Kerzenabbrand sollte man immer gut lüften.“
Wie erkenne ich, ob sich in meiner Wohnung gefährliche Schadstoffe befinden?
Einen Verdacht auf Schadstoffe bekommen Verbraucherinnen und Verbraucher oft, wenn sie einen beißenden Geruch in der Nase haben. Oder plötzlich gesundheitliche Probleme wie tränende Augen oder schwere Atmung auftreten. Doch wie sollten sie dann vorgehen? Tristan Jorde rät: „Gehen Sie immer nach der Fläche vor.“ Den großen Flächen sollte man zuerst auf die Spur kommen. Je größer die Oberfläche, desto mehr Schadstoffe kann sie freisetzen. Das ist zunächst der Bodenbelag. Zum Beispiel seien Teppichböden „immer Verdachtskandidaten, wenn man Probleme mit der Raumluft hat“, sagt Jorde.
Auch die Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen hat Tipps, wie Betroffene ein mögliches Schadstoffproblem eingrenzen können. Veränderungen in der Wohnung zu dem Zeitpunkt, als die Probleme begonnen haben, können einen Hinweis liefern. Und wann und wo gesundheitliche Beschwerden auftreten.
Hat man einen Gegenstand im Verdacht, sollte dieser entfernt oder gemieden werden. Bei einem großen Möbelstück im Schlafzimmer zum Beispiel können Betroffene einige Tage in einem anderen Zimmer übernachten. „Werden Ihre Beschwerden besser, haben Sie einen ersten Hinweis auf die Ursache“, so die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.
Messung durchführen lassen
Kommt man dem Schadstoff-Übeltäter gar nicht auf die Spur, können Tests einen Aufschluss geben. Diese gibt es auch in der Do-it-yourself-Variante. Doch die Verbraucherzentrale NRW sieht sie aus mehreren Gründen kritisch. Und auch Tristan Jorde empfiehlt, Tests von Profis durchführen zu lassen.
Das sind zum Beispiel Messinstitute. Die Verbraucherschützer aus Nordrhein-Westfalen raten, sich vor der Auswahl eines Instituts Qualitätsnachweise und Referenzen anzuschauen. Auch die Mitgliedschaft in Berufsverbänden biete Orientierung. Neben einem kostenlosen Beratungsgespräch sollten laut Verbraucherzentrale auch Bewertung und Erklärung der Messergebnisse garantiert werden.