MissbrauchsprozessMacht angeklagter Pfarrer U. jetzt reinen Tisch?
Köln – Im Missbrauchsprozess gegen den früheren Pfarrer U. überschlagen sich die Entwicklungen. Nachdem er in der vergangenen Woche wegen Wiederholungsgefahr in Untersuchungshaft genommen worden war, wurde er am Dienstag erstmals öffentlich in Handschellen vorgeführt. Damit nicht genug: Dem Vorsitzenden Richter Christoph Kaufmann zufolge hat U. während einer nicht-öffentlichen Aussage Teile der Vorwürfe gegen ihn eingeräumt. Das berichtete die Katholische Nachrichtenagentur.
Geglaubt, dass Pfarrer U. Opfer einer Lügengeschichte sei
Das Geständnis soll sich auf die Vorwürfe einer Frau aus Gummersbach beziehen, die erst im Laufe des Prozesses thematisiert wurden und nicht Gegenstand der ursprünglichen Anklage sind. U. habe demnach die Aussage des mutmaßlichen Opfers zum Tatzeitraum 2010 bestätigt. Das Mädchen war damals zehn Jahre alt. Besonders heikel: Damals liefen gegen U. Ermittlungen wegen früherer mutmaßlicher Missbrauchsdelikte zu Lasten seiner Nichten. „Weil es ihm da so schlecht ging, hat er eine ganze Zeit lang bei uns gewohnt“, sagte am Dienstag im Zeugenstand die Mutter der Betroffenen aus. Sie und ihr Mann hatten den Angeklagten über Jahre hinweg als engen Freund der Familie gesehen. Seine Darstellung, dass er Opfer einer Lügengeschichte sei, habe sie ihm geglaubt.
Die Gummersbacherin schilderte den Seelsorger, den ihr Mann während eines Krankenhausaufenthaltes kennenlernte, als hilfreichen Freund. „Mit den Augen von damals“, betonte sie: Einer, der mit den Eltern kochte und lange Gespräche führte, mit den Kindern spielte und diese auch zu Übernachtungen zu sich holte, „wenn sie noch Ferien hatten und alle anderen wieder arbeiten mussten.“
Oft habe der Geistliche die Familie an Wochenende besucht und im Dachgeschoss im Gästezimmer geschlafen, wo auch die ältere Tochter ihr Zimmer hatte. Die kleinere habe sie dann manchmal nachts hochgehen gehört. Auch die junge Frau, die neben den drei Nichten des Priesters als vierte Nebenklägerin im Verfahren auftritt, soll durch die Gummersbacher Arztfamilie mit dem Angeklagten in Kontakt geraten sein.
Zeugin erwägte Hausverbot für distanzlosen Priester
Der Neusser Kreisdechant Hans-Günther Korr (63), der in den 90er Jahren dem Angeklagten als Jugendseelsorger nachfolgte, sagte ebenfalls am Dienstag aus. Ein einschlägiges Gerücht über seinen Vorgänger sei ihm nur einmal zu Ohren gekommen: „Ein Jugendlicher fragte, ob ich auch gehört hätte, dass der mit Kindern in die Badewanne gehe. Ich glaube, ich habe mit dem Jugendlichen kein weiteres Gespräch darüber geführt, was sicherlich ein Fehler war. Das weiß ich auch. Im Nachhinein kann es auch ein Hilferuf gewesen sein“, gibt sich der Zeuge reumütig.
Damals habe er lediglich den Angeklagten auf diese Anschuldigung angesprochen. Der habe gesagt, da sei nichts dran, so der 63-Jährige: „Ich habe es im Zusammenhang damit gesehen. Ich wusste nicht, was ein Pflegevater darf, ob er wie ein normaler Vater mit kleinen Kindern in die Badewanne darf. Aber ich dachte, wenn es um Pflegekinder geht, wird schon eine Behörde die Situation überwachen.“
Prozess gegen Pfarrer U.: Neue Fälle werden in Klage eingebunden
Lebhaft erinnerte sich eine Sozialpädagogin, die in Wuppertal eine Kinder- und Jugendeinrichtung leitete, an das dortige Auftreten des Angeklagten: „Er kam und bot Hausaufgabenhilfe an, war da, hat Sachen für uns besorgt und uns ein Trampolin gestiftet.“ Trotzdem habe sie sich zunehmend unwohl damit gefühlt, wie er mit den Kindern umging. Insbesondere zwei Schwestern aus schwierigen sozialen Verhältnissen, die keinerlei Gespür für Nähe und Distanz gehabt hätten, seien gern auf seinen Schoß geklettert.
Mit ihrer wiederholten Bitte an ihn, das nicht zuzulassen, sei sie auf taube Ohren gestoßen. Letztlich habe er aber freiwillig erklärt, nicht mehr in die Einrichtung zu kommen. „Hätte er das nicht getan, hätte ich ihm wahrscheinlich ein Hausverbot erteilt“, so die Zeugin.
Richter Christoph Kaufmann appellierte an U.: „Machen Sie reinen Tisch. Nennen Sie uns wenigstens einen Namen, den wir noch nicht kennen. Springen Sie über Ihren Schatten. Sie würden uns damit überraschen, aber es wäre eine positive Überraschung. Das Strafverfahren ist das eine, aber es geht auch darum, Opfer zu entdecken, die noch nicht gesprochen haben, denen nie geholfen werden konnte, weil man sie nicht kannte.“
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Entschieden ist jetzt auch, dass die neuen, erst im Laufe des Prozesses bekannt gewordenen, Beschuldigungen von mindestens vier Opferzeuginnen in das Verfahren eingebunden werden. Die entsprechende Nachtragsanklage soll die Staatsanwaltschaft bis zum 8.Februar vorlegen. Der Angeklagte habe diesem Vorgehen zugestimmt. Das Urteil soll am 24. Februar gesprochen werden.