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Technik-KolumneKI-Bots statt Faktencheck – Wohin steuern die sozialen Netzwerke?

Lesezeit 4 Minuten
Ein Smartphone mit einem Facebook-Logo auf dem Bildschirm wird vor einen unscharfen Hintergrund mit Meta-Logo gehalten.

Facebook ist Teil des Medienkonzerns Meta.

Soziale Medien drosseln ihre Faktenchecks, die Zahl der KI-Bots nimmt zu. Eine persönliche Kolumne von Steffen Haubner.

Der Tod von Mark Zuckerberg war eine Nachricht, die in den letzten Tagen in vielen Varianten auf Facebook zu lesen war. Allerdings nur dort. Denn der Gründer des sozialen Netzwerks erfreut sich, zumindest nach aktuellem Kenntnisstand, weiterhin bester Gesundheit. Mit der Falschmeldung wollten Kritiker darauf aufmerksam machen, dass mit der Entscheidung des Meta-Chefs, Facebook-Posts künftig nicht mehr auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen lassen zu wollen, Fake News Tür und Tor geöffnet ist. Nachdem Multimilliardär Elon Musk Twitter zu einer über weite Strecken faktenfreien Dreckschleuder namens X umfunktioniert hat, beschreitet Zuckerberg nun offenbar ähnliche Wege.

Steffen Haubner

Steffen Haubner

schreibt als Journalist über Technik- und Medienthemen...

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Ich selbst bin Facebook 2008, vier Jahre nach dem Start, beigetreten. Das fühlt sich an, als sei es gestern gewesen, und doch unendlich weit weg. Wenn Sie bei Facebook sind, klicken Sie doch mal in den Einstellungen auf „Activity log“ und geben unter „Activity history“ ein beliebiges Datum ein. Jede Wette, dass Sie sich dann ganz ähnlich fühlen. Wir dachten wirklich lange Zeit, das sei nun die Demokratisierung der Medien und des gesellschaftlichen Diskurses, ein Urknall der freien Meinungsäußerung, und am Ende würde die „Schwarmintelligenz“ praktisch automatisch zur richtigen Antwort auf jede Frage und eventuell sogar zu so etwas wie Wahrheit führen.

Wenn ich mich schon nur noch mit Bots unterhalte, dann wenigstens mit meinen eigenen

Nun scheint es so, als würde im Namen der Meinungsfreiheit die Unterscheidung zwischen Wahrheit und Lüge abgeschafft. Doch wie kann es im Dienste eines fairen Diskurses sein, wenn jeder einfach unwidersprochen jeden Unfug in die Welt hinausposaunen darf?

Welche absurde Richtung die Entwicklung der sozialen Netzwerke genommen hat, wird offenbar, wenn man sich die jüngsten Äußerungen von Meta-Manager Connor Hayes anschaut. Der „Financial Times“ erklärte er, dass Facebook-Nutzer absehbar mit Hilfe von künstlicher Intelligenz eigene Bots, also virtuelle Personen, erschaffen können, die in ihrem Namen posten. Schon heute weiß man ja oft nicht mehr, hinter welchen Facebook-Profilen echte Menschen und Meinungen stehen, und welche einfach nur ferngesteuerte Meinungsmacher sind.

Alternative soziale Netzwerke wie Mastodon oder BlueSky – über beide wurde an dieser Stelle schon berichtet – stecken noch in den Anfängen, und niemand weiß, ob sie sich jemals gegen die erdrückende Marktmacht der kommerziellen Nonsens- und Lügen-Fabriken wie TikTok, Donald Trumps „Truth Social“ und die Kakophonie der KI-Bots werden behaupten können. Wenn Sie nun denken: „Dann mache ich es eben wie der designierte US-Präsident und gründe mein eigenes soziales Netzwerk“, dann nur zu! In Apples App Store steht bereits „SocialAI“ bereit, „Ihr persönliches KI-generiertes soziales Netzwerk“, ganz nach dem Motto: „Wenn ich mich schon nur noch mit Bots unterhalte, dann wenigstens mit meinen eigenen.“

Klassische Medien: KI als eines von vielen statt dem einen Werkzeug

Doch es nützt nichts, sich in Sarkasmus zu flüchten. Womöglich ist es an der Zeit, die klassischen Medien wieder mehr wertzuschätzen. „Na klar“, werden Sie jetzt denken, „als Journalist muss er das ja sagen!“ Und ja, natürlich bin ich da voreingenommen. Allerdings kann ich auch auf eine gewisse Expertise verweisen. Als ich mein Volontariat absolviert habe, arbeitete das Archiv noch mit Fotokopien und Mikrofiches, Dokumente wurden redaktionsintern (nein, kein Sarkasmus!) per Rohrpost verschickt. Die Digitalisierung habe ich von Beginn an als Fachredakteur für Computer und Internet verfolgt.

Auch in den anderen Ressorts sitzen keine Maschinen, sondern echte Menschen, die täglich trainierte Profis darin sind, echte Fakten von Lügen und Falschmeldungen zu unterscheiden. Und während jede Nachfrage und jeder Protest bei Facebook & Co. erfahrungsgemäß im Nichts verhallt, haben die allermeisten Journalistinnen und Journalisten ein offenes Ohr für ihr Publikum, stellen sich der Kritik und sind bereit, offen mit eigenen Fehlern und Fehleinschätzungen umzugehen. Sicher, auch in den Redaktionen wird KI heute als Recherchewerkzeug eingesetzt, aber es ist eben nur eines von vielen Werkzeugen, neben anderen wie Face-to-Face-Interviews, Fachtagungen, Diskussionen, dem eigenen Archiv und vor allem: Handwerk.

Ich kann Ihnen nur empfehlen, sich mit der KI-Technik auseinanderzusetzen und sich deren vielfältige Möglichkeiten zunutze zu machen, sich aber auch der Grenzen und Gefahren bewusst zu sein. Den Kontakt und Austausch mit echten Menschen, sei es nun in mündlicher oder schriftlicher Form, werden weder Netzwerke voller Bots noch künstliche Intelligenz jemals ersetzen können.