Bis zu 3000 Euro dürfen Unternehmen ihren Mitarbeitern als Inflationsprämie zahlen, anders als das Energiegeld steuerfrei. Die Zahlung ist jedoch freiwillig und der Arbeitgeber muss sie selbst aufbringen. Die Skepsis ist daher groß, wie viele Menschen wirklich von ihr profitieren werden. Einige Unternehmen haben bereits eine Prämie gezahlt oder es den Angestellten zugesagt. Erste Tarifverhandlungen waren in dem Punkt erfolgreich. Bei einem Großteil der Angestellten sieht es allerdings anders aus.
Was ist jetzt zu tun und wie stehen die Chancen auf eine Inflationsprämie? Wie fragen Sie am besten danach? Was gibt es rechtlich zu beachten? Im Gespräch beantworten eine Karriereberaterin, ein Gewerkschafter und ein Rechtsanwalt die wichtigsten Fragen und geben einen Ausblick.
Welche Unternehmen zahlen bereits eine Inflationsprämie?
Millionen Angestellte in Deutschland haben bereits eine steuer- und abgabenfreie „Inflationsausgleichsprämie“ erhalten oder zugesagt bekommen.
Der katholische Wohlfahrtsverband Caritas zahlt seinen 650.000 Mitarbeitenden 3000 Euro netto.
Die Deutsche Bank, die Commerzbank und die ING-Diba leisten ebenfalls Einmalzahlungen.
Der Kaffeeröster Jacobs, die Schokoladenhersteller Ferrero, Lindt und Storck, die Molkerei Meggle und die Hotelkette Steigenberger zahlen laut Gewerkschaft NGG auch die zwischen 300 und 1000 Euro.
Auch die Beschäftigten bei Lidl und Rewe, den Sana-Kliniken, RWE und der Deutschen Bahn bekommen Prämien.
Der Logistikkonzern Kühne + Nagel zahlt zweimal 500 Euro netto.
Die 4,5 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie und der Chemie- und Pharmaindustrie erhalten 3000 Euro netto in zwei Tranchen 2023 und 2024 – zusätzlich zu Lohnerhöhungen. Von der Prämie profitieren etwa die Beschäftigten von BASF, Bayer, BMW, Fresenius, Merck, Henkel, Mercedes und Siemens, aber auch von unzähligen kleinen Betrieben.
Alle anderen können weiter hoffen: Noch zwei Jahre lang haben Unternehmen die Chance, ihren Beschäftigten bis zu 3000 Euro netto auszuzahlen. Bei den ab Januar beginnenden Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst, die Post, die Lebensmittelindustrie und das Gastgewerbe gehört die Prämie zur Verhandlungsmasse.
Lieber mehr Gehalt oder 3000 Euro Prämie?
Verdi begrüßt die Einmalzahlungen. „Allerdings sehen wir diese Zahlungen nicht als Alternative oder gar Ersatz zu tabellenwirksamen Entgelterhöhungen, da sie schnell verpuffen“, sagt Norbert Reuter, Leiter der Tarifpolitischen Grundsatzabteilung bei Verdi.
Ifo-Präsident Clemens Fuest hält dagegen: „Tarifpolitisch ist es sinnvoll, angesichts der hohen wirtschaftlichen Unsicherheit Einmalzahlungen statt permanenter Lohnerhöhungen vorzusehen.“
Bei den im Januar beginnenden Verhandlungen für die 2,5 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen fordert Verdi 10,5 Prozent mehr Lohn. Einmalzahlungen sollen nur „on top“ verhandelt werden.
Ähnlich bei der Lebensmittelindustrie und im Gastgewerbe mit insgesamt über zwei Millionen Beschäftigten: Bei den 2023 anstehenden Tarifrunden fordert die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) mindestens 10 Prozent mehr Lohn. Eine Inflationsprämie könne es nur „oben drauf“ geben.
Die Kölner Karriereberaterin Inés Reinprecht-van de Sandt rät davon ab, direkt auf den Chef oder die Chefin zuzugehen und Forderungen zu stellen. Stattdessen warte man besser erst einmal ab: „Was kommt vom Arbeitgeber? Was macht der Betriebsrat, wenn es einen gibt? Was machen die Tarifpartner?“ In den Tarifrunden sei momentan viel Bewegung.
Das bestätigt Norbert Reuter von Verdi: „Da die Auszahlung der Prämie bis 31. Dezember 2024 möglich ist, wird sie in kommenden Tarifverhandlungen ohnehin eine Rolle spielen.“ Die Gewerkschaften würden sich dafür einsetzen, dass Beschäftigte die Zahlung bekommen. Es soll aber auch um Lohnerhöhungen gehen. In den turnusmäßigen Tarifverhandlungen werde ein Gesamtpaket zu schnüren sein. Insofern sei es jetzt besonders wichtig, sich in einer Gewerkschaft zu organisieren, die die Interessen der Beschäftigten vertritt, so Reuter.
Wie spreche ich Chef oder Chefin am besten auf die Sonderzahlung an?
Die Karriereberaterin und der Gewerkschafter raten beide eher davon ab, als einzelne Person nach der Inflations-Ausgleichszahlung zu fragen. „Grundsätzlich ist es besser und wirkungsvoller, wenn die Anfrage nicht von einzelnen Beschäftigten, sondern vom Betriebsrat oder noch wirkungsvoller, von der zuständigen Gewerkschaft vorgetragen wird“, sagt Norbert Reuter von Verdi.
Wer aber selbst auf den Chef oder die Chefin zugehen will, dem rät Reinprecht-van de Sandt: „Ein guter Zeitpunkt ist, wenn sowieso ein Mitarbeitergespräch ansteht und über das Gehalt verhandelt wird.“ Für eine Gehaltsanpassung sprechen die hohen Energiekosten und die gestiegenen Preise, aber auch erbrachte Leistungen und erreichte Ziele sollten als Argumente angebracht werden. „Dann ist der Arbeitgeber vielleicht geneigter.“
Scheut der Arbeitgeber eine dauerhafte Gehaltserhöhung, kann die steuerfreie Sonderzahlung als Alternative oder Ergänzung ins Spiel gebracht werden. Weil Sozialversicherungsabgaben und Steuern wegfallen, spare er da eine Menge, sagt die Beraterin. Auch steuerfreie Extras vom Arbeitgeber wie die Kostenübernahme von Bahntickets, Fahrten oder der Kinderbetreuung können so eine Alternative sein.
Was die Inflationsprämie attraktiv für Arbeitgeber macht
Was der Arbeitgeber als Prämie zahlt, kommt beim Beschäftigten an. Im Gegensatz zu einer Gehaltserhöhung müssen auf die Prämie keine Steuern und Sozialversicherungsabgaben gezahlt werden. Damit fällt auch der Arbeitgeberanteil von 20 Prozent weg. Im Vergleich mit einer Gehaltserhöhung spare der Arbeitgeber deutlich.
„Unternehmen profitieren, indem ihre Zahlungen voll bei den Beschäftigten ankommen, sie also mit geringerem finanziellem Aufwand für mehr Geld in den Geldbörsen der Beschäftigten sorgen“, sagt Norbert Reuter von Verdi. „Das wird die Beschäftigten bei immer höheren Lebenshaltungskosten natürlich erfreuen“, was wiederum die Bindung an das Unternehmen stärke – kein kleiner Faktor angesichts des Personal- und Fachkräftemangels.
Das sieht die Karriereberaterin ähnlich: Dadurch, dass brutto gleich netto gilt, tue man den Mitarbeitern wirklich etwas Gutes. „Das kann schon Motivation und Bindung ans Unternehmen aufbauen.“ Die Frage sei nach wie vor, ob ein Unternehmen das zahlen kann. Eine Möglichkeit, dem Arbeitgeber entgegenzukommen, sei, die Zahlung bis 2024 aufzuteilen oder sie an die wirtschaftliche Entwicklung zu knüpfen. Reinprecht-van de Sandt verweist aber auf den Gleichbehandlungsgrundsatz, der eine Zahlung an einzelne Beschäftige erschwert.
Dürfen Arbeitgeber einzelnen Mitarbeitern eine Prämie zahlen und anderen nicht?
„Bei der Zahlung der Inflationsausgleichsprämie gilt der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz“, sagt der Kölner Rechtsanwalt Christian Solmecke. „Das heißt: Arbeitnehmer in gleicher oder vergleichbarer Lage dürfen nicht willkürlich ungleich behandelt werden.“ Dem einen 2000 Euro zu zahlen, während der Rest im Team leer ausgeht, sei also eine schlechte Idee.
Wenn Arbeitgeber abweichen wollen, „müssen sie hier nachvollziehbare Kriterien wählen, warum sie einzelne Arbeitnehmer unterschiedlich behandeln wollen“, erklärt der Rechtsanwalt. Es dürfe nicht zu Diskriminierung führen. Eine willkürliche Auswahl von einzelnen Beschäftigten sei daher nicht möglich.
Denkbar könnte es aber sein, nach sozialen Kriterien zu gehen, erklärt Solmecke, „zum Beispiel bei unterhaltspflichtigen Personen.“ Oder nach der Einkommenssituation zu unterscheiden, da derzeit insbesondere Geringverdienende stärker von steigenden Preisen betroffen seien. Am Ende sei es eine Frage des Einzelfalls. Reinprecht-van de Sandt hält eine Unterscheidung nach Gehaltsstufen oder Abteilungen für denkbar.
Wie stehen die Chancen, so eine Sonderzahlung zu bekommen?
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger hatte bereits vor zu hohen Erwartungen an die Prämie gewarnt. „Freiwillig oder auf Bitten einzelner Beschäftigter werden Unternehmen in den seltensten Fällen aktiv werden“, sagt Norbert Reuter von Verdi. Sämtliche Argumente dürften „allenfalls Kleinunternehmen mit direktem Bezug zu den einzelnen Beschäftigten überzeugen.“
Ansonsten solle man sich klarmachen, dass kein Unternehmen gerne freiwillig zahlt. Das zeige sich in jeder Tarifrunde, „wo den Unternehmen immer wieder Lohnerhöhungen – teilweise erst nach Streiks – abgetrotzt werden müssen.“
Keine zu hohen Erwartungen an die Prämie knüpfen
Auch die Karriereberaterin ist skeptisch, zeigt aber Verständnis. „Wir stecken im Moment wirtschaftlich wirklich in einer schwierigen Situation.“ Wenn Angestellte sich selbst an den Arbeitgeber wenden wollen, sollten sie sich fragen, wie die Situation ihres Arbeitgebers gerade aussehe, rät Reinprecht-van de Sandt. „Ist es eine energieintensive Branche, die von den hohen Preisen sowieso stark betroffen ist? Hat das Unternehmen noch immer mit den wirtschaftlichen Auswirkungen von Corona zu kämpfen?“, zum Beispiel. Dann würde sie überlegen: „Gehe ich diesen Schritt oder ist erstmal wichtiger, dass der Arbeitsplatz gesichert ist.“
Bei kleinen Betrieben sei womöglich die Bereitschaft größer, bei großen internationalen Konzernen der finanzielle Spielraum. „Bei einem kleinen Arbeitgeber mit 50 Mitarbeitern, wenn er jedem 3000 Euro zahlen will, dann sind das schon 150.000 Euro“, sagt Reinprecht-van de Sandt. „Dann ist es schön, wenn das steuer- und sozialversicherungs-abgabenfrei ist“, das bringe aber nichts, wenn kein Geld da sei. (mit dpa)