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DauermüdeWarum im Winter viele schlechter schlafen – und was man dagegen tun kann

Lesezeit 6 Minuten
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Wenn die Gedanken kreisen, wird das Einschlafen noch schwerer.

Köln – Bären machen es vor. Im Winter schlafen sie einfach durch. Für viele Menschen wäre ein Winterschlaf wahrscheinlich eine enorme Entlastung. Stattdessen schleppen sie sich durch die kalten und dunklen Monate, trinken Kaffee um Kaffee, sind immer latent müde, aber nachts können viele trotzdem schwer ein- und nicht gut durchschlafen. Laut dem DAK-Gesundheitsreport von 2017 sind 43 Prozent aller Erwerbstätigen regelmäßig bei der Arbeit müde. Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, warum Menschen gerade im Winter schlechter schlafen. Die positive Nachricht: An vielen kann man arbeiten.

Liegt es wirklich am Winter, dass Menschen schlechter schlafen? „Ja und nein“, sagt Olga Tselikmann. Die Oberärztin leitet das Schlaflabor der Universität Düsseldorf. An sich störe der Winter – besonders die Feiertage und die Zeit des Jahreswechsels – die Schlafqualität nicht.

Es gebe aber eine ganze Menge durch die Winterzeit vorbestimmte Faktoren, die Menschen einerseits dauernd müde machen und andererseits das Einschlafen erschweren. Wir erklären, welche das sind und wie man darauf reagieren kann.

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Dr. Olga Tselikmann, Oberärztin im Schlaflabor der Uniklinik Düsseldorf 

Das Schlafhormon Melatonin regelt die Müdigkeit

Entscheidend für den Schlafdruck, der wichtig für eine gesunde „Schlafhygiene“ ist, sind Hormone. Serotonin macht uns wach, das Schlafhormon Melatonin macht uns müde. Damit unser Hormonhaushalt nicht durcheinandergebracht wird, ist es wichtig, zu relativ ähnlichen Zeiten aufzustehen und wieder ins Bett zu gehen. Und es ist wichtig, den Körper tagsüber in Schwung zu bringen, damit er abends müde wird. Nur so werden die Hormone auch zu den „richtigen“ Zeiten produziert.

Das ist im Sommer wetterbedingt viel einfacher. Die meisten Menschen sind viel öfter draußen und bewegen sich. So kann der Körper viel besser zwischen Schlafens- und Wachzeit unterscheiden. Im Winter ist diese Grenze nicht mehr so eindeutig, wenn man nur durch den Tag vegetiert.

Das liegt vor allem daran, dass wir weniger frische Luft und Tageslicht tanken. Denn Melatonin wird auch durch Licht beeinflusst. Wer den ganzen Tag drinnen ist und kein Tageslicht abbekommt, schüttet permanent Melatonin aus. Die Folge: Man ist ständig müde. Also heißt es: raus und bewegen. „Im Idealfall schafft man es, in der Mittagspause eine halbe Stunde draußen zu spazieren“, empfiehlt Tselikmann.

Guter Schlaf: Eine Frage der Gene?

Grundsätzlich hat die Frage, wie gut wir schlafen, sehr viel mit Veranlagung zu tun. Tselikmann geht davon aus, dass rund ein Drittel unserer Schlafqualität genetisch vorbestimmt ist. „In unseren Tests stellen wir immer wieder fest: Es gibt Menschen, denen völlig egal ist, was gerade um sie herum passiert – die schlafen einfach.“

Ob gute oder schlechte „Schlafgene“: Bewegung hilft jedem enorm, besser zu schlafen. Wer die meiste Zeit des Tages auf der Couch vertrödelt, wird nicht richtig müde. Wer sich tagsüber ausgepowert hat, wird hingegen abends ganz automatisch schläfrig.

„Die Abwechslung aus An- und Entspannung ist wichtig für den Schlafdruck. Aus dem Grund sollte man regelmäßig Sport machen“, sagt Tselikmann. Dabei sollte jedoch beachtet werden, dass Bewegung in den späten Abendstunden eher kontraproduktiv ist, denn dadurch wird die Melatoninproduktion gedrosselt und man wird später müde.

Welche Rolle spielen Stress, Ernährung, Alkohol?

Ob Probleme bei der Arbeit oder Stress in der Familie: Wer schlecht schläft, hat oftmals Sorgen, die er mit ins Bett nimmt. „Unser Schlaf ist der Spiegel des Alltags“, sagt Tselikmann. Bei vielen Menschen geht genau dann das Gedankenkarussell los, wenn sie sich hinlegen. Das ist Gift für einen gesunden Schlaf.

In stressigen Phasen – Scheidung, neuer Job, ein Todesfall in der Familie – sei es völlig normal, dass man für einen gewissen Zeitraum schlechter schläft. Langfristig sollte das die Schlafqualität aber nicht mindern. „In diesen Fällen kann ein Einschlafritual helfen, zum Beispiel ein Hörspiel einlegen, einen Tee trinken oder ein Entspannungsbad nehmen.“

Wichtig ist auch eine ausgewogene Ernährung. „Kleine, aber regelmäßige Mahlzeiten sind wichtig“, sagt Tselikmann. Auf den Speiseplan gehören Vitamine (besonders die Vitamine D, B6 und B12), Ballaststoffe, Magnesium, Eisen, Zink und langkettige Omega-3-Fettsäuren. Schwere Mahlzeiten am Abend sorgen dafür, dass der Verdauungstrakt viel zu tun hat – das hemmt den Schlafdruck. Auch die kleinen Snacks zwischendurch sollte man lieber weglassen. „Es ist anstrengend für den Körper, dauernd etwas zu verdauen“, sagt Tselikmann. Der Zucker sorgt zwar für einen kurzen Schub, danach fällt man allerdings ins Energieloch.

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Alkohol solle man nur sehr dosiert zu sich nehmen, sagt die Expertin. Weit verbreitet ist der Mythos, wonach das Feierabendbier oder das Gläschen Wein gut zum Einschlafen seien. „Das stimmt zwar auch, aber die Schlafqualität ist schlechter und in vielen Fällen entsteht gerade aus solchen Gewohnheiten eine Abhängigkeit.“

Eine weitere Quelle schlechten Schlafes: Bildschirme. Ob es das Smartphone, das Tablet, der Laptop oder der Fernseher sind: Das vom Auge konsumierte blaue Licht hemmt die Melatoninproduktion. Die Folge: Man schläft schlechter ein. „Deswegen empfehle ich, dass man spätestens eine Stunde vor dem Schlafengehen den letzten Bildschirm ausmacht und eher ein Buch liest“, sagt Tselikmann.

Kann sich die Corona-Impfung auf die Schlafqualität auswirken?

Laut der Fachinformation der Impfstoffe (einer Art Packungsbeilage) wird darauf hingewiesen, dass die zweithäufigste Nebenwirkung in Folge der Corona-Impfung Schlafprobleme sind. An erster Stelle steht der Schmerz an der Einstichstelle. Schlechter schliefen die Probanden insbesondere nach der Booster-Impfung. So fühlten sich 60 bis 70 Prozent der Befragten nach ihrer Auffrischungsimpfung müde oder erschöpft.

„Einen Zusammenhang halte ich durchaus für realistisch“, sagt Tselikmann. „Immerhin wird das Immunsystem stimuliert, dabei versucht der Körper Ressourcen zu sparen und das macht müde.“

Das Phänomen habe sich auch bereits bei anderen Viruserkrankungen gezeigt. Jedoch beschränken sich die Schlafprobleme wenn überhaupt auf ein paar Tage. „Dabei sind sie wesentlich weniger drastisch als die Fatigue-Erscheinungen, die bei einigen Menschen drei bis sechs Monaten nach der Infektion noch anhalten“, sagt Tselikmann.

Tagsüber müde: Durchkämpfen oder dem Schlafdruck nachgeben?

Wenn man nun alle Hinweise der Expertin beachtet und trotzdem tagsüber permanent müde ist, stellt sich natürlich die Frage, ob man dann nicht einfach auf seinen Körper hören und sich hinlegen sollte. „Nein“, sagt Tselikmann. „In diesen Fällen sollte man sich irgendwie durchquälen oder man macht wirklich nur einen kurzen Powernap für 20 bis 30 Minuten.“ Nur so entstehe abends auch der nötige Schlafdruck.

Und wenn all das nicht mehr hilft, kann es schlicht und einfach auch sein, dass man einen Arzt aufsuchen sollte. „Der Hausarzt kann ein großes Blutbild machen“, sagt Tselikmann. „So lässt sich beispielsweise eine Ober- oder Unterfunktion der Schilddrüse feststellen, was die Schlafqualität erheblich mindert. Daran leiden einige Menschen, ohne es zu wissen“

Außerdem gebe es viele ältere Menschen, die an noch nicht diagnostiziertem Diabetes leiden. „Auch ein permanent zu hoher Blutzuckerspiegel macht müde“, sagt Tselikmann.