Im Abwasser einiger Städte wurden Teile von Polioviren gefunden. Dr. Magnus Heier erklärt, warum das kein Grund zur Beunruhigung ist.
Diagnostik im KlärwerkWarum Teile von Polioviren im Abwasser ein gutes Zeichen sind

Für eine Untersuchung wird Abwasser entnommen.
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Normale Untersuchungen finden natürlich in Krankenhaus oder Arztpraxis statt: Blut wird analysiert, Urin oder Stuhl – und viele mehr. Hier geht es um den einzelnen Patienten. Aber es geht auch ganz anders: Mittlerweile können ganze Städte untersucht werden. Und das erlaubt Aussagen über den Medikamenten- oder Drogenkonsum – und auch über Infektionen. Die moderne Molekular- und Mikrobiologie machte es möglich. Dazu wird das Abwasser untersucht, im Klärwerk.
Damit lassen sich Drogenprofile ganzer Städte erstellen und vergleichen. Kokain, Heroin, Ecstasy – alles, was der Körper ausscheidet, lässt sich auch im Abwasser nachweisen. Dort lassen sich aber auch Krankheitsausbrüche feststellen, bevor die Betroffenen mit Symptomen in Klinik oder Praxis kommen. Die Nachweise passieren quasi in Echtzeit – und lassen sich lokal präzise zuordnen. Im Abwasser werden kleinste Mengen (oder auch nur Bruchstücke) von Viren nachgewiesen – wie etwas SARS-CoV-2, also Corona. Oder auch Bakterien wie Tuberkulose. Oder auch Problemkeime, die gegen Antibiotika resistent sein können.
Reste von Impfungen im Abwasser
Nun wurden im Abwasser einiger Städte – auch in Deutschland – Polioviren gefunden. Nicht das ganze Virus, sondern Spuren davon, kleine Schnipsel. Diese Teilchen sind in sich ungefährlich und nicht infektiös. Aber sie sind ein interessanter und überraschender Hinweis. Nicht auf einen Ausbruch von Polio/ Kinderlähmung. Das Virus in seiner Wildform ist dankenswerterweise fast vollständig ausgerottet. Es taucht nur noch in sehr wenigen Ländern ganz vereinzelt auf – die Impfkampagnen waren überaus erfolgreich. Was sich im Abwasser findet, sind Reste von Impfungen!
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Also ein Zeichen des Erfolgs. Die auch in Deutschland gefundenen Teilchen sind dabei Reste älterer Impfungen, die so in Deutschland nicht mehr verabreicht werden. „Schluckimpfung ist süß, Kinderlähmung ist grausam“ hieß es damals. Die Impfung war völlig selbstverständlich, Diskussionen gab es nicht, Kinder bekamen den Impfstoff auf einem Stückchen Würfelzucker. Die Impfkampagnen waren erfolgreich! Heute werden in Deutschland aber andere Impfstoffe verwendet.
Impfquote muss bei knapp 95 Prozent liegen
Woher kommen dann die „alten“ Impfstoffreste? Vermutlich von geimpften Reisenden. Auch wenn deren „Impfreste“ im Abwasser keine Gefahr darstellen, sind sie doch ein guter Warnhinweis. Denn die Impfquoten hierzulande sinken. Auch Flüchtlinge können keinen oder einen unzureichenden Impfschutz haben. Angestrebt wird eine Impfquote von ungefähr 95 Prozent. Damit findet das Virus keine „Lebensräume“ mehr und kann sich nicht verbreiten – man spricht vom „Herdenschutz“.
Ist die Quote dagegen geringer, kann das Virus zirkulieren. Deshalb ein aktueller Appell: Die Impfung ist sicher! Sind Sie nicht sicher, ob sie ausreichend geimpft sind, lassen sich die Grundimmunisierung, die Auffrischungsimpfung oder auch beide nachholen. Die Impfung ist heute zwar nicht mehr süß (weil ohne Zucker). Die Kinderlähmung kann aber immer noch grausam sein.