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Nur noch KriseSpaß haben und unvernünftig sein – wie kriegen wir das wieder hin?

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Ausgelassen, fröhlich, unbeschwert: Können wir das überhaupt noch? Und ist Spaß jetzt eigentlich angebracht?

Köln – Zwei Jahre lang leben wir nun schon mit den Einschränkungen, die das Coronavirus mit sich gebracht hat. Ende Februar kam noch der Ukraine-Krieg hinzu, der viele zusätzlich schwer belastet. Gleichzeitig sind die Corona-Zahlen so hoch wie nie, die für den 20. März geplanten Lockerungen sind vorerst nach hinten verschoben worden. Dass es spätestens im Sommer wieder besser wird, hoffen wir trotzdem. Doch wie kann man trotz Dauerkrise Lebenslust und Leichtigkeit empfinden? Und darf man das überhaupt?

Ist es in Ordnung, wenn wir uns jetzt Ausgelassenheit und Freude wünschen?

„Ja!“, sagt die Psychologin Constanze Bossemeyer, die in Hamburg als Seminarleiterin und Beraterin arbeitet und sich auf Kommunikation spezialisiert hat. Die Zahlen sind zwar so hoch wie nie, aber gleichzeitig haben sich viele an Corona gewöhnt und akzeptiert, dass das Virus in unserem Alltag bleiben wird. Bald sollen die Schutzmaßnahmen gelockert werden und wir bleiben mit einer Mischung aus Sorge und Freude zurück. Wie gerne möchte man mal wieder loslassen, den Kopf ausschalten, ausgelassen sein, entspannt, unbeschwert und voller Freude. Aber ist der Wunsch nach Ablenkung angesichts des Krieges überhaupt angemessen? Und können wir überhaupt noch ausgelassen und unbeschwert sein?

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Die Hamburger Psychologin und Beraterin Constanze Bossemeyer

„Der Wunsch nach Leben ist nach zwei Jahren Pandemie groß. Wir mussten ständig unsere natürlichen Impulse unterdrücken und uns zurückhalten. Unsere inneren Anteile, die Spaß haben und lebendig sein wollen, mussten massiv zurückstecken. Sie drängen jetzt wieder nach draußen“, erklärt Bossemeyer. Aber Corona ist noch nicht vorbei.

Zusätzlich auf die Stimmung drückt laut Bossemeyer der Krieg in der Ukraine, weil er uns noch hilfloser und ohnmächtiger sein lässt als die Corona-Krise. „Die aktuelle Situation stellt Corona in den Schatten, denn da konnten wir wenigstens noch ein bisschen agieren, wie zum Beispiel durch Abstand halten, Maske tragen und uns impfen lassen. Dem Kriegsgeschehen sind wir völlig ausgeliefert. Die ständigen Dämpfer in den vergangenen zwei Jahren sind für die Seele irgendwann schwer zu bewältigen. Es ist deshalb umso wichtiger, dass wir stark bleiben, denn das ist auch die Voraussetzung für Mitgefühl und Hilfsbereitschaft.“

Wenn es keine allgemeinen Regeln mehr gibt, muss jeder Einzelne Verantwortung übernehmen

Wie kann es jetzt also weitergehen? „Wenn es keine festen Regeln mehr gibt, wird die Verantwortung auf das Individuum gelegt. Jetzt muss jeder für sich selbst schauen, wie weit er sich schützt und wie weit er sich ins Leben wirft“, sagt Bossemeyer. Bin ich jung, vollständig geimpft und dadurch per se weniger gefährdet? Brauche ich andere Menschen um mich herum, um zu entspannen oder bleibe ich lieber allein? Habe ich Angehörige, die geschützt werden müssen? Jeder sollte seine individuellen Bedürfnisse im Auge behalten und die des anderen respektieren.

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„Wir müssen uns individuell entscheiden, wie viel Risiko wir eingehen wollen. Was brauchen wir, um emotional nicht zu verkümmern, was tut uns gut und was hilft uns? Das sind sehr individuelle Frage, die jeder Mensch nur für sich selbst beantworten kann. Da gibt es kein Richtig oder Falsch“, sagt Bossemeyer. Sie empfiehlt, gut auf sich selbst zu hören, die eigenen Bedürfnisse gegen die Risiken abzuwägen und bewusste Entscheidungen zu fällen: „Wenn ich etwas bewusst entschieden habe, dann werde ich damit auch einverstanden sein.“

Darf man jetzt überhaupt Spaß haben?

Geht man ohne bewusste Entscheidung auf ein Konzert oder eine Feier, kann es passieren, dass man sich plötzlich mit schlechtem Gewissen in der Menge wiederfindet. Was, wenn ich mich hier mit Corona anstecke? Und ist es überhaupt in Ordnung, dass ich mich amüsiere, wo es doch so vielen anderen Menschen so schlecht geht? Darf ich überhaupt Spaß haben, solange andere krank sind und Krieg herrscht? Bossemeyer hat darauf eine klare Antwort: „Es ist keinem damit gedient, wenn wir jetzt kollektiv in eine Depression rutschen und verkümmern.“ Nach zwei Jahren im Krisenmodus seien wir alle emotional stark heruntergedimmt. Viele Menschen fühlen sich erschöpft, kraftlos und niedergeschlagen. „Ich werde mittlerweile auf der Straße und beim Sport angesprochen, ob ich noch irgendjemanden kenne, der einen Therapieplatz frei hat“, erzählt die Psychologin.

Zum Weiterlesen: „Zuversicht trotz Corona-Blues“

In ihrem Buch „Zuversicht trotz Corona-Blues – Psychologisches Handwerkszeug für Pandemiegeschüttelte“ beschreibt Constanze Bossemeyer mit der Psychologin Dagmar Kumbier, was während der Pandemie mit unserer Psyche geschehen ist und wie es nun weitergehen kann. Hier geht es zur Leseprobe.

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Gerade jetzt sei es deshalb wichtig, dass die Menschen Dinge tun, bei denen sie abschalten und auftanken können. Sie vergleicht den Dauerkrisenmodus mit einem Marathon: „Auf 42,195 Kilometer haben wir uns eingestellt. Doch dann wird plötzlich bei Kilometer 41 verkündet, dass die Strecke auf unbestimmte Kilometer verlängert wurde. Wir müssen also weiter laufen. Dafür müssen wir auch mal auftanken und uns etwas Gutes tun. Freude und Feiern sind auch ein Verarbeitungsmodus: mit den Lieben zusammen zu kommen und etwas zu genießen hilft dem psychischen Stoffwechsel, das alles zu verkraften.“

Werden wir die Vorfreude zurückbekommen?

In den vergangenen zwei Jahren konnten wir kaum mehr locker und ausgelassen sein, selten konnten wir uns auf etwas freuen. Man musste ja immer damit rechnen, dass Corona einem einen Strich durch die Rechnung macht. Selbst Kinder konnten keine richtige Vorfreude mehr erleben.

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Angela Köckritz: Freude. Über die Entdeckung der Leichtigkeit, Berlin Verlag, 254 Seiten, 20 Euro

Darum geht es: Was kann uns alles Freude bereiten? Was ist das eigentlich für ein Gefühl und wie wird es in anderen Kulturen zelebriert? Angela Köckritz macht sich auf eine Entdeckungsreise und findet viele verschiedene Momente der Freude, die wir alle ganz einfach im Alltag finden können: Zum Beispiel am Meer oder am See, im offenen Blick des Mannes oder der Frau im Auto neben uns, in der Geschwindigkeit auf dem Motorrad, in Blumen und Pflanzen und im satten Blau des Himmels.

Wer weiß, ob die Geburtstagsparty tatsächlich stattfinden darf, ob man wirklich im Sommer in den Urlaub fahren kann und ob die Klassenfahrt nicht doch noch in letzter Minute abgesagt wird. Corona hat unsere Grundfeste massiv erschüttert: dass wir gesund sind, dass wir wissen, was in einem Jahr oder in drei Monaten passiert. Weil nichts mehr planbar ist, freuen wir uns sicherheitshalber auf nichts mehr.

Das hat auch eine positive Seite: Wenn dann doch mal etwas klappt, wissen wir es viel mehr zu schätzen als vor Corona. „Wenn Dinge nicht mehr selbstverständlich sind, empfinden viele auch Dankbarkeit für die Momente der Freude und der Unbeschwertheit“, sagt Bossemeyer. Dankbarkeit und Wertschätzung für das, was da ist, sind eine gute Errungenschaft. Aber Vorfreude ist ein Gefühl, dass uns durch düstere Tage tragen kann. Werden wir es jemals zurückbekommen? Bossemeyer ist optimistisch und sagt: „Wir müssen lernen, mit der Ungewissheit und Unplanbarkeit zu leben. Ich bin zuversichtlich, dass wir die Corona-Krise bewältigen. Wir werden nicht verlernen, wie sich Vorfreude anfühlt.“