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Enge Freundschaft, weite HosenUntersuchung zeigt, was Menschen am Lockdown gut fanden

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Viele Menschen haben es genossen, im Lockdown mehr Zeit zuhause und weniger sozialen Druck zu haben. 

Köln – Zwei Jahre Corona haben uns viele Einschränkungen gebracht, aber offenbar nicht nur. Die österreichische Soziologin Barbara Rothmüller hat während der Lockdown-Phasen im April 2020 und vom 10. November bis zum 10. Dezember 2020 in zwei quantitativen Onlinebefragungen fast 11.000 Menschen in Deutschland und Österreich danach gefragt, was die Pandemie mit ihrem Leben gemacht hat. Die Antworten waren nicht nur negativ: Für einige Menschen scheinen die Kontaktbeschränkungen auch positive Nebeneffekte gehabt zu haben.

Über die negativen psychosozialen Folgen ist in den vergangenen zwei Jahren jede Menge geschrieben worden, über die positiven Nebeneffekte der Kontaktbeschränkungen eher wenig. Das möchte Rothmüller mit ihrer Befragung und dem Artikel „Aufblühen trotz Corona?“ ändern. (Der Artikel ist in Heft Nr. 4 2021 der Fachzeitschrift „Psychosozial“ mit dem Schwerpunktthema „Psyche und Gesellschaft in Zeiten der Pandemie“ erschienen.)

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Die Soziologin Barbara Rothmüller aus Wien. 

Eher wenig überraschend stellt Rothmüller zunächst fest, dass es von der aktuellen Lebens- und Wohnsituation jedes Einzelnen abhängt, ob die Corona-Maßnahmen hauptsächlich positiv oder negativ bewertet wurden. Sie konzentriert sich in ihrem Artikel auf die positiven Ergebnisse und sagt: „Durch den Fokus auf positive Auswirkungen der Pandemie sollen weder die negative Betroffenheit und die psychosoziale Belastung weiter Bevölkerungsteile noch kollektive Bewältigungsstrategien ausgeblendet werden.“

Die Daten ihrer Befragung liefern Hinweise auf fünf unterschiedliche positiv erlebte Nebeneffekte der Distanzierungsmaßnahmen im ersten Corona-Jahr: Vertiefung intimer Beziehungen, Genuss zeitlicher Spielräume, Selbstsorgepraktiken, lustvolle neue Aktivitäten und Werteverschiebungen. Zusammenfassend zeigt sich, dass viele Menschen bestimmte enge Beziehungen jetzt mehr zu schätzen wissen und dafür andere als belastend empfundene Personen „aussortiert“ haben. Viele genossen zudem die Ruhe und den fehlenden sozialen Druck und wissen jetzt insgesamt besser, was sie wirklich wollen. Interessanterweise versuchten viele Teilnehmer, im ersten Lockdown angesichts der allgemeinen Bedrohungslage ihre positiven Erfahrungen zu verschweigen. Dieses Verhalten war bei der zweiten Befragung nicht mehr so ausgeprägt.

Hintergrund

Die Soziologin Barbara Rothmüller forscht an der Sigmund-Freud-Privatuniversität in Wien. Ihre Ergebnisse basieren auf der Auswertung von zwei quantitativen Onlinebefragungen, die in Österreich und Deutschland im Rahmen des Forschungsprojektes „Intimität, Sexualität und Solidarität in der Covid-19-Pandemie“ (März 2020 bis November 2021) an der Siegmund Freud Privatuniversität Wien durchgeführt wurden. Die erste Erhebung fand im April 2020 statt, es beteiligte sich mehr als 8100 Personen. Es gab mehrere offene Fragen dazu, wie sich – in negativer und positiver Hinsicht – die intimen Beziehungen der Befragten im Lockdown verändert hatten. An der zweiten Befragung von Mitte November bis Mitte Dezember 2020 nahmen 2618 Personen teil.

Die Ergebnisse im Detail:

Vertiefung intimer Beziehungen

Als am häufigsten genannte positive Auswirkung der Pandemie nahmen vier von fünf Befragten häufig oder manchmal wahr, dass sie wichtige Menschen in ihrem Leben stärker zu schätzen gelernt haben. Zwei Drittel berichteten außerdem davon, das Zusammensein mit ihnen wichtigen Personen mehr genießen zu können. Dazu zählen nicht nur Partner, sondern auch Freunde und Familie. Rund 60 Prozent erlebten mehr Verständnis und Fürsorge in der Familie. Im Lockdown habe man mehr qualitätsvolle Zeit mit nahen Bezugspersonen verbringen und tiefere Gespräche führen können. 18 Prozent der Befragten berichteten im April 2020 davon, dass Konflikte in ihren intimen Beziehungen abgenommen hätten. Im zweiten Lockdown gaben 65 Prozent der Befragten an, dass die Stimmung in ihrem Haushalt und in der Beziehung gut sei. Viele Menschen in Partnerschaften erlebten mehr Vertrauen und Geborgenheit.

Genuss zeitlicher Spielräume

Ein zweiter positiver Nebeneffekt der Pandemie waren neue zeitliche Spielräume. In der Freizeit gab es wenig zu tun, oft fielen zudem die Wege zur Schule oder zur Arbeit weg. Der Lockdown brachte den Befragten deutlich mehr Zeit, die neu oder anders genutzt werden konnte, zum Beispiel zum intensiveren Nachdenken oder für neue Hobbys.

Selbstsorge: Die Auseinandersetzung mit sich selbst

Rund die Hälfte der Studienteilnehmer gab an, im Lockdown eigene Bedürfnisse besser wahrgenommen zu haben und sich besser gespürt zu haben. Diese positive Entwicklung erlebten vor allem die Personen, die zum Beispiel wegen Kurzarbeit mehr Zeit hatten. Viele sprachen von einer besseren Beziehung zu sich selbst. Frauen konnten dabei Ruhe und Zeit für sich signifikant häufiger genießen als die befragten Männer.

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Frauen konnten die Ruhe oft mehr genießen als Männer. 

Lustvolle neue Aktivitäten

Sehr viele Menschen haben während der Lockdown-Zeit neue Freizeitaktivitäten entwickelt, zum Beispiel Sport und Bewegung im Freien, Stricken, Kochen oder Lesen. Viele kümmerten sich auch intensiv um Haus und Garten und misteten aus. „Menschen verfolgten unterschiedlichste neue Aktivitäten zur Regulierung ihrer Stimmung und zur Bewältigung der psychosozialen Belastungen. (…) Viele der offenen Antworten auf die Frage nach wohltuenden Aktivitäten können als Ausdruck eines pandemiebedingt veränderten Hedonismus verstanden werden, der sich in der Häuslichkeit neue Lustgewinne sucht“, schreibt Rothmüller in ihrem Artikel.

Werteverschiebungen und Freiheitsgewinne

Für einige Studienteilnehmer war die Zeit der Pandemie eine Zeit der Neuorientierung und Selbstfindung. Insbesondere Jüngere berichteten davon, im Lockdown viel nachgedacht zu haben und so herausgefunden zu haben, was sie wirklich wollen. Einige Studienteilnehmer ordneten ihr Privat- oder Berufsleben neu. So wurden einerseits Partnerschaften und Freundschaften vertieft, andererseits gab es aber auch viele Trennungen, Scheidungen und Kontaktabbrüche zu belastenden Beziehungspersonen. Größtenteils wurden diese Abbrüche trotzdem als positiv und erleichternd empfunden.

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Durch die Schließung sämtlicher Freizeitangebote und Clubs entfielen auch der soziale Druck und die Angst, etwas zu verpassen. 59 Prozent der Befragten sahen in den Kontaktbeschränkungen einen willkommenen Grund, Treffen ohne Entschuldigung absagen zu können, zu denen sie ohnehin nicht gehen wollten. Unter den jüngeren Befragten gaben zudem viele an, dass es für sie eine Entlastung gewesen sei, dass niemand mehr von ihnen erwartete, gepflegt auszusehen und gut gekleidet zu sein. So war für 84 Prozent der Schüler und Studenten von 14 bis 20 Jahren der positivste Nebeneffekt des Lockdowns, den ganzen Tag Jogginghose tragen zu können.

Fazit: Befreiung von gesellschaftlichem Stress

„Überraschend war für mich, wie viele unterschiedliche positive Effekte Menschen während der Lockdowns wahrgenommen haben und dass diese auch im zweiten Lockdown noch so verbreitet waren. Einige Menschen hatten offenbar sehr hohen Arbeits- und Freizeitstress sowie sozialen Erwartungsdruck und fühlten sich paradoxerweise durch die Kontaktbeschränkungen von diesen gesellschaftlichen Zumutungen befreit“, bilanziert Rothmüller ihre Untersuchung. Offenbar war für einige Menschen eine positive Veränderung erst durch die Einschränkungen der Pandemie möglich.

Rothmüller glaubt, dass die beschriebenen Vorteile in ersten Linie für junge und gebildete Menschen zutreffen. Grundsätzlich berichteten mehr Frauen als Männer über positive Nebeneffekte und mehr Menschen in Beziehungen als Singles. Rothmüller fasst zusammen: „Der Spaß an der neuen Freizeit, die fürsorgliche Selbstzuwendung und die Erlaubnis, dem eigenen Ruhebedürfnis nachgeben zu dürfen, sowie die Vertiefung wichtiger Vertrauensbeziehungen sind es dann auch, die es den Menschen ermöglicht haben, trotz der Pandemie aufzublühen.“