Wenn Sie Ihre Beweglichkeit trainieren, beugen Sie Schmerzen und künstlichen Gelenken vor. Die letzte Folge der Serie – mit Videoanleitung.
Folge 5 „Fit in den Frühling“Mit diesen fünf Übungen holen Sie sich Ihre Beweglichkeit zurück
Wir staunen, wenn Babys auf dem Rücken liegen, völlig selbstverständlich mit der Hand den Fuß greifen, ihn Richtung Kopf ziehen, die Zehen in den Mund stecken und genüsslich daran nuckeln. Waren wir alle einmal so beweglich? Waren wir! „Aber schon ab dem Alter von vier oder fünf Jahren schwindet die Gelenkigkeit“, sagt Ingo Froböse, Professor an der Sporthochschule Köln. „Gleichzeitig kennt jeder von uns Menschen, die ihr ganzes Leben lang sehr gelenkig bleiben.“ Der Trick ist simpel: Bewegen, bewegen, bewegen. Der alte Spruch „Wer rastet, der rostet“, stimme, sagt Froböse. Deswegen zeigt der Sportprofessor in der letzten Folge unserer Serie „Fit in den Frühling“ fünf Übungen für mehr Beweglichkeit. Diesmal geht es also nicht darum, die Muskulatur zum Brennen zu bringen, sondern sie langsam und kontrolliert zu dehnen.
Die Beweglichkeit der Deutschen insgesamt sei leider nicht gut, beklagt Froböse. „Deswegen haben so viele Menschen Schmerzen in den Gelenken, was oft dazu führt, dass sie irgendwann ein künstliches Gelenk, etwa in Knie oder Hüfte eingesetzt bekommen müssen.“ Denn bei einem Gelenk, das nicht oder zu wenig bewegt werde, können Knorpel und die restlichen Strukturen nicht richtig versorgt werden – und verkümmern. „Dass die Gelenke zerstört werden, hat nichts damit zu tun, dass sie überlastet sind, sondern dass sie nicht genutzt werden.“ Als Beispiel nennt er das Schultergelenk, das jeden Tag rotiert werden müsse – und zwar in alle Richtung. Auch die Hüfte müsse nach vorne, nach hinten, zu den Seiten bewegt werden. Die gute Nachricht: Wer mit einem Beweglichkeitstraining anfängt, verspürt schon nach vier Wochen Verbesserungen, verspricht Froböse: „Die Verschiebeschichten sind dann nicht mehr so verklebt, die Faszien gelockert, im Knorpel ist mehr Flüssigkeit, die Muskeln sind besser versorgt, die Sehnen geschmeidiger – insgesamt ist dann alles besser geschmiert.“
Muskeltraining, wie wir es in den bisherigen vier Folgen gemacht haben, und unser Beweglichkeitstraining heute ergänzten sich untereinander, so Froböse. Denn Muskeln müssen nicht nur kräftig und voluminös sein, sondern auch lang und gedehnt. „Nur dann können sie ihre optimale Kraft entfalten“, so der Sportprofessor. Eine Muskulatur, die nur auf Masse und Volumen trainiert wird, steht der Beweglichkeit irgendwann sogar im Weg. Man kennt das von aufgepumpten Bodybuildern und ihren teils ungelenken Bewegungen. Aber: Da wollen wir ja gar nicht hin. Trotzdem empfiehlt Ingo Froböse, an ein intensives Muskeltraining nicht direkt eine Bewegungseinheit anzuschließen, sondern die Gelenkigkeit lieber am nächsten Tag zu trainieren. „Sonst geben wir in die stark belastete Muskulatur noch einen zusätzlichen Dehnreiz – und das kann zu viel sein.“
Also: Rollen Sie Ihre Matte aus und gönnen sich und Ihren Gelenken heute mal eine ruhigere Sporteinheit. Jede Position sollten Sie mindestens 20 Sekunden halten.
Übung 1: Cobra-Stretch
Wir beginnen mit der Beweglichkeit der Wirbelsäule und der Dehnung des Oberkörpers vorne. Die Übung heißt Cobra und ist eine der bekanntesten Yoga-Positionen. Legen Sie sich in Bauchlage auf die Matte. Die Hände liegen flach auf dem Boden, Ellbogen sind aufgestützt. Nun richten Sie sich auf – und zwar so weit es geht. Sie sollten einen Dehnreiz im Bauch verspüren, die dortige Muskulatur wird jetzt in die Länge gezogen. Wenn Sie keinen intensiven Dehnreiz verspüren, probieren Sie die Variante für Fortgeschrittene aus: Sie liegen immer noch auf dem Bauch, haben ihre Hände aber aufgestützt, und schieben sich nach oben – am besten so weit, bis die Arme durchgedrückt sind. Der Reiz, der so entsteht, strahlt bis ins Becken hinein. Halten Sie den Kopf gerade, schauen nach vorne und halten.
Übung 2: Flanken dehnen
Nach der Frontpartie des Oberkörpers sind jetzt die Seiten dran. Denn auch die Flanken sollten gedehnt werden, das ist auch für den Rücken wichtig. Viel zu oft werden sie im Alltag vernachlässigt. Stellen Sie sich etwas weiter als hüftbreit hin, der Rücken ist gerade, die Arme hängen entlang der Hosennaht herunter. Nun ziehen Sie mit der rechten Hand in Richtung des rechten Knies, am besten noch darüber hinaus. Wichtig: Rücken und Beine bleiben gerade. Sie können auch vorsichtig auf und ab wippen, Sie werden merken, dass Sie dann ein wenig weiter nach unten kommen. Nach 20 Sekunden kommen Sie wieder hoch und dehnen die linke Seite.
Übung 3: Trizeps dehnen
Nun dehnen wir die Rückseite der Arme, insbesondere den Trizeps. Auch ihm wird im Alltag häufig zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Stellen Sie sich aufrecht und hüftbreit hin. Legen Sie die rechte Hand auf die linke Schulter. Heben Sie den rechten Arm etwas an, sodass er knapp unterhalb der Schulterhöhe ist. Jetzt legen Sie ihre linke Hand auf den rechten Ellbogen und führen ihn, soweit es geht, nach hinten. Die rechte Hand rutscht ein Stückchen die Schulter herunter Richtung Rücken. Sie sollten jetzt einen Zug auf der Rückseite des rechten Oberarms verspüren. Halten Sie 20 Sekunden und lösen. Dann ist die andere Seite dran.
Übung 4: Achillessehne und Wade dehnen
Wenn Sie regelmäßig spazieren, walken oder joggen gehen, kennen Sie das: Achillessehne und Wade brauchen viel Dehnung, bekommen sie aber leider häufig nicht. Deswegen machen wir das jetzt. Links ist unser Standbein: Stellen Sie das linke Bein nach vorne, das Knie ist etwas gebeugt. Das rechte Bein stellen Sie hinten ab und beugen es ebenfalls. Wichtig: Der Fuß steht flach auf dem Boden. Halten Sie diese Position. Sie sollten einen Zug in der Wade und der Ferse verspüren. Sie können diese Dehnung auch variieren und versuchen, das hintere, rechte Bein zu strecken. Wechseln Sie langsam zwischen Beugen und Strecken. Auf diese Weise werden verschiedene Teile der Wade und der Achillessehne gedehnt. Danach wechseln wir natürlich, nutzen rechts als Standbein und dehnen die linke Seite.
Übung 5: Beinrückseite dehnen
Nicht nur die Wade, auch die restliche Bein-Rückseite muss gedehnt werden. Es geht hier insbesondere um die ischiocrurale Muskulatur, also die Muskulatur, die das Knie beugt und die Hüfte streckt. Links ist wieder zuerst unser Standbein, beugen Sie es. Das rechte Bein strecken Sie hingegen komplett aus und ziehen die Fußspitze an. Der Oberkörper ist leicht vorgebeugt, den Po strecken Sie nach hinten raus. Wenn Sie sich unsicher fühlen, stellen Sie sich neben einen Tisch und stützen sich mit einer Hand ab. Sie sollten jetzt einen Zug in der Rückseite des rechten Beins verspüren. Wenn Sie noch mehr wollen, können Sie sich auch mit dem Oberkörper nach vorne beugen, Po ausgestreckt lassen, mit der linken Hand am Boden abstützen, mit der rechten Hand den rechten Fuß umfassen und vorsichtig zu sich ziehen. Halten Sie eine der beiden Positionen für 20 Sekunden und wechseln dann die Seite: Rechts ist das Standbein, links wird gestreckt und gedehnt.