Köln – Gebe ich dem Kind genug Zuwendung? Ist das normal, wenn es so trotzig ist? Und soll ich es nicht doch noch zur Musikschule anmelden? Elternsein heute kommt oft einem ständigen Fragen-Wirrwarr im Kopf gleich. Mütter und Väter sind andauernd bestrebt, alles rund ums Kind irgendwie richtig zu machen. Doch es entsteht auch schnell das Gefühl, je häufiger sie sich mit anderen Eltern vergleichen und je mehr Ratgeber sie lesen, desto unsicherer werden sie.
Das hat jetzt auch eine neue Untersuchung der Konrad Adenauer Stiftung bestätigt, für das Studienleiterin Carmen Eschner Erziehungskonzepte und Elternratgeber seit 1945 ausgewertet hat. Eltern seien heutzutage stetig auf der Suche nach der „richtigen Erziehung“, sagt Eschner, sie stünden besonders unter Leistungsdruck und seien vielleicht so unsicher wie nie zuvor.
Elternsein heute als „anspruchsvolle Aufgabe“
Mütter und Väter der heutigen Zeit lebten eine „demokratische Erziehungskultur“, in deren Rahmen die kindlichen Bedürfnisse und Entwicklungen im Mittelpunkt stehen - anders als in den 50er und 60er Jahren, wo noch ein autoritärer Erziehungsstil an der Tagesordnung war. „Eltern erziehen ihre Kinder heute zugewandter und kindgerechter mit mehr Zeit und Kommunikation als je zuvor.“
Die heutige Erziehungspraxis aber mache Elternschaft auch zu einer besonders „anspruchsvollen Aufgabe“.
Seit den 90er-Jahren seien die allgemeinen Leistungsanforderungen an Eltern enorm gestiegen. Mütter und Väter müssten inzwischen vielfältige Kompetenzen haben, nicht nur psychologisch, sondern auch in den Bereichen Gesundheit, Kinderernährung und Medienkonsum. Der Druck, den gesellschaftlichen Erwartungen gerecht zu werden, sei hoch. Das setze auch unter Erfolgsdruck. Die durchschnittliche Kleinfamilie und besonders Alleinerziehende könnten das oft nicht mehr aus eigener Kraft leisten.
Erziehung ist individuell und nicht effektiv
Insbesondere engagierte Eltern aus der Mittelschicht würden vermehrt nach Bestätigung suchen und Informationen einholen in Büchern, Elternkursen und psychologischen Praxen. Auch weil sie es aus der Arbeitswelt gewohnt seien, effizient Lösungen anzustreben. Das Familiengeschehen aber funktioniere eben nicht nach solchen ökonomischen Prinzipien.
„Wer im Arbeitsprozess steht und gewohnt ist, auf Effizienz, Transparenz und termingerechte Prozessabwicklung zu achten, der wird angespannt die eher individuelle, in langsamen Prozessen fortschreitende Entwicklung seines Kindes betrachten und bei ineffektiven Erziehungsversuchen an sich zweifeln.“ Viele Eltern seien dann verunsichert und entmutigt.
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Ratgeber verunsichern Eltern oft zusätzlich
Erziehungsratgeber könnten an dieser Stelle einerseits helfen, erzieherisches Selbstvertrauen zurück zu gewinnen. Auf der anderen Seite könnten sie die vielfältigen modernen Lebenswelten heutiger Familien nur teilweise abdecken und widerspiegeln.
Zudem verstärkten viele der Elternbücher wiederum den Anspruch an das Elternsein. Weil sie Ideologien hochhielten, die bei Müttern und Vätern Druck und Stress auslösen würden. Dass die großen Erwartungen oft von der Alltagsrealität der Familien abweichen, das belaste und überfordere die Familien. Die Ideologie der „intensiven Bemutterung“, sagt Eschner, sei zum Beispiel mitverantwortlich für die immer noch geringe Geburtenzahl, für überhöhte elterliche Ziele und mütterliche Stress-Symptome.
Eltern, die Hilfe nötig haben, werden nicht erreicht
Insgesamt problematisch sei, so Eschner, dass Elternratgeber und Kurse in der Regel genau jene Eltern nicht erreichten, die solche Hilfe am meisten brauchten. In Familien mit niedrigem Bildungsniveau bestehe immer noch die Neigung zu autoritären Erziehungsmaßnahmen. Das zu lösen sei eine anhaltende sozialpolitische Aufgabe.
(iwo)