In Sachen LiebeMuss ich mich entschuldigen, obwohl ich mich nicht schuldig fühle?

Gerade in Patchwork-Beziehungen kann es schwierig sein, den Bedürfnissen aller Beteiligten gerecht zu werden.
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- Was gibt es Schöneres und Wichtigeres im Leben als die Liebe? Wie wir sie finden, pflegen und sie uns erhalten; was geschieht, wenn sie vergeht oder wir sie verlieren – darum geht es in unserer PLUS-Kolumne „In Sachen Liebe“.
- Im Wechsel beantworten die Psychotherapeutinnen Désirée Beumers, Carolina Gerstenberg und Daniel Wagner sowie die Diplom-Psychologinnen Elisabeth Raffauf und Katharina Grünewald Ihre Fragen rund ums Liebesleben, Sex und Kindererziehung.
- Dieses Mal geht es darum, was man tut, wenn die Partnerin eine Entschuldigung einfordert und man sich selbst nicht schuldig fühlt.
Köln – Ich brauche manchmal etwas länger als geplant, wenn ich meine Tochter nach einem Wochenende zu ihrer Mutter zurückbringe. Meine neue Freundin wartet dann oft schon ungeduldig auf mich und erwartet eine „ehrliche“ Entschuldigung. Die kann ich ihr aber nicht geben, weil es mir zwar leid tut, dass sie gewartet hat, aber die Zeit oft sehr wichtig ist für die Beziehung zu meiner Tochter und auch gut investiert für die dazugehörige Elternbeziehung. Entschuldige ich mich aber nicht, gibt es mindestens für den Rest des Tages schlechte Stimmung. (Hans, 49)
Sie beschreiben eine anspruchsvolle Situation. Einerseits sind Sie froh über die Zeit, die sich bei der Übergabe Ihrer Tochter mit Ihrer Exfrau ergibt. Sie nutzen sie wahrscheinlich, um Absprachen zu treffen, Fragen zu klären oder vielleicht sogar erneutes Vertrauen zwischen Ihnen als Eltern entstehen zu lassen. Das ist besonders für Ihre Tochter wünschenswert und macht das Hin- und Herwechseln leichter. Sie tun also etwas sehr Verantwortungsvolles für Ihre Tochter und Ihre Elternbasis. Wieso sollten Sie sich dafür entschuldigen?
Diese Erwartung Ihrer Freundin wird nur verständlich, wenn Sie die Perspektive wechseln und die Situation aus der Brille Ihrer Freundin betrachten: Sie war zur verabredeten Zeit an Ort und Stelle, und Sie haben sie versetzt. Das ist kränkend, verärgert die Wartende. Ihre Freundin gibt Ihnen einen Hinweis darauf, wie es weitergehen könnte: mit einer „ehrlichen“ Entschuldigung.
Aber eine „ehrliche“ Entschuldigung geht ja nur, wenn Sie sich auch „schuldig“ fühlen, und das tun Sie aus Ihrer Perspektive eben nicht. Wie gehen Sie nun mit dieser Ambivalenz um? In Ihrer Frage haben Sie selbst schon einen Ansatz mitgeliefert: Sie schreiben, dass es Ihnen leidtut. Hier stellen Sie sich bildlich auf die Seite Ihrer Freundin. Es ist jedoch in Ihrer Frage nur ein Halbsatz. Durch das anschließende Aber sind Sie ganz schnell wieder in Ihrer eigenen Perspektive und lassen Ihre Freundin samt ihrer Verletzung im Regen stehen. Daher fühlt es sich für sie „nicht ehrlich“ an.
Drei Baustellen in der Beziehung
Es werden hier drei Baustellen sichtbar, die der Reflexion und Auseinandersetzung in Ihrer Beziehung bedürfen.
1. Sie haben als leiblicher Vater eine Scharnierfunktion: Sie sind Teil der Elterneinheit des alten Familiensystems und für eine gute Übergabe Ihrer Tochter an ihre Mutter verantwortlich. Sie sind aber auch Geliebter, der Raum für die neue Liebe haben will und geben soll. Wie können Sie es schaffen, zuverlässig und berechenbar Zeit für die Elterneinheit zu haben, ohne vom Zufall oder von der Stimmung Ihrer Exfrau abhängig zu sein? Vielleicht könnten Sie mit ihr einen regelmäßigen Termin zu einem anderen Zeitpunkt ausmachen? Oder Sie planen von vorneherein mehr Zeit für die Übergabe ein? So könnte sich Ihre Freundin darauf einstellen und müsste nicht warten.
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2. Ihre Freundin spürt, was sie braucht, um in ihrer Verletzung gesehen zu werden. Allerdings ist in erster Linie sie selbst dafür zuständig, nicht Sie. Wie kann sie die Selbstfürsorge so gestalten, dass sie nicht von Ihrer Entschuldigung abhängig ist? Wie könnte ein Plan B für Ihre Freundin aussehen, wenn Sie nach einer bestimmten Zeit nicht da sind?
Leseraufruf
Regelmäßig beantwortet jemand aus unserem „In Sachen Liebe“-Team Ihre Fragen. Schreiben Sie uns, was Sie in der Liebe bewegt; was Ihnen schwerfällt, wo Sie sich einen guten Rat wünschen!
Ihre Zuschriften unterliegen dem Redaktionsgeheimnis und werden von uns in anonymisierter Form zur Beantwortung weitergegeben.
Schicken Sie Ihre Frage an: in-sachen-liebe@dumont.de
3. Welchen Rahmen braucht Ihre Beziehung, damit Ihre Liebe lebendig sein und wachsen kann? Sie beide haben eine Verantwortung dafür, dass Sie mit Ihren Bedürfnissen und Wünschen in Ihrer Beziehung wertschätzend und achtsam umgehen – sprechen Sie darüber, seien Sie gespannt darauf, welche unterschiedliche Bedeutung die Dinge für Sie beide haben. Und trauen Sie sich, kreative und großzügige Lösungen zu finden.