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Und jetzt SommerferienMutter gesteht: „Ich halte es mit den Kindern nicht mehr aus!“

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Bei aller Liebe zur Familie: Irgendwann geht es einfach nicht mehr und man möchte nur noch alleine sein. (Symbolbild)

  1. Drei Monate lang waren die Kinder wegen der Corona-Gefahr nicht betreut. Jetzt stehen sechs Wochen Sommerferien an.
  2. Wieder alle zuhause. Nicht alle Eltern freuen sich auf diese Zeit.
  3. Eine erschöpfte Mutter berichtet hier anonym, dass sie es mit ihrer Familie gerade nicht mehr aushält und einfach nur alleine sein möchte.

Köln – Jetzt also nochmal sechs Wochen frei. Gestern haben die Sommerferien begonnen, genauer gesagt die „wohlverdienten Sommerferien“, wie uns eine Lehrerin schrieb. Darüber musste ich herzlich lachen. Wohlverdient also.

Meine Kinder sind fünf und zehn Jahre alt und seit Mitte März zuhause. Kein Kindergarten für die Tochter (bis auf wenige Tage am Ende), keine Schule für den Sohn (bis auf wenige Tage am Ende). Seit mehr als drei Monaten hängen beide Kinder in der Wohnung herum. Dazu kommen mein Mann und ich, die beide versuchen, in dem Chaos zuhause zu arbeiten. Ich kann nicht mehr.

Wohlverdiente Ferien? Ich kann nur lachen

Wohlverdiente Sommerferien wären für mich, wenn ich alleine in den Urlaub fahren könnte und ich mich wenigstens eine Woche lang nicht um Kinder, Essen und Haushalt kümmern müsste. Keine Streitereien, kein Kochen, kein Eincremen mit Sonnenmilch. Einfach nur irgendwo sein, nicht reden, dafür schwimmen und ein Buch lesen. Aber nein, meine Sommerferien sehen nun so aus, dass ich mich weitere sechs Wochen lang zuhause um die Kinder kümmern darf. Wir haben keinen Urlaub gebucht und mein Mann muss weiter arbeiten und darf sogar wieder ins Büro. Ich beneide ihn ein bisschen dafür und schäme mich zugleich in Grund und Boden für diesen Gedanken.

Mir ist schon klar, dass ich mit meinem Problem nicht allein bin. Fast alle Eltern hatten in den vergangenen Monaten die gleichen Probleme. Aber das hilft mir nicht. Ich will auch nicht noch mal aufzählen, was alles in der Zeit des Lockdowns zu tun war, das haben wir alle schon oft genug gehört. Zum Glück musste ich wenigstens nur mit dem großen Kind Hausaufgaben machen und mich nicht neben meiner eigenen Arbeit um drei schulpflichtige Kinder kümmern wie Freundinnen von mir.

Von morgens bis abends hängt die Kleine an mir dran

Das Kindergartenkind musste zwar nicht beschult werden, war ohne seine Freundinnen und den Kindergarten aber auch nicht weniger anstrengend. Schon nach wenigen Tagen zuhause konnte sie sich nicht mehr selbst beschäftigen. Alle Spiele waren gespielt, alle CDs gehört und alle Malbücher ausgemalt. Von morgens bis abends hängt die Kleine an mir dran und nimmt mich in Beschlag. Wenn ich mit meinem Sohn Hausaufgaben mache, kommt sie dauernd rein und stört uns. Seit sie ab und zu wieder Freundinnen trifft, ist es besser geworden. Aber oft genug macht sie mich immer noch wahnsinnig. Und schon wieder habe ich ein schlechtes Gewissen.

Dazu kommt, dass sie sich vom Kindergarten verabschieden muss und nach den Ferien in die Grundschule wechselt. Es gab weder ein schönes Abschiedsfest noch wissen wir genau, wie es im August weitergehen wird. Das haben wir uns alle anders vorgestellt.

Der Große hängt zu viel am Handy

Der Große hat sich eigentlich ganz gut gehalten, aber ich mache mir Sorgen um ihn. Weil wir so oft arbeiten müssen, hängt er viel mehr vor Computer und Handy als sonst. Das macht mich verrückt. Andererseits kann ich ihm auch keinen Vorwurf machen, denn ich will ja, dass er still ist, damit ich meine Arbeit machen kann. Während der ganz harten Kontaktbeschränkung konnte er auch seine Freunde nicht treffen oder seinen Hobbys nachgehen. Ich verstehe ihn schon. Andererseits wäre mir natürlich lieber, er würde Bücher lesen oder sich Gitarre spielen beibringen. Aber das kann ich mir wohl nicht aussuchen.

Ich brauche abends wenigstens eine Stunde allein

Was mich so richtig wahnsinnig macht ist, dass die Kinder seit ein paar Wochen so spät schlafen gehen. Ich kriege sie nicht ins Bett. Manchmal hängen sie bis halb 12 im Wohnzimmer herum. Wenn ich die Kleine im Bett habe, braucht sie ewig, um einzuschlafen und steht immer wieder auf. Ich habe dafür kein Verständnis mehr und bin neulich auch laut geworden. Das tat mir dann direkt wieder leid, aber ich kann einfach nicht mehr. Ich brauche abends wenigstens eine Stunde allein, bevor ich zu Tode erschöpft ins Bett falle. Von sieben Uhr morgens bis Mitternacht springen die Kinder um uns herum. Was uns sonst die Erzieher und Lehrer in Kindergarten und Schule abnehmen, fehlte lange Zeit komplett.

Man nervt sich auch als Paar

Zum Glück bin ich nicht alleinerziehend. Da wüsste ich wirklich nicht, wie ich die Situation aushalten soll. Manchmal allerdings wünsche ich mir, da wäre nicht noch jemand da, wenn die Kinder endlich schlafen und ich diese eine kostbare Stunde für mich habe. Ich will mich dann nicht mehr unterhalten, sondern einfach mit einem Glas Wein vor dem Fernseher herumlungern. Auch dafür schäme ich mich schon wieder. Und mache mir gleichzeitig Sorgen um unsere Beziehung.

Einerseits verbringen wir seit dem Lockdown zwangsläufig mehr Zeit miteinander, andererseits sind wir uns dadurch nicht näher gekommen. Es ist einfach nicht gut, zu lange in einer Wohnung zusammen zu sein. Man nervt sich einfach nur noch. Ich kann nur hoffen, dass sich das jetzt wieder ändert.

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In den vergangenen drei Monaten gab es einfach zu viele Gefühle: Angst, Sorge, Überforderung, Langeweile und auch Wut. Ich weiß nicht wohin mit all den Emotionen, denn es gibt keinen Schuldigen, den ich verurteilen könnte. Einerseits finde ich, dass wir die Zeit relativ gut überstanden haben, andererseits habe ich nur noch einen Wunsch: alleine sein.

Ein bisschen Abstand würde uns allen gut tun

Nicht falsch verstehen. Ich liebe meine Kinder und meinen Mann. Aber ein bisschen Abstand würde uns allen ganz gut tun. Ich weiß überhaupt nicht mehr wie es ist, alleine zu sein.Die wenigen Tage, die die Kinder in Kindergarten und Schule waren, haben uns alle entlastet, alle vier waren besser gelaunt. Jetzt stehen schon wieder sechs Wochen Ferien vor der Tür und ich habe nichts, auf das ich mich freuen kann.

Ich habe im Moment keine Kraft, mit den Kindern alleine zu vereisen. Sie streiten so viel, und ich habe jede einzelne Argumentation zu jedem Thema in den vergangenen Monaten schon gehört. Was sollen wir die ganzen sechs Wochen lang machen? Ausflüge, Freibad, alles schön und gut, aber nicht meine Vorstellung von Sommer. Ich versuche, mich zusammenzureißen und zu denken: Wird schon. Buchen wir halt was im Herbst. Manchmal gelingt mir das, manchmal nicht.

Die Kinder tun mir leid, weil wir nicht in den Urlaub fahren, keinen Garten mit Pool haben und ich so genervt bin. Sie können ja gar nichts dafür. Ich selbst tu' mir auch leid. Und zergehe vor schlechtem Gewissen, weil ich mich nicht darauf freuen kann, weitere sechs Wochen rund um die Uhr mit der Familie zu verbringen. Alles was ich mir wünsche ist, dass die Schule wieder beginnt und alles wieder normal ist. Traurig, oder?