„Mia hat aber auch ein Handy!“Mein Kind ist oft neidisch – wie gehe ich damit um?
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Köln – Kinder wollen und fordern viel, wenn der Tag lang ist. Mit einem einfachen Nein lassen sie sich dabei selten abspeisen. Wenn ihnen etwas wichtig ist, dann bleiben sie dran, sie wünschen, bitten und verhandeln. Und ganz oft kommen dann diese Sätze als ultimatives Totschlagargument: „Der Benni hat aber auch ein Meerschweinchen!“, „Die Ayla darf aber auch schon Star Wars gucken!“, „Die Ruby kriegt aber auch ein neues Fahrrad zum Geburtstag!“ So, und was sagt ihr jetzt, liebe Eltern?
Die ewigen Vergleiche mit Freunden oder Geschwistern können für die Eltern ganz schön nervig sein. Und auch ein bisschen unbequem. Denn sie müssen schließlich gut begründen, warum die (eine) Tochter noch kein Star-Wars gucken darf, ein Haustier nicht in Frage kommt oder sie sich vielleicht keine teuren Geschenke leisten können. Gleichzeitig fragen sich viele Eltern bei all der Nörgelei, woher dieser ständige Neid eigentlich kommt. Kriegt mein Kind nicht genug? Ist es undankbar? Oder zu verwöhnt?
Es ist normal, dass Kinder sich vergleichen
„Dass Kinder sich vergleichen ist völlig normal und sogar angeboren“, sagt Andreas Engel von der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke). „Kinder entwickeln ihr Selbstbild, indem sie sich und ihre Fähigkeiten mit anderen vergleichen.“ Dazu gehöre auch, nach dem zu streben, was andere haben und dürfen, oder genauso sein zu wollen. Mit diesem Wunsch ganz unverhohlen auf die Eltern zuzugehen, das sei aus Sicht der Kinder dann ganz selbstverständlich. „Sie zielen damit auf deren Gerechtigkeitsgefühl ab.“
Dass besonders Geschwister oder enge Freunde häufiger neidisch aufeinander sind oder sich als Rivalen sehen, sei natürlich. „Wir vergleichen uns eher mit den Personen, die uns ähnlich sind oder uns besonders nahe stehen.“
Neid macht sich nicht gut im sozialen Miteinander
Jetzt mag eigentlich niemand Neider. In unserer Gesellschaft ist Neid generell ein verpöntes Gefühl, zumindest wenn er offen ausgedrückt wird. Oft spricht man in dem Zusammenhang auch von „Missgunst“, also der Einstellung, dem anderen nichts zu gönnen. Und solch ein Verhalten möchte man ja eher nicht bei seinem Kind tolerieren oder fördern.
Dass Kinder keinen Hehl aus ihrem Neid machen, sei aber absolut verständlich. „Im Vergleich zu Erwachsenen, die bereits gelernt haben, wie etwas ankommt oder die überprüfen, ob etwas realisierbar ist, zeigen Kinder ihre Wünsche und Emotionen noch relativ unverdeckt“, erklärt Andreas Engel. Um ihnen einen guten Umgang mit diesen Gefühlen beizubringen, sollte neidisch sein deshalb nicht einfach abgetan oder verteufelt werden. „Neid ist eine wichtige Emotion. Man sollte sie nicht verdrängen, sondern eher offen damit umgehen.“
Um ihr Kind besser zu verstehen, könnten die Erwachsenen zunächst einmal wahrnehmen, wann sie eigentlich selbst neidisch sind. „Eltern dürfen vor Kindern dabei ruhig auch mal zugeben, dass sie neidisch sind und vielleicht auch einen schönen Urlaub machen wollen würden, das aber vielleicht gerade nicht möglich ist“, so Engel.
Solche Anlässe seien auch eine Chance, mit dem Nachwuchs darüber ins Gespräch zu kommen, warum es Unterschiedlichkeiten gibt. Dass Menschen und Leben verschieden sind und der Reichtum in der Gesellschaft ungleich verteilt ist. „Besonders mit etwas älteren Kindern kann man auch offen über die Gerechtigkeitsfrage diskutieren und gemeinsam überlegen: Was lässt sich ändern und was nicht?“ Dabei dürfe man sie durchaus nach ihren Vorstellungen und ihrer Haltung zu diesen großen Themen fragen.
„Eltern müssen dem Kind auch dabei helfen, Unterschiede zu verstehen, indem sie im Kleinen selbst auch Unterschiede machen, zum Beispiel zwischen Geschwistern“, sagt Engel. Man könne Kindern auf jeden Fall erklären, dass es altersabhängige Unterschiede in der Entwicklung gibt – und daran geknüpft unterschiedliche Regeln und Privilegien. Zum Beispiel dass das jüngere Geschwisterchen nicht die gleichen Handy-Rechte habe wie das ältere. „Der Neid des Jüngeren bleibt zwar, aber es gibt auch die Aussicht, dass er oder sie irgendwann die gleichen Rechte bekommt.“ Das alles seien Lernmomente fürs Leben. So könne Neid für Kinder auch ein Ansporn sein, um Geduld aufzubringen.
Aktiv angehen, was im eigenen Leben möglich ist
Einem Kind zu vermitteln, warum der große Jahresurlaub aus Kostengründen ausfällt oder keine neuen Klamotten drin sind, sei dabei nicht ganz so leicht. Gerade auch weil es in unserer Gesellschaft viel um materielle Dinge, um Konsum und Rivalität gehe. „Kinder wachsen in diese konkurrierende Welt hinein, wo man mit den anderen mithalten muss.“
Um die Enttäuschung abzufedern, helfe es, aktiv an die Situation heranzugehen, sagt Erziehungsexperte Engel. „Man könnte mit den Kindern zusammen überlegen, welche günstigen Urlaubsalternativen es gibt, die Spaß machen.“ Bei anderen „Neid-Themen“ wie Haustiere könnten die Eltern versuchten, einen Kompromiss zu finden, der sich realisieren lässt. Wenn es für ein großes Haustier keinen Platz oder nicht genug Zeit gebe, könne man stattdessen ein kleines Tier wählen, eine Jahreskarte für den Zoo schenken oder schauen, ob der Hund des Nachbarn regelmäßig Gassi geführt werden dürfe.
Stärken suchen und Aufmerksamkeit schenken
„Um das Fehlen von materiellen Sachen abzufedern, sollten Eltern sich auch auf die immaterielle Dinge konzentrieren“, so Engel, „und sich zum Beispiel Zeit nehmen für Spiele und Unternehmungen.“ Dazu gehöre auch, mehr mit den Kindern zu reden, kuscheln, kitzeln oder kämpfen. Durch diese Form der Aufmerksamkeit werde auch das Gefühl genommen, man sei mehr geliebt, je mehr Dinge man bekomme.
„Grundsätzlich ist es schön, wenn Eltern ihren Kindern vorleben, nicht immer auf das zu schielen, was fehlt und sich nicht ständig nach oben zu vergleichen“, erklärt Engel. Solch eine von Neid getriebene Haltung nehme auf Dauer die Lebensfreude und zerstöre den Selbstwert. „Stattdessen sollten sie den Kindern vermitteln, ein Stück zufriedener zu sein mit dem, was man hat. Und die eigenen Stärken und Möglichkeiten zu sehen, auf die man stolz sein kann.“ Das sei auch eine gute Gelegenheit, eine Bestandsaufnahme zu machen und sich zu fragen: Woran habe ich Spaß? Was mache ich gern? Was kann ich gut? Und dann aktiv zu werden, neue Ideen zu finden und etwas Eigenes zu entwickeln.