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„Baby-led Weaning“Fingerfood statt Brei für Babys – ist das gesund?

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Fingerfood statt Babybrei?

Bochum – Beikost nach Bedarf, so könnte man den neuen Baby-Ernährungstrend „Baby-led Weaning“ umschreiben, bei dem die Breiphase übersprungen und direkt auf Fingerfood gesetzt wird. Das Ernährungskonzept ist nicht unumstritten. Expertinnen und Experten wie Professor Mathilde Kersting, Leiterin des Forschungsdepartments Kinderernährung der Uni Bochum, sehen das kritisch. „Baby-led Weaning“ im Faktencheck:

Was ist Baby-led Weaning überhaupt?

Übersetzt man den Begriff ins Deutsche, spricht man von „baby-gesteuertem Abstillen“, oft fällt auch die Bezeichnung „Beikost nach Bedarf“. In den ersten vier bis sieben Lebensmonaten besteht die Ernährung eines Kindes ausschließlich aus Milch - ob aus der Brust oder der Flasche. Schritt für Schritt wird dann die Beikost eingeführt. Besonders am Baby-led Weaning ist, dass direkt Fingerfood statt Brei auf dem Speiseplan steht.

Die Grundidee ist, dass das Kind der eigenen Neugier folgt und nach dem angebotenen Essen - etwa einem weich gedünsteten Broccoli-Röschen oder einer zerdrückten, halben Blaubeere - greift und es selbst in den Mund führt. Wichtig dabei: Gestillt wird weiterhin. „Der Begriff des Baby-led Weaning ist daher etwas irreführend“, sagt Professor Mathilde Kersting. Denn: Im Vordergrund steht nicht direkt das Abstillen, sondern das Einführen der Beikost, wobei die Milch immer noch eine wichtige Rolle spielt. Und eine „Ganz oder gar nicht“-Angelegenheit ist Baby-led Weaning nicht: Fingerfood und Breikost funktionieren auch in Kombination.

Was spricht für Baby-led Weaning?

Ein Argument der Befürworterinnen ist, dass Baby-led Weaning mit Blick auf die Geschichte der Menschheit der Normalfall sei. „Das Prinzip des industriell hergestellten Babybreis ist noch recht neu. Auch Pürierstäbe gibt es noch gar nicht so lange“, sagt Aleyd von Gartzen, Beauftragte für Stillen und Ernährung des Deutschen Hebammenverbandes. „Bevor es das alles gab, sind Kinder schließlich auch ernährt worden.“

Während Brei die immergleiche Konsistenz habe, spreche Fingerfood die Sinne an und wecke damit den Experimentiergeist der Kinder. „Das Kind hat die Möglichkeit, sein Essen - wortwörtlich - zu begreifen und auszuprobieren“, sagt von Gartzen. Die Entscheidungen „Was esse ich?“ und „Wie viel esse ich?“ trifft das Baby selbstbestimmt. Baby-led Weaning kann so den Grundstein für ein gesundes Verhältnis zu Essen legen, da das Kind schon früh lernt, auf seine Intuition zu hören. „Voraussetzung ist natürlich, dass die Eltern ihm gesunde Dinge anbieten. Hier ist wichtig, dass Familien ihr eigenes Ernährungsverhalten in den Blick nehmen“, so von Gartzen.

Ein weiterer Vorteil: Baby-led Weaning lässt sich mitunter einfacher in den Familienalltag einbauen. Denn aus dem Abendessen, das Familien ohnehin zubereiten, lässt sich leicht ein Fingerfood-Tablett für das Baby zusammenstellen: ein paar Nudeln, gedünstete Möhren- oder Zucchinistifte, eine Avocado-Spalte - fertig.

Was können Nachteile von Baby-led Weaning sein?

„Es spricht nichts gegen Fingerfood - wenn es denn zur richtigen Zeit kommt“, sagt Ernährungswissenschafterin Kersting. Kinder durchlaufen bei der Nahrungsaufnahme eine kontinuierliche Entwicklung, bei der jede Stufe wichtig sei. „Es beginnt damit, dass sie saugen und schlucken können, später können sie Brei essen, erst danach stückige Nahrung.“Baby-led Weaning überspringe die Breiphase, was Kersting kritisch bewertet. „Nicht alle Kinder sind zur Beikosteinführung im fünften bis siebten Lebensmonat neuromotorisch im Stande, nach Fingerfood zu greifen und es zu essen.“

Setzen Eltern direkt auf das Prinzip „Von der Hand in den Mund“, kann es eine Phase geben, in der das Kind nicht ausreichend ernährt sei. Dann können, so Kersting, die Energiezufuhr und einzelne Nährstoffe ins Defizit rutschen, darunter Eisen. Das Spurenelement ist unter anderem in Fleisch oder Vollkornprodukten zu finden. „Damit Eisen aus pflanzlichen Lebensmitteln vom Körper gut aufgenommen werden kann, braucht es jedoch Vitamin C“, erklärt Kersting. Dass Eltern die richtigen Lebensmittelkombinationen anbieten und sich das Kind dann auch eigenständig dafür entscheidet, stellt die Ernährungswissenschaftlerin in Frage.

Es gibt aber auch Gegenpositionen: Hebamme von Gartzen rät, sich nicht zu stark um die Eisenversorgung des Kindes zu sorgen. In der Regel seien Kinder - Frühchen und Kinder mit einem Geburtsgewicht unter 2500 Gramm ausgenommen - für das erste halbe Lebensjahr gut mit Eisen versorgt. Das gilt vor allem, wenn die Nabelschnur des Neugeborenen erst zwei bis drei Minuten nach der Geburt durchtrennt wurde.

Und was ist mit dem Verschlucken?

Studien zeigen, dass es mit Blick auf das Verschlucken keine großen Unterschiede zwischen Baby-led Weaning- und Breikindern gibt. Vorausgesetzt, Eltern beherzigen einige Regeln: Trauben, Kirschen und Heidelbeeren etwa sollten wegen der Erstickungsgefahr nie am Stück angeboten werden. Außerdem ist wichtig, dass das Kind die Beikost-Reife schon erreicht hat. Das lässt sich unter anderem daran erkennen, dass das Kind seinen Kopf halten und mit etwas Unterstützung aufrecht sitzen kann.

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Was sollten Eltern beachten, die das Konzept ausprobieren wollen?

Das Fingerfood sollte eine Form haben, die sich gut greifen lässt. Heißt: eher länglich, so dass aus der Babyfaust bestenfalls unten und oben noch etwas vom Lebensmittel herausschaut. „Und: Baby-led Weaning ist etwas für Familien, die etwas Schmiererei abkönnen“, sagt Hebamme von Gartzen. Gerade anfangs landen die gedünsteten Gemüse-Sticks eher auf dem Boden als im Magen. Ein Tipp ist hier ein Handtuch auf dem Boden. Nicht zuletzt gilt beim Fingerfood eine Regel, die ebenso beim klassischen Babybrei gilt: sparsam mit Salz und Zucker umgehen. (dpa)