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„Neue Verzweiflung“ im KremlNordkorea schickt Soldaten – Putin und Kim planen die nächste Eskalation

Lesezeit 5 Minuten
Wladimir Putin und Kim Jong-un stoßen an. Der Kremlchef war Mitte Juni in Nordkorea zu Gast. Beide Länder wollen ihre militärische Zusammenarbeit vertiefen.

Wladimir Putin und Kim Jong Un stoßen an. Der Kremlchef war Mitte Juni in Nordkorea zu Gast. Beide Länder wollen ihre militärische Zusammenarbeit vertiefen. (Archivbild)

Enorme Verluste machen Putin zu schaffen – und Kim soll helfen. Die ersten nordkoreanischen Soldaten sind aber wohl bereits geflohen.

Wladimir Putin scheint sich auf dem Weg zur nächsten Eskalationsstufe zu befinden: Rund 10.000 Soldaten sollen aus Nordkorea nach Russland verlegt worden sein und sich dort nun auf ihren Einsatz in der Ukraine vorbereiten, das berichtet die ukrainische Zeitung „Kyiv Independent“ unter Bezug auf die Angaben anonymer „westlicher Diplomaten“. Zuvor hatte es bereits Berichte ukrainischer Telegram-Gruppen darüber gegeben, dass sich in den von Russland illegal besetzten Gebieten in der Ukraine nordkoreanische Militärausbilder aufhalten würden.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte zudem zu Wochenbeginn erklärt, dass der nordkoreanische Diktator Kim Jong Un mittlerweile nicht nur Munition und Waffen an Russland liefere, sondern „auch Menschen“, die im Krieg gegen die Ukraine zum Einsatz kommen sollen. Damit komme es zur „tatsächlichen Beteiligung Nordkoreas am Krieg“, erklärte Selenskyj.

Kim Jong Un hilft Putin: „Tatsächliche Beteiligung Nordkoreas am Krieg“

Einen offiziellen Kommentar zu der angeblichen Verlegung von bis zu 10.000 nordkoreanischen Soldaten nach Russland, gab es aus Kiew unterdessen nicht. „Putin tut alles Mögliche, um die Entscheidung über eine neue groß angelegte Mobilisierungswelle auf dem Territorium der Russischen Föderation zu verzögern und zu vermeiden“, zitierte die ukrainische Zeitung „Kyiv Post“ allerdings eine Quelle im ukrainischen Militärgeheimdienst (HUR). Russland habe demnach an der Front mit erheblichem Personalmangel zu kämpfen.

Tatsächlich hatte es zuletzt immer wieder Berichte über die enormen Verluste der russischen Armee in der Ostukraine gegeben. Der September sei der bisher „tödlichste Monat“ seit Kriegsbeginn für Putins Armee gewesen, berichtete zuletzt das „Wall Street Journal“ unter Bezug auf Quellen in den US-Geheimdiensten. Rund 1.200 Soldaten soll Russland in diesem Zeitraum verloren haben – jeden Tag.

Wladimir Putin will „unbedingt“ Mobilisierung in Russland vermeiden

Die Berichte über die Verlegung nordkoreanischer Truppen nach Russland wurden aus Russland derweil bisher nicht dementiert. Stattdessen legte Kremlchef Putin zu Wochenbeginn der Duma das bereits früher im Jahr getroffene Abkommen zur strategischen Zusammenarbeit mit der Diktatur in Asien zur Ratifizierung vor.

Nordkoreanische Soldaten bei einer Parade in Pjöngjang.

Nordkoreanische Soldaten bei einer Parade in Pjöngjang. Berichten zufolge hat Kim Jong Un Truppen nach Russland geschickt. (Archivbild)

Auch die Analysten des amerikanischen Instituts für Kriegsstudien sehen in den jüngsten Berichten ein Indiz dafür, dass Putin alles tue, um eine weitere Mobilisierung zu vermeiden. Das Abkommen mit Pjöngjang und die Berichte über Truppenverlegungen „bekräftigen die Entschlossenheit des russischen Präsidenten, eine Mobilisierung so lange wie möglich zu vermeiden“, schreiben die Analysten in ihrem aktuellen Lagebericht zum Krieg gegen die Ukraine.

Enorme Verluste: Ein „neues Maß an Verzweiflung“ im Kreml

Die offiziellen Stellungnahmen der US-Regierung fallen unterdessen etwas vorsichtiger aus: „Wir können diese Berichte nicht unabhängig bestätigen, aber sie beunruhigen uns“, erklärte Matthew Miller, Sprecher des US-Außenministeriums. Sollten die Angaben stimmen, handele es sich um eine „erhebliche Vertiefung der Zusammenarbeit“ zwischen Russland und Nordkorea. Die Maßnahme deute jedoch auch auf ein „neues Maß an Verzweiflung“ bei Kremlchef Putin hin, der offenbar dringend Fortschritte im Krieg gegen die Ukraine erzielen wolle, so Miller.

John Kirby, Sprecher des amerikanischen Sicherheitsrates, verwies angesichts der jüngsten Berichte unterdessen auf die viele Toten und Verletzten in Russlands Armee. „Wenn das stimmt, dann geschieht dies in einer Zeit, in der Russland weiterhin außerordentliche Verluste erleidet“, erklärte Kirby gegenüber Reportern.

Kim Jong Un liefert bereits im großen Stil Munition an Russland

Nordkorea gehört zu den wenigen offenen Unterstützern von Russlands Krieg gegen die Ukraine. Diktator Kim Jong Un beliefert die russischen Streitkräfte bereits seit Monaten mit Munition und mittlerweile wohl auch mit Raketen. Zuletzt waren der Ukraine nach eigenen Angaben mehrere Angriffe auf russische Munitionsdepots gelungen, in denen auch Geschosse aus Nordkorea gelagert worden sein sollen.

„Die Hälfte der von Russland eingesetzten Granaten – etwa drei Millionen pro Jahr – wird nach Angaben westlicher Geheimdienste von Nordkorea geliefert“, berichtete die britische Zeitung „The Times“ kürzlich. Zwar gingen die westlichen Dienste davon aus, dass viele der Geschosse mangelhaft seien, dennoch hätten die Lieferungen von Kim Jong Un Russland Erfolge auf dem Schlachtfeld verschafft, hieß es weiter.

Kreml auf Kriegskurs: „Keine Aussichten auf Verhandlungen“

In Moskau setze man weiter auf Eskalation, berichtete das Blatt zudem unter Berufung auf Angaben westlicher Geheimdienste. „Wir sehen keine Anzeichen dafür, dass Putin von seinem Hauptziel, der Unterwerfung der Ukraine, abweicht“, zitierte die Zeitung eine Quelle. „Ich sehe keine Aussichten auf Verhandlungen in naher Zukunft.“

Die Angaben passen zu den jüngsten Signalen aus Moskau – ob von Kreml-Politikern oder in den Propaganda-Medien. Von Diplomatie ist in Russland nicht die Rede. „Wir werden den Job beenden“, hatte der russische Außenminister Sergej Lawrow in der Vorwoche erklärt. Auch Kremlchef Putin sprach erneut von einem „irreversiblen“ Prozess, mit dem eine „neue Weltordnung“ geschaffen werden solle.

Störgeräusche: Nordkoreaner sollen bereits geflohen sein

Für dieses Ziel scheint der Kreml fortan nicht nur die eigenen Soldaten in den Tod schicken zu wollen, sondern nun offenbar auch Truppen aus Nordkorea. Es ist die nächste Eskalationsstufe Moskaus im völkerrechtswidrigen Krieg gegen das Nachbarland. Gespräche will man im Kreml nur, wenn die eigenen Forderungen dabei restlos erfüllt werden. Diese kommen jedoch einer Kapitulation der Ukraine gleich.

Ohne Störgeräusche verläuft die Ankunft der nordkoreanischen Truppen in Russland jedoch offenbar nicht. So seien 18 von Kims Soldaten bereits aus Stellungen an der ukrainischen Grenze nahe der russischen Regionen Brjansk und Kursk geflohen, wo die Ukraine derzeit russische Gebiete besetzt hat, berichtete der ukrainische Radiosender Suspilne unter Berufung auf Geheimdienstquellen. Der Grund für die hastige Flucht der nordkoreanischen Soldaten sei bisher unklar. Das russische Militär habe jedoch mit der Suche nach den mutmaßlichen Deserteuren begonnen, hieß es weiter.