Hartmut Kriege von der katholischen Kirchengemeinde St. Nikolaus in Bonn macht sich Gedanken über die Stellung und die Zukunft der Kirche.
Wort zum SonntagWohin „um Himmels willen“ steuert die Kirche?
Als im April 2005 die auflagenstärkste Boulevardzeitung titelte: „Wir sind Papst“, war die Kirchenwelt noch halbwegs in Ordnung. Die Wahl Josef Ratzingers zum 265. Petrus-Nachfolger ehrte nicht nur den Theologen aus Bayern. „Wir sind wieder wer“, lautete allgemein der Tenor im Land: wir alle sind nämlich Papst. Und selbst TV-Serien mit Gangster jagenden Pfarrern und erdverbundenen Nonnen gehörten damals zum Fernsehalltag wie Werbung und Wetterbericht: Das Kräftemessen zwischen der unerschrockenen Schwester Hanna und dem schlitzohrigen Bürgermeister Wöller, ausgestrahlt zur besten Sendezeit, sahen durchschnittlich 6,5 Millionen Zuschauer.
Doch unter der Decke dieser oberflächlich-gefälligen Welt bröckelte es bereits mächtig, sodass mancher sich fragen musste: Wohin „Um Himmels willen“ steuert die Kirche? Nicht in die Wohlfühlecke, wenn etwa in der jüngsten Ausgabe von „Der Heiland – Wir sind Anwalt“ laut Drehbuch einem unbequemen Pfarrer der Tod an den Hals gewünscht wird.
Kirche spielt scheinbar kaum noch eine Rolle
Es scheint, dass Kirche in der Gesellschaft, trotz heftiger verbaler Versicherungen, flächendeckend kaum noch eine Rolle spielt. Die Globalisierung der katholischen Weltkirche, die mehr und mehr ihre im überkommenen monarchischen Verständnis aufgefangenen Strukturen in Frage gestellt sieht, brandet wie ein Tsunami daher.
Die Forderung nach stärkerer Berücksichtigung kultureller und sozialer Eigenarten in der Organisation kirchlicher Arbeit, jüngst sogar aus dem konservativen Australien zu hören, stößt aus guten Gründen in der Hierarchie zwar weitgehend noch auf taube Ohren.
Dennoch steht die Kirche in der Gefahr, die Fehler vergangener Zeiten zu wiederholen und von den politischen wie gesellschaftlichen Verwerfungen ungeschützt überrollt zu werden. Diese dürften sich in den kommenden Jahrzehnten weltweit eher noch autoritär verfestigen. Mit nachhaltigen Auswirkungen auch für die Zukunft der Kirche, die schon heute ihre Druckmittel zur Beeinflussung der Menschen verloren hat und auf weiter Flur allein dastehen wird.