Joachim Gerhardt ist Pfarrer an der Lutherkirche in Bonn. Er macht sich Gedanken zum Thema Glaube und die Frage nach dem Zweifeln.
Wort zum SonntagWarum der Zweifel zum Glauben dazugehört
„Muss ich das alles glauben?“, fragt mich Leo. Er möchte am Konfirmationsunterricht teilnehmen. Freunde haben ihm erzähl, es sei „irgendwie cool“ und er ist interessiert an religiösen Fragen und vor allem guter Gemeinschaft. Aber die Angst, Dinge glauben zu müssen, das behagt dem 14-Jährigen so gar nicht. – „Du musst nicht glauben“, sage ich. „Glaube ist immer freiwillig. Und letzte Wahrheiten hat doch keiner von uns.“ Leo ist überrascht. „Ach so, das hätte ich gar nicht gedacht.“
Glauben heißt für uns auch, versuchen zu verstehen, kritisch nachzufragen, und auch mal zu zweifeln, ergänze ich. Die Bibel erzählt von dem Jünger Thomas, der sich schwertut, das mit der Auferstehung Jesu zu glauben. Er wünscht sich sichtbare Zeichen. Jesus hört ihm zu. „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“ Und trotzdem: Thomas bleibt sein Jünger. Eine Mutmachgeschichte: Wer glaubt, darf auch zweifeln.
Zweifel lässt den Glauben erst reifen
Ich glaube inzwischen sogar, dass der Zweifel einen Glauben erst reifen lässt. Ein spannendes wie sehr persönliches Thema für den Konfirmationsunterricht. Wie für das Leben insgesamt, das doch so vielschichtig ist: Zweifel an politischen Entscheidungen, an Autoritäten, auch der Kirche, an mir selbst. Menschen ohne jeden Zweifel und Selbstzweifel werden schnell selbstgerecht und zerstörerisch. Das lehrt die Menschheitsgeschichte.
Daher ist es gut, mit einem leisen Zweifel zu leben. Gerade dann, wenn man meint, sich selbst ganz sicher zu sein. Und das wünsche ich mir auch von denen, die anders glauben und entscheiden als ich. Absolute Wahrheit mag allein Gott haben.
Ich kann mit dieser Haltung und mit Vertrauen ganz fröhlich leben. Das lernt man im Konfirmandenunterricht. Leo ist geblieben.