Ohne Berechnung, sondern aus Mitgefühl handeln. Joachim Gerhard von der Lutherkirche in Bonn macht sich Gedanken um die Barmherzigkeit.
Wort zum Sonntag„Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist“
Was machen die da? Die kümmern sich um Menschen, die nichts mehr beitragen für die Gesellschaft, die zu krank sind, um zu arbeiten, zu schwach, um zu kämpfen. Wem bringt das was? – Den Mächtigen in Rom war das Tun der Christen vor 2000 Jahren unheimlich. Römische Quellen berichten davon. Es wurde ihnen sogar bedrohlich, als sie sahen, wie viele sich von der christlichen Fürsorge berühren und bewegen ließen.
Da hilft einer einem anderen, einfach, weil er sieht, dass der jetzt Hilfe braucht. Das hat Wirkung, und davon erzählt beispielhaft die Geschichte vom „barmherzigen Samariter“. Sogar mit der besonderen Spitze, dass mit dem Samariter einer so wunderbar selbstverständlich hilft, der selbst ein Fremder ist, einer anderen Kultur und Religion angehört. So entstand das Hospiz (Lateinisch „hospitium“, Herberge, Gastfreundschaft) als Ort zur Pflege von Kranken und Sterbenden. Aus Barmherzigkeit. Das Krankenhaus, wie wir es kennen, ist eine christliche Erfindung. Die Römer kannten solche Häuser wenn überhaupt nur als Einrichtung, um Soldaten wieder kriegsfähig zu machen.
„Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist“ ist das biblische Leitwort (Lukas 6,36) und Ausdruck dieser Haltung: ohne Berechnung, sondern aus Mitgefühl zu handeln. Denn auch der andere ist ein Mensch wie ich und vor Gott genauso viel wert. So entsteht das lateinische Wort für Barmherzigkeit „Misericordia“. Ein Mensch öffnet sein Herz (cordia) für Not anderer (miser) und nimmt sich ihrer an. Damals in der römischen Welt eine Provokation für alles Bekannte und Beherrschende.
Und heute? Eine barmherzige Gesellschaft ist nicht selbstverständlich. Als Christ möchte ich diese Haltung lebendig halten. Und das nicht nur an diesem Sonntag, der den schönen Namen trägt: „Misericordias Domini“, die Barmherzigkeit Gottes.