Kerstin Herrenbrück ist Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Höhenhaus. Sie macht sich Gedanken zum Spruch „Mer muss och jünne künne!“
Wort zum SonntagGroßzügigkeit ist ein Markenzeichen der Liebe
Mer muss och jünne künne!“ Leicht ist es gesagt – schwer ist es gelebt.
Gerade in Zeiten des Wandels, wenn neue Strukturen gefunden, neue Schwerpunkte gesetzt werden müssen; wenn die Gegenwart zeigt, dass es Veränderung braucht, damit Zukunft möglich ist, dann wird es zu einer Herausforderung.
Denn da ist immer die Angst, dass mir zu wenig bleibt, dass andere mehr bekommen, dass „die“ es leichter haben…
Wir erleben oft ein unerbittliches Sichvergleichenmüssen mit anderen - und das nicht, um miteinander oder voneinander zu lernen, sondern um die Nase vorn zu haben, um keinen vermeintlichen Bedeutungsverlust zu erleiden, um ganz allein glänzen zu können. Das fängt bei den Parteipolitikerinnen und -politikern an, geht durch die Etagen von Behörden und Unternehmen bis in Schulen, Kindergärten und sogar Krabbelgruppen. Auch vor Kirchentüren macht es nicht Halt. Der Ton wird gereizter.
Dabei könnte es unser Markenzeichen sein: nicht an sich selbst zu kleben, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen, nicht die eigene Position vor das Interesse der Gemeinschaft zu stellen…
Die Reformation sprach von der „Rechtfertigung allein aus Glauben“. Das klingt groß, ist es auch, und dabei ist es eigentlich so grundlegend. Denn es geht um Freiheit. Um eine innere Freiheit, die mein Herz berühren und mein Leben ausmachen will. Mit Jesus Christus hat Gott uns eine andere Sicht auf uns ermöglicht: Du bist schon wer, bevor du oder andere etwas aus dir gemacht habe(n), weil du Gottes geliebtes Geschöpf bist – selbst dann, wenn dir dein Leben entgleitet. Das nicht nur zu lesen, sondern mit dem Herzen zu erspüren, das gibt Halt. Inneren Halt, aus dem Freiheit erwächst; Freiheit, aus der Liebe erblüht; Liebe, für die Großzügigkeit ein Markenzeichen ist – eben: „Mer muss och jünne künne!“