Hartmut Kriege von der katholischen Kirchengemeinde St. Nikolaus in Bonn macht sich Gedanken zur Zukunft der Kirche und des Glaubens.
Das Wort zum SonntagFür das katholische Bekenntnis stehen die Zeichen auf Sturm
„Wir haben (das) Credo und Kredit bei vielen Menschen verspielt“, wird Thorsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, zum Abschluss des Kirchentags in Nürnberg zitiert. Für Kenner des kirchlichen Alltags in Deutschland nichts Neues; dennoch macht Latzels Resümee deutlich, wie verfahren die Lage geworden ist. Prognosen für einen Befreiungsschlag wagt zudem niemand.
Auch für das katholische Bekenntnis stehen die Zeichen weiter auf Sturm, wie vor dem Hintergrund des Weltjugendtags in Lissabon eine Befragung der französischen Tageszeitung „La Croix“ unter jungen Franzosen auflistet. Im Vergleich zu Deutschland prägt die Kirche unseres Nachbarlandes noch immer ein konservativer, aber großbürgerlich-intellektueller Milieukatholizismus: finanziell abgesichert und durchschnittlich gut ausgebildet, dank der landesweit geschätzten Privatschulen. Hier reift immer noch ein kirchentreues „Jugendpotenzial“ heran, an dem der staatlich unterstützte „Laizismus“ nur so abperlt.
Milieukatholizismus droht in Deutschland auszutrocknen
Der bereits seit dem letzten Weltkrieg brüchig gewordene agrarisch-kleinbürgerliche Milieukatholizismus droht in Deutschland hingegen, seit der Wiedervereinigung verstärkt, nachhaltig auszutrocknen. Die Gründe, unter vielen, lassen sich hierfür letztlich doch auf ein zentrales „Versäumnis“ in der Pastoral zurückführen: auf das Fehlen einer kontinuierlichen Erwachsenen-Seelsorge, die versucht, den notwendigen Dreiklang von religiösem Wissen, gelebtem Alltag in einer sich wandelnden Gesellschaft und einer bewährten und verinnerlichten erschütterungsfreien Glaubenserfahrung zusammenzuführen.
Die sogenannte Globalisierung, seit Jahrzehnten bereits Zerreißprobe für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, hat inzwischen auch mit dem Kirchenmilieu leichtes Spiel. Gruppenbildungen jeglicher Art (sogar oberhirtlich gefördert) mit teils sektiererischem Wahrheitsanspruch sind die Folge. Die Kirche als religiöse Gemeinschaft von gefestigten Glaubenden wird aber wohl nur dann Zukunft haben, wenn sie sich sowohl zur Teilhabe, mehr jedoch noch zu einer positiven, menschenbejahenden und ideologiefreien „Alternative“ zum Larifari von politisch wie gesellschaftlich absurden Zukunftsträumen aufzuschwingen vermag.