Die Idee der Religion als Stütze des Staates ist nach zwei Weltkriegen Geschichte, doch das Verhältnis von christlichem Grundsatz und staatlichem Gesetz bleibt weiterhin diskussionswürdig.
Wort zum SonntagWie sich Religion und Staat zueinander verhalten
Religion ist keine Privatsache, hört man gebetsmühlenartig von der Kirche. Ihre Sorge ist verständlich, ist aber bereits abgewickelt: mit der Hinrichtung Robespierres, als der Nationalkonvent in Paris am 21. Februar 1795 die Trennung von Staat und (Katholischer) Kirche verfügte, samt Aufhebung aller Unterstützungsleistungen für die Geistlichkeit. Dies war die Geburtsstunde der laizistischen Zivilgesellschaft und die Privatisierung des einst kirchlichen Freiheitsraums.
Aber: Unter Berufung auf die Menschen- und Bürgerrechte wurde den Franzosen ausdrücklich das Recht auf Religionsfreiheit und ihre Ausübung zugestanden. Mit der Folge, dass die Religionsgemeinschaften ihr Überleben selbst organisieren mussten. Bis heute. Die „religionsfreie“ Zivilgesellschaft, in einem autonomen und sich nur weltlich verstehenden Staat, fasste trotz vieler Widerstände Fuß. Auch außerhalb Frankreichs.
Das schaffte den Religionsgemeinschaften, besonders der katholischen, bis heute so manches Problem. Denn immer mehr Christen, in demokratischen Strukturen, Denkweisen und Vollzügen aufgewachsen und zivilgesellschaftlich erfahren, reiben sich verstärkt an kirchlicher Denkweise und ihrer Vorschriftenpraxis. Auch hierzulande. Sie wandern entweder ab oder fordern, sichtbar etwa in der Bewegung vom „Synodalen Weg“, von ihrer Kirche nicht nur ein verbales Umdenken.
Die Religion als notwendige Stütze des Staates, eine Idee, mit der Napoleon 1800 den Klerus von Mailand für seine gesellschaftspolitischen Vorstellungen zu gewinnen suchte, ist, nach zwei Weltkriegen, die die Gesamtheit menschlichen Denkens, Glaubens und Handelns nachhaltig zerrüttet haben, Geschichte. Dennoch steht, weil nach wie vor ungelöst, das Verhältnis von christlichem Grundsatz und staatlichem Gesetz zur Debatte. Immer noch…