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Haft, Folter und HinrichtungenWie sich die Krisen um den Iran weiter verschärfen

Lesezeit 4 Minuten
Der Staatsgründer und sein Nachfolger: Revolutionsführer Ali Khamenei betet am Grab von Ajatollah Ruhollah Khomeini.

Der Staatsgründer und sein Nachfolger: Revolutionsführer Ali Khamenei betet am Grab von Ajatollah Ruhollah Khomeini.

Mehr als 500 Menschen sind seit Ausbruch der Proteste gegen das Mullah-Regime getötet worden. Das jüngste Beispiel sorgt gerade für weltweites Aufsehen: Die Bloggerin Astiaj Haghighi und ihr Verlobter.

Am 1. Februar 1979 kehrte der iranische Revolutionsführer Ajatollah Ruhollah Khomeini aus dem Exil in seine Heimat zurück. Zehn Tage später stürzte das Regime des Schahs. Zwei Ereignisse, die die heutige Islamische Republik Iran in diesen Tagen eigentlich feiern will. Stattdessen steckt sie genau 44 Jahre nach ihrer Gründung in der schwersten Krise ihrer Geschichte.

Im Innern bekämpft die Regierung die Protestbewegung seit Monaten mit Haft, Folter und Hinrichtungen. Und auch außenpolitisch verschärfen sich die Krisen: Der Iran liefert Drohnen an Russland, versorgt die Huthi-Rebellen im Jemen mit neuen Waffen und treibt sein umstrittenes Atomprogramm weiter voran. Israel greift im Gegenzug Militäreinrichtungen im Iran an. Inzwischen drohen auch die USA mit Militärschlägen.

Mehr als 500 Menschen sind seit Ausbruch der Proteste gegen das Mullah-Regime im September getötet worden, Zehntausende kamen in Haft. Jeder Ausdruck von Lebensfreude, der den Behörden nicht gefällt, wird verfolgt. Das jüngste Beispiel sorgt gerade für weltweites Aufsehen: Die Bloggerin Astiaj Haghighi und ihr Verlobter Amir Mohammad Ahmadi – beide Anfang 20 – wurden nach Justizangaben zu jeweils fünf Jahren Haft verurteilt, weil sie vor dem Freiheitsturm in Teheran tanzten und sich dabei filmen ließen.

Bloggerin Astiaj Haghighi und ihr Verlobter Amir Mohammad Ahmadi.

Bloggerin Astiaj Haghighi und ihr Verlobter Amir Mohammad Ahmadi.

„Richter des Todes“

Nach Oppositionsangaben wurde das Verfahren gegen das Paar von Richter Abolkassem Salawati geleitet. Er trägt den Beinamen „Richter des Todes“, weil er in den vergangenen Jahren in Schauprozessen gegen Regimegegner viele Angeklagte an den Galgen geschickt hat.

Drakonische Strafen von Salawati und seinen Kollegen haben zusammen mit Gewalteinsätzen der Polizei die Protestbewegung geschwächt, aber nicht besiegt. Während die Zahl von Kundgebungen auf den Straßen des Iran seit Dezember zurückgeht, verlegen sich Regimegegner auf andere Formen des Protestes. Sie organisieren Streiks oder hängen Plakate mit Parolen gegen die Islamische Republik an viel befahrenen Straßen auf. Beobachter wie der türkische Iran-Experte Arif Keskin sind überzeugt, dass die Demonstrationen wieder aufflammen werden: Die „Existenzkrise“ des Mullah-Regimes sei keineswegs überwunden, sagte Keskin unserer Redaktion.

Iranische Währung in einer tiefen Krise

So könnte die Wirtschaftskrise schon bald wieder viele Iraner auf die Straßen treiben. Die iranische Währung, der Rial, sackte in jüngster Zeit auf einen neuen historischen Tiefstand gegen den Dollar ab. Das Regime hat den Zentralbankchef ausgewechselt, kann den Wertverfall aber nicht aufhalten. Dabei hatte Präsident Ebrahim Raisi bei seinem Amtsantritt 2021 den Iranern einen Wirtschaftsaufschwung versprochen. Revolutionsführer Ali Khamenei distanzierte sich jetzt von Raisi, indem er die Schwäche des Rial öffentlich kritisierte.

Trotz der Wirtschaftsprobleme ist das Regime nicht zu politischen und sozialen Zugeständnissen bereit, weil es den Machtverlust fürchtet, wie Experten sagen. Alex Vatanka vom Nahost-Institut in Washington schätzt, dass die Regierung der Islamischen Republik ein Absacken der Wirtschaftsleistung auf 20 Prozent des eigentlichen Potenzials in Kauf nehmen würde, wenn damit das Überleben des Regimes garantiert werden könnte. Westliche Sanktionen können Teheran also nicht unbedingt zum Umdenken bewegen.

Atomdeal liegt auf Eis

Das gilt auch für die iranische Außenpolitik. Die Verhandlungen zwischen Raisis Regierung mit dem Westen über ein neues Atomabkommen, das den Bau einer iranischen Atombombe verhindern und gleichzeitig einen Abbau von Sanktionen einleiten soll, liegen auf Eis. Teheran beteuert zwar, die Atomkraft nur für zivile Zwecke einsetzen zu wollen, facht aber das Misstrauen des Westens immer neu an. Die Uran-Anreicherung im Iran hat einen Reinheitswert von 60 Prozent erreicht, für den es nach Einschätzung von Experten keinen zivilen Nutzen gibt. Bei einer Kontrolle stießen Inspekteure der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA kürzlich in der Anreicherungsanlage Fordow auf umfangreiche Umbauten, die nicht ordnungsgemäß angemeldet worden waren.

Heimliche Aktionen wie diese machen Irans Gegner nervös. Israel hat mehrfach angekündigt, dass es die Entwicklung einer iranischen Atombombe notfalls militärisch verhindern werde. Erst vor wenigen Tagen griffen israelische Drohnen eine Rüstungsfabrik im zentraliranischen Isfahan an. Auch die USA haben in den vergangenen Tagen bekräftigt, Militärschläge seien möglich. Zum westlichen Misstrauen trägt auch die Unterstützung der Iraner für die Huthi-Rebellen im Jemen bei. Die französische Marine fing im Januar eine Schiffslieferung von tausenden Gewehren und Panzerfäusten ab, die auf dem Seeweg aus dem Iran in den Jemen war; auch die US-Marine stieß bei Kontrollen auf Waffenlieferungen für die Huthis.

Khameinis Regime sucht die Nähe zu Russland, um dem westlichen Druck zu entgehen. Teheran baut ein gemeinsames Zahlungssystem mit Moskau auf, um nicht mehr auf das internationale Swift-System angewiesen zu sein, und liefert Kampfdrohnen für den Einsatz im Ukraine-Krieg an Russland. Neue Sanktionen sind die Folge.

All diese Krisen überschatten derzeit die zehntägigen Feiern zum Jubiläum der Republikgründung. Die iranische Opposition ruft ihre Anhänger zu Protesten während der Gedenktage auf. Statt in die staatlichen Jubelgesänge einzustimmen, sollen sie Parolen gegen das Regime skandieren: „Wir kämpfen bis zum Ende“, heißt eine davon.