Umfragen sehen Söder klar vorneVom Rennen um die Kanzlerkandidatur der Union
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Diesmal ist es Markus Söder, der von Markus Lanz zu später Stunde gelöchert wird. Doch anders als vor einer Woche Armin Laschet lässt sich der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident, den sich derzeit 54 Prozent als Kanzlerkandidaten der Union vorstellen können, nicht in die Enge treiben. Ob er die Kandidatur nicht übernehmen müsste, wenn Umfragen doch so wichtig sind, wie Söder selbst gerade erst wieder betont hatte, will Lanz von ihm wissen. „Das kann sich doch jederzeit ändern. Das ist wie mit Einschaltquoten“, pariert der Befragte, der per Video vor bayerischer Kulisse zugeschaltet ist.
Söder sitzt da, ruhig, lauernd, souverän. Eine Absage an eine Kandidatur lässt sich Söder natürlich auch nicht entlocken. „Mein Platz ist heute in Bayern“, sagt er. Das „heute“ immerhin ist schon ein Unterschied zu seinem im vergangenen Jahr immer wieder vorgetragenen Mantra, sein Platz sei in Bayern, Punkt. Heute sagt Söder auch: „Mein Platz ist überall.“ Als CSU-Vorsitzender sei er immer eingebunden, ob bei der wichtigen Fraktionsvorstandssitzung am Sonntag oder bei etwaigen Koalitionsverhandlungen im Bund. „Man muss überall mit uns rechnen.“
Immer wieder stiehlt Söder Laschet die Show
Laschet, der vor ziemlich genau einer Woche persönlich bei Lanz saß, immer tiefer in den Sessel sank und an seinem Wasserglas nippte, kann ein Lied davon singen, dass mit Söder immer zu rechnen ist. Während der CDU-Parteichef in Berlin seine Ideen für ein Wahlprogramm verkündet, stiehlt ihm Söder die Show, indem er fast zeitgleich in München seine Corona-Strategie erklärt. Und einen Brief an die Ministerpräsidenten-Kollegen in Sachen Corona schreibt Söder nicht etwa zusammen mit Laschet, sondern mit Baden-Württembergs grünem Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann.
Die letzte Woche lief nicht gut für Laschet – und Söder trug zumindest seinen Teil dazu bei, dass es auch nicht besser wurde. Die Kanzlerin hatte bei Anne Will ausgerechnet Armin Laschets Nordrhein-Westfalen als Beispiel für ein Bundesland genannt, dass es mit der Einhaltung der vereinbarten Corona-Notbremse nicht so genau nehme. Und plötzlich sah es so aus, als könnte den neuen CDU-Vorsitzenden das gleiche Schicksal ereilen wie seine glücklose Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer. Erst Wunschnachfolger(in) von Merkel, dann öffentlich fallengelassen. Söder kartete nach, indem er den „Streit“ zwischen CDU-Chef und Kanzlerin „mitten in der Pandemie“ öffentlich tadelte.
Laschet stichelt nicht, aber er ist in der Defensive
Laschet, das halten ihm wiederum viele in der Union zugute, nutzt seinen Auftritt bei Lanz nicht zum Austeilen. Weder gegen Merkel („Wir haben ein großes Vertrauensverhältnis“) noch gegen seinen offensichtlichen Widersacher Söder. Mit dem will er, wie er seit Wochen gebetsmühlenartig wiederholt, zwischen Ostern und Pfingsten – in diesen Tagen also – die Frage klären, wer denn nun Kanzlerkandidat wird. „Jeder Ministerpräsident versucht das Beste für sein Land zu tun. Ich würde nie einem Kollegen einen Ratschlag geben, was er zu tun hat“, sagt er nur. Und fügt achselzuckend hinzu: „Is so.“ Aber Laschet wirkt angefasst, getroffen, in der Defensive.
Auch wenn ihm seine loyale Art Respekt bei Parteifreunden einträgt: Vor allem in der Bundestagsfraktion ist eine große Unruhe ausgebrochen. Seit die Umfragen deutlich unter die 30-Prozent-Marke gefallen sind, fürchten viele Abgeordnete um ihr Mandat. Es sei „dem Überlebensinstinkt“ mancher Abgeordneter geschuldet, dass sie ins Grübeln kommen, meint eine führende Unionspolitikerin. Sie sagt: „Die Laschet-Front bröckelt.“
Am Dienstag wird ein Schreiben mehrerer CDU-Abgeordneter aus Baden-Württemberg öffentlich, indem sie Laschet auffordern, Söder den Vortritt zu lassen. Dieser wäre „ein kraftvoller und aussichtsreicher Kanzlerkandidat für die gesamte Union“. Zwischenzeitlich fällt auch der Name von Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus, den man anstelle von Laschet oder Söder ins Rennen schicken könnte. Brinkhaus selbst dementiert solche Überlegungen, für Laschet müssen sie ein Warnsignal sein.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hat dieser Tage gefordert, dass die Entscheidung über den Kanzlerkandidaten nicht im Hinterzimmer getroffen werden dürfe, sondern auch die Fraktion einbezogen werden müsste. Das Verfahren droht Laschet zu entgleiten. Er würde wohl trotzdem lieber abwarten, bis im großen Stil geimpft wird und die düstere Corona-Stimmung sich etwas aufhellt.
Auch für Söder wäre ein Wahlsieg kein Selbstläufer
Die Lage stellt sich allerdings für beide mögliche Kandidaten vertrackt dar, für Laschet nur noch ein bisschen vertrackter als für Söder. Es heißt, dass er es schon machen würde, wenn die CDU ihn bitten würde. Und bitten würde Laschet ihn wohl nur, wenn sein Rückhalt in der Partei drastisch schwindet und die Umfragen weiter sinken. Dann aber wäre auch für Söder ein Wahlsieg kein Selbstläufer. „Auch die Faszination für Söder könnte im Sommer schnell einbrechen, wenn klar wird, was der harte Lockdown das ganze Land gekostet hat“, meint ein Unionspolitiker.
Trotz der wundersamen Wandlung zum umsichtigen Staatsmann haben viele überdies nicht vergessen, wie Söder auch sein kann. In der Regierungskrise 2017/2018 im Nachgang der Flüchtlingskrise war er es, der die Kanzlerin vor sich hertrieb. Es kam fast zum Bruch zwischen den Schwesterparteien CDU und CSU. Wer Biografien über ihn liest, lernt: Söder ist hochintelligent, knallhart und gern auch mal populistisch. Seine Biografin Anna Clauß kommt zu dem Schluss: „Söder als Kanzler? Wohl kaum. Genau deshalb sollte man auf ihn wetten.“
Laschet ist in der Zwickmühle, Söder kann abwarten
Laschet wäre der berechenbarere. Seit er sich mit einer fulminanten Rede an die Spitze der CDU gearbeitet hat, weiß man, dass es ein Fehler ist, ihn zu unterschätzen. Er hat seither geschafft, selbst eingefleischte Friedrich-Merz-Fans von sich zu überzeugen. Der Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, Carsten Linnemann, sagt vor wenigen Wochen: „Armin Laschet hat die besten Chancen, als Kanzlerkandidat für die Union in den Bundestagswahlkampf zu ziehen.“ In der Corona-Pandemie allerdings steht Laschet in der Wahrnehmung weit hinter Söder. Immer ist der Bayer schneller, pointierter, entschiedener. Söder, der vermeintlich Sprunghafte von beiden, hält Kurs – und Laschet schlingert.
Er muss aber die Kandidatur übernehmen, wenn er Söder nicht fragen will. Immer wieder hat er selbst betont, dass ein CDU-Vorsitzender das erste Zugriffsrecht hat. Söders Position ist komfortabler: Lässt Laschet ihm nicht den Vortritt und scheitert, wäre Söder ein noch mächtigerer CSU-Chef – von dem viele immer wieder sagen würden, er wäre doch der bessere gewesen.