In einer monatelangen Recherche wurde die Spur von deportierten Kindern aus der Ukraine verfolgt, eine Fährte führt zu Sergei Mironow.
Mögliches „Kriegsverbrechen“Putin-Vertrauter „adoptiert“ aus der Ukraine entführtes Kleinkind
Sergei Mironow, Vorsitzender der russischen Duma-Fraktion „Gerechtes Russland“, steht im Verdacht, illegal ein entführtes Kind adoptiert zu haben. Recherchen der britischen „BBC“ legen offen, dass bei dem Vertrauten von Präsident Wladimir Putin eine Zweijährige aus der Ukraine „aufgetaucht“ ist. Das geht aus Adoptionsunterlagen hervor, Mironows Frau wird als Adoptivmutter geführt. Der russische Politiker kommentierte den Vorgang gegenüber der BBC nicht.
Konkret geht es laut Recherche um die zwei Jahre alte Margarita. Sie soll als eines von 48 Kindern aus einem Kinderheim im ukrainischen Kherson entführt worden sein, als die russischen Truppen die Stadt unter ihre Gewalt brachten. Zum Zeitpunkt der Entführung soll Margarita erst zehn Monate alt gewesen sein. Mittlerweile soll das Kleinkind in Russland beim Ehepaar Mironow leben – unter geändertem Namen.
Russische Besatzung: Mindestens Zehntausende Kinder aus der Ukraine verschleppt
Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine wurden Zehntausende, möglicherweise sogar Hunderttausende Kinder, aus der Ukraine deportiert. Die russische Regierung sprach im Sommer selbst von rund 700.000 Kindern und Jugendlichen, die in Russland „aufgenommen“ worden sein sollen. Der Kreml argumentiert, man wolle die Kinder vor dem Krieg schützen.
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Ganz anders liest es sich in einem Bericht der SOS-Kinderdörfer: Die Hilfsorganisation nannte im August rund 19.000 Fälle als gesicherte Deportationen von Kindern, sie nannte den Vorgang „Kriegsverbrechen“. So soll wohl auch eine Art Umerziehung und Indoktrinierung von russischem Gedankengut geschehen. Im Bericht der SOS-Kinderdörfer heißt es, dass viele Kinder zunächst in Heimen, Krankenhäusern oder Pflegefamilien untergebrachte werden, dann würden sie mit einem russischen Pass regelrecht umdeklariert werden.
„Die Kinder berichten uns von Umerziehung und Brainwashing: Es würde ihnen erzählt, dass ihre Eltern und die Ukraine sie verstoßen hätten und man sie, falls sie zurückkehrten, strafrechtlich verfolgen würde. Manche Kinder werden mit großen Versprechen geködert, andere unter Druck gesetzt“, sagte Serhii Lukashov, Leiter der Hilfsorganisation in der Ukraine, über die Lage.
Verschleppte Kinder aus der Ukraine nur extrem schwierig aus Russland zurückzuführen
Laut BBC sollen Russland und Mironow auch so bei der deportierten jungen Ukrainerin Margarita vorgegangen sein. Das Kleinkind kam demnach für eine Untersuchung und Behandlung von Bronchitis in ein Krankenhaus in Kherson im August 2022. Margaritas Eltern hatten zuvor die junge Ukrainerin in ein Heim gegeben. Als Margarita aus dem Krankenhaus entlassen wurde und ins Heim zurückkehren sollte, wurde das Kinderheim angewiesen, sie für einen Transport auf die Krim-Halbinsel vorzubereiten. Nach ukrainischen Zeugenangaben wurde sie und die anderen Kinder von Russen regelrecht mitgenommen.
Die BBC hat nach eigenen Angaben rund fünf Monate lang Personen, die an der Verschleppung der Kinder aus Kherson beteiligt waren, aufgespürt. Die entscheidende Spur führte zu der Russin Inna Varlamova, die als Adoptivmutter für Margarita in Dokumenten auftauchte – und später den Putin-Vertrauten Sergei Mironow heiratete.
Ob Margarita je in die Ukraine zurückkehren kann, ist unklar. Laut SOS-Kinderdörfern ist die Rückführung extrem kompliziert, von rund 19.000 deportierten Kindern seien bis August 385 durch die Hilfsorganisation und ihre Partner zurückgeführt worden.