Türkei kritisiert Schweden nach der Koran-Verbrennung aufs deutlichste. Doch die Tür zur Nato wird nicht geschlossen, jedoch knüpft die Türkei Bedingungen an ein Ja.
Ärger in AnkaraTürkei kritisiert Schweden – lässt aber die Tür weiter auf
Wladimir Putin hat viele Sorgen derzeit, aber der Kremlchef findet trotzdem Zeit, sich dem Nato-Land Türkei als Partner zu empfehlen und gegen den Westen zu stänkern. In Russland sei die Schändung des Korans strafbar, anders als in anderen Ländern, sagte Putin jetzt während eines Besuchs einer russischen Moschee zum islamischen Opferfest. Kurz zuvor hatte ein Islam-Gegner in Schweden öffentlich einen Koran vor einer Stockholmer Moschee verbrannt und die türkische Regierung verärgert. Aktionen wie Koran-Verbrennungen könnten nicht mit dem Recht auf Meinungsfreiheit gerechtfertigt werden, erklärte der türkische Außenminister Hakan Fidan. Wer das toleriere, mache sich mitschuldig.
Keine endgültige Absage an Schweden
Fahrettin Altun, der Kommunikationsdirektor von Präsident Recep Tayyip Erdogan, schrieb auf Twitter, ein Nato-Beitrittskandidat dürfe „das zerstörerische Verhalten von islam- und ausländerfeindlichen Terroristen“ nicht hinnehmen. Die schwedischen Behörden müssten rasch handeln, schließlich gehöre der Kampf gegen den Terrorismus zur Grundlage „jeder serösen Allianz“. Die Türkei hoffe, dass europäische Länder bei diesem Thema zur Vernunft kämen, „obwohl unsere Hoffnungen in dieser Hinsicht schwinden“.
Weder Altun noch Fidan oder andere Regierungspolitiker verbanden ihre Kritik an Schweden mit einer endgültigen Absage an den Beitrittswunsch des Nordlandes. Erdogan, der bei der Entscheidung über das türkische Veto das letzte Wort hat, äußerte sich nicht. Für den Westen, der Schweden beim Nato-Gipfel in Litauen am 11. und 12. Juli in die Nato aufnehmen will, ist die Koran-Verbrennung ein schwerer Rückschlag, weil alle Nato-Mitglieder zustimmen müssen.
Auch Ungarn meldet Bedenken gegen Schweden an
Ankara wirft Stockholm vor, nicht genug gegen Islam-Feindlichkeit und gegen Aktivitäten der kurdischen Terrororganisation PKK auf schwedischem Boden zu tun. Den Nato-Beitritt von Finnland hatte die Türkei nach monatelangem Zögern im März ratifiziert.
Gegen Schweden hat nicht nur die Türkei, sondern auch das Nato-Mitglied Ungarn Bedenken angemeldet. Budapest will frühestens im Herbst über den schwedischen Beitrittsantrag entscheiden. Allerdings gehen Nato-Diplomaten davon aus, dass Ungarn seinen Widerstand aufgeben wird, wenn die Türkei überzeugt werden kann. Deshalb konzentrieren sich die Bemühungen westlicher Staaten auf die Erdogan-Regierung. Bundeskanzler Olaf Scholz telefonierte am Mittwoch mit dem türkischen Staatschef, um den „baldigen Abschluss des Beitritts Schwedens zum Bündnis“ zu erörtern, wie die Bundesregierung mitteilte. Erdogan bekräftigte nach türkischen Regierungsangaben in dem Telefonat, es sei für die Türkei inakzeptabel, wenn die PKK in Schweden weiterhin Kundgebungen organisieren, Kämpfer anwerben und Geld sammeln könne.
Türkei fordert eine Gegenleistung für Zustimmung
US-Sicherheitsberater Jake Sullivan erinnerte die türkische Regierung in einem Gespräch mit Erdogans außenpolitischem Chefberater Akif Cagatay Kilic daran, dass die westliche Führungsmacht USA die Schweden so schnell wie möglich in der Nato haben will. Ankara fordert als Gegenleistung für grünes Licht für Schweden die Lieferung amerikanischer Kampfflugzeuge an die Türkei. Im US-Kongress, der darüber entscheiden muss, gibt es Widerstand gegen das Geschäft.
Die Außenminister, Geheimdienstchefs und Sicherheitsberater aus der Türkei, Schweden und Finnland wollen bei einem Treffen am kommenden Donnerstag – fünf Tage vor dem Nato-Gipfel – einen neuen Versuch unternehmen, eine Lösung zu finden. Die drei Länder hatten beim Nato-Gipfel des vergangenen Jahres ein Memorandum unterzeichnet, das Schweden und Finnland auf ein entschiedenes Vorgehen gegen die PKK und die Türkei zur Zustimmung zu ihren Aufnahmeanträgen verpflichtete. Die schwedische Regierung argumentiert, sie habe wie Finnland alle Forderungen der Türkei erfüllt.
Die Nachrichtenagentur Reuters zitierte einen ungenannten westlichen Regierungsvertreter mit den Worten, eine türkische Zustimmung zu Schweden noch vor dem Gipfel sei unsicher. Möglicherweise will Erdogan den Streit im persönlichen Gespräch mit US-Präsident Joe Biden beilegen, doch Biden vermeidet direkte Kontakte mit Erdogan, den er als Autokraten bezeichnet hat.