Kurz vor dem Gipfeltreffen erschweren Korruptions-Ermittlungen in Schweden und USA gegen Erdogans Sohn die Verhandlungen.
Ermittlungen gegen Erdogans SohnNeuer Krach zwischen Türkei und Nato
Zwischen der Türkei und der Nato gibt es zwei Wochen vor dem Gipfeltreffen der Allianz neuen Krach. Präsident Recep Tayyip Erdogan lehnt den Aufnahmeantrag von Schweden weiter ab und fordert ein Demonstrationsverbot für kurdische Aktivisten in Schweden sowie die Auslieferung türkischer Regierungskritiker. Neue Bedingungen stellt die Türkei nach Medienberichten auch bei Gesprächen über die neue Nato-Verteidigungsstrategie. Zusätzlich erschwert werden die Verhandlungen durch Korruptionsermittlungen schwedischer und amerikanischer Staatsanwälte, bei denen es um Erdogans Sohn Bilal geht.
Kritiker der Türkei im Westen werfen Erdogan vor, die Stärkung der Nato gegen die Gefahr eines russischen Angriffes zu verhindern. Die Türkei legte im Mai vorigen Jahres ihr Veto gegen die Aufnahme von Finnland und Schweden ein und warf den Nordländern vor, zu wenig gegen anti-türkische Aktivisten auf ihren Staatsgebieten zu unternehmen. Inzwischen hat Ankara dem Beitritt von Finnland zugestimmt. Bei Schweden lenkt Erdogan bisher aber nicht ein. Diplomaten hatten sich in jüngster Zeit trotzdem optimistisch gezeigt: Sie vermuteten, dass die Türkei mit der Blockade politische Gegenleistungen herausschlagen wolle, etwa die Lieferung von Kampfflugzeugen durch die USA.
Türkei verlangt Auslieferung von PKK-Anhängern
Doch kurz vor dem Nato-Gipfel in Litauen am 11. und 12. Juli, bei dem die Norderweiterung abgesegnet werden soll, stellt sich die Türkei immer noch quer. Erdogan forderte in einem Telefonat mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Sonntag, dass Stockholm öffentliche Kundgebungen von Anhängern der kurdischen Terrororganisation PKK in Schweden unterbinden müsse.
Ankara verlangt nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg auch, dass Schweden mit der Auslieferung von PKK-Anhängern an die Türkei beginnen solle; insgesamt erwartet Ankara von Schweden die Auslieferung von mehr als 130 türkischen Staatsbürgern. Schweden hatte auf türkischen Druck seine Anti-Terrorgesetze verschärft, doch wenn die Justiz die Auslieferung von türkischen Regierungsgegnern verbietet, kann sich die Regierung nicht darüber hinwegsetzen.
Türkei bleibt vorerst bei harter Linie
Westliche Politiker hatten auf mehr Entgegenkommen der Türkei nach Erdogans Sieg bei der Präsidentschaftswahl am 28. Mai gehofft. Die Forderungen des Präsidenten in seinem Telefonat mit Stoltenberg zeigen aber, dass die Türkei zumindest vorerst bei ihrer harten Linie bleibt. Der schwedische Außenminister Tobias Billström hatte vorige Woche gesagt, sein Land habe alle Forderungen der Türkei erfüllt.
Krach gibt es auch in Verhandlungen über die neue Nato-Verteidigungsstrategie. Gespräche der Verteidigungsminister über das Thema waren Mitte Juni gescheitert; die Nachrichtenagentur Reuters meldete damals, die Türkei blockiere eine Einigung. Jetzt berichtete die Nachrichtenplattform Al-Monitor, die Türkei wolle durchsetzen, dass die internationalen Gewässer der Meerengen Dardanellen und Bosporus in dem Dokument als „Türkische Meerengen“ bezeichnet werden. Ankara sperrt sich demnach auch gegen eine engere Zusammenarbeit zwischen der Nato und der EU, weil die Türkei das EU-Mitglied Zypern nicht anerkennt.
F-16-Jets als Lösung?
Weil Erdogan bei früheren Differenzen mit der Nato – etwa im Streit um die Ernennung des damaligen dänischen Ministerpräsidenten Anders Fogh Rasmussen zum Generalsekretär im Jahr 2009 – einlenkte, erwarten Nato-Diplomaten, dass die Türkei auch diesmal ihr Veto zurückzieht. Viel hängt davon ab, ob der US-Kongress dem Verkauf von F-16-Kampfjets an die Türkei zustimmt. Bisher weigern sich die Abgeordneten und begründen das mit Erdogans Ablehnung des schwedischen Antrags.
Die Zeit für eine Einigung wird knapp. Beide Seiten bewegten sich auf eine Kollision zu, schrieb der amerikanische Türkei-Experte Howard Eissenstat auf Twitter. Die Nato will bis zum Gipfel in der litauischen Hauptstadt Vilnius einen Ausweg finden: Stoltenberg kündigte für die kommenden Tage weitere Gespräche an.
Die Atmosphäre ist jedoch vergiftet, auch weil sich die türkische Regierung vom Westen ungerecht behandelt fühlt. Jüngstes Beispiel ist ein Reuters-Bericht über Ermittlungen in Schweden und den USA wegen des Verdachts geplanter Schmiergeldzahlungen in der Türkei. Die schwedische Tochterfirma eines US-Unternehmens soll sich demnach bereit erklärt haben, Millionensummen an eine türkische Universität und eine Stiftung zu zahlen, bei denen Bilal Erdogan im Vorstand sitzt. Im Gegenzug habe Bilal der Firma Zugang zu hohen türkischen Regierungsbeamten beschaffen sollen. Das Projekt sei aber aufgegeben worden.
Erdogans Informationsdirektor Fahrettin Altun wies die Vorwürfe zurück. Der Reuters-Bericht sei das Werk einer „anti-türkischen Lobby“ und solle das Land unter Druck setzen, schrieb Altun auf Twitter. Er ließ durchblicken, dass er die Korruptionsvorwürfe für einen Versuch hält, die Türkei in der Nato zu Zugeständnissen zu bewegen: Es stelle sich die Frage, warum der Bericht kurz vor dem Nato-Gipfel veröffentlicht worden sei, schrieb Altun.