Frage des TagesWie gefährlich ist Björn Höcke?
- Thüringens AfD-Chef ist der Rechtsaußen der rechten Partei.
- Bei der Landtagswahl hat er einen Triumph eingefahren.
- Ob er beim Bundesparteitag der AfD Ende November für einen Posten im Parteivorstand kandidieren werde, behält er sich nach eigenen Worten vor.
Berlin – Berlin. Björn Höcke wirkt bei diesem Auftritt in Berlin so angespannt wie kampfeslustig. Journalisten hält er gern auf Abstand, nun sitzt ihm aber eine ganze Reihe von Hauptstadtkorrespondenten direkt vor der Nase. Und hier in der Bundespressekonferenz führen sie auch noch Regie.
Die Hemmschwelle fürs Aufstehen und Abbrechen und Drohen vor laufenden Kameras mag höher sein als bei einem einzelnen, nicht live aufgezeichneten Fernseh-Interview, das ihm nicht passt. Wie neulich mit dem ZDF. Da ging es um seinen Sprachgebrauch in seinem Buch „Nie zweimal in denselben Fluss“. AfD-Politiker sollten Sätze daraus Höcke oder Hitler zuordnen – und konnten sich nicht festlegen.
Höcke fühlt sich gemobbt
Jetzt sitzt Höcke neben den beiden Bundesparteisprechern Alexander Gauland und Jörg Meuthen. Am Vorabend hat er bei der Landtagswahl in Thüringen einen Triumph eingefahren. Die AfD hat sich mehr als verdoppelt und ist jetzt hinter den Linken mit 23,4 Prozent zweitstärkste Kraft. Höcke, im Westen aufgewachsen, sagt: „Wir sind die junge, vitale Volkspartei des Ostens.“ Er kann es mit den Wahlanalysen belegen. Die Regierung von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sei von „Rentnern gerettet worden“, bemerkt der 47-Jährige spitz.
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Es dauert nicht lang, bis er erklärt, dass er sich von Journalisten systematisch gemobbt fühle. Medien hätten der AfD den Wahlkampf erschwert und trotzdem sei sie in die Höhe geschnellt. Andere sagen, die AfD sei trotz Höcke, dem Rechtsaußen der rechten Partei, in die Höhe geschnellt. Er hat sich mit Formulierungen wie zu einem „bevorstehenden Volkstod durch Bevölkerungsaustausch“ die Titulierung „Nazi“ erworben. CDU-Landeschef Mike Mohring nennt ihn so, CSU-Chef Markus Söder vergleicht ihn mit Hitler und laut Gerichtsbeschluss darf er „Faschist“ genannt werden. „Faschist“ könne zwar ehrverletzenden Charakter haben und dazu dienen, politische Gegner in die Nähe des Nationalsozialismus zu rücken, aber im Fall Höcke sei die Bezeichnung zulässig.
Meinungsfreiheit? Schwierig
Höcke und Gauland machen deutlich, dass sie diese Meinungsfreiheit in Deutschland schwierig finden. Aber gerade Gauland weiß um die Wirkung seiner Worte. Deswegen wählt er sie ja so. Aufregung bedeutet Aufmerksamkeit und das zahlt bei seiner Partei ein.
Höcke ist Gründer des rechtsnationalen „Flügels“ in der AfD. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft diesen „Flügel“ als „Verdachtsfall“ im Bereich des Rechtsextremismus ein. Gauland erklärt, dass es natürlich „völliger Unsinn“ sei, Höcke einen Faschisten zu nennen. Solche „Kampfbegriffe“ würden inflationär in die politische Arena geworfen, beklagt auch Höcke. Der Mann, der gern von den Altparteien, von vaterlandslosen Gesellen spricht und offensichtlich im Zusammenhang mit dem Berliner Holocaust-Mahnmal von einem „Denkmal der Schande“ sprach. Gauland (78) nennt Höcke liebevoll einen „Nationalromantiker“, findet dessen Liebe zu Deutschland nur ein wenig „übersteigert“.
Wahlsieger aus dem „Flügel“
Im November wählt die AfD einen neuen Vorstand. Den alten hat Höcke heftig kritisiert. Ob er selbst kandidieren werde? „Wahlsieger wollen natürlich auch repräsentiert werden in den wichtige Gremien der Partei“, antwortet er. Die beiden anderen Wahlsieger der AfD, Andreas Kalbitz aus Brandenburg und Jörg Urban aus Sachsen, werden auch Höckes „Flügel“ zugerechnet. Es gebe „viele gute Vertreter“ seines Kurses für „solidarischen Patriotismus“, sagt Höcke. Es werde aber zu viel über Personal und zu wenig über Inhalte gesprochen – etwa über eine nötige „Abschiebe-Initiative 2020“ oder eine „Familienoffensive“.
Persönliche Gespräche mit AfD-Größen sind mitunter schwer zu bekommen. So blieben auch telefonische und schriftliche Anfragen an Höckes Büro erfolglos. In der Pressekonferenz sagt er zu einer Kandidatur für den Bundesvorstand noch: „Das behalte ich mir vor.“ Sein Signal: Der „Flügel“ in der AfD ist mächtig. Höcke ist mächtig.
Wie geht es in Thüringen weiter
Rot-Rot-Grün in Thüringen will trotz fehlender Mehrheit weiter zusammenarbeiten - die CDU schlug die Tür für eine Kooperation aber fast zu. Seine Fraktion habe am Mittwoch einstimmig beschlossen, dass sie „weder für eine Duldung noch für eine Tolerierung von Rot-Rot-Grün zur Verfügung steht“, erklärte Fraktionschef Mike Mohring am Mittwoch in Erfurt.
Das schließe ein, dass der amtierende Regierungschef Bodo Ramelow (Linke) bei einer möglichen Ministerpräsidentenwahl keine CDU-Stimmen erhalte. Mohring bekräftigte jedoch, dass er einer Gesprächseinladung von Ramelow folgen werde. Einen Termin gibt es laut Staatskanzlei dafür noch nicht.
Rot-Rot-Grün steht zusammen
Auf ein weiteres Zusammengehen verständigten sich die Parteispitzen von Linke, SPD und Grünen bei ihrem ersten Treffen nach der Landtagswahl. „Wir haben heute deutlich gemacht, dass Rot-Rot-Grün zusammensteht“, sagte SPD-Landeschef Wolfgang Tiefensee. „Auch wir als Grüne betrachten die Tatsache, dass die Linke als stärkste Partei gewählt ist, als Auftrag, Bodo Ramelow als Ministerpräsidenten zu wählen“, sagte Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne).
Vertreter der bisherigen Regierungskoalition appellierten an CDU und FDP, sich ihrer Verantwortung nicht zu entziehen. Siegesmund warnte vor einer Verweigerungshaltung. Tiefensee betonte, Ziel von Rot-Rot-Grün sei eine handlungsfähige Regierung, die politische Projekte umsetzen könne. Das Dreierbündnis hatte bei der Landtagswahl wegen der Schwäche von SPD und Grünen seine Mehrheit verloren.
Es ist kein Regierungsmodell ohne die Linke als Wahlgewinner möglich, weil niemand mit der AfD zusammenarbeiten will, die 23,4 Prozent bekam. (dpa)