Tag der deutschen EinheitWarum wir ausgerechnet am 3. Oktober feiern

Potsdam als Brandenburger Landeshauptstadt ist in diesem Jahr Gastgeber der zentralen Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit. Wegen der Corona-Auflagen wird das Fest als EinheitsEXPO unter dem Motto "30 Jahre - 30 Tage - 30 x Deutschland" bis zum 04.10.2020 auf 30 Tage gestreckt.
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- Der zunächst angedachte 9. November passte nicht, auch der 7. Oktober kam nicht infrage, ebenso war der 17. Juni kein geeignetes Datum.
- Eher zufällig fiel die Wiedervereinigung auf den 3. Oktober.
- Doch wie kam es dazu? Und welche Gründe gab es dafür? Ein Blick zurück.
Stephan Eisel war in der bewegten Wendezeit stellvertretender Leiter des Kanzlerbüros und arbeitete seinerzeit eng mit Helmut Kohl zusammen. „Im Bundeskanzleramt war die Frage, wann der Beitritt erfolgen soll, ein ständiges Gesprächsthema“, erinnert sich Eisel. Gerade weil der Strom an DDR-Bürgern, die in den Westen Deutschlands übersiedelten, im Laufe des Jahres 1990 nicht abriss, habe die Volkskammer der Bundesrepublik möglichst schnell beitreten wollen.
„Die Bundesregierung war aber der Auffassung, sich noch ein bisschen Zeit zu lassen, damit zum Beispiel die ganzen Rechtsangleichungen vorbereitet werden können und die 2+4-Verhandlungen nicht gestört werden“, so Eisel. Die Gespräche zwischen den beiden deutschen Staaten und den vier Siegermächten des Zweiten Weltkriegs (USA, Sowjetunion, Frankreich und Großbritannien) über die außenpolitischen Bedingungen für ein vereinigtes Deutschland begannen im Mai und sollten im September 1990 zu Ende gehen.
Es gab zahlreiche Vorschläge
Als die Volkskammer nun in der Nacht vom 22. auf den 23. August 1990 über das Beitrittsdatum beriet, lagen zahlreiche Vorschläge vor. Sie reichten vom 13. September bis zum 14. Oktober, wie sich Eisel erinnert. So habe sich die SPD einen frühen Termin gewünscht. Manche hätten den 9. Oktober vorgeschlagen, den ersten Jahrestag der bis dahin größten Leipziger Montagsdemonstration. Ministerpräsident Lothar de Maizière (CDU) hingegen favorisierte den 14. Oktober, weil für den Tag die Landtagswahlen in den neuen Ländern vorgesehen waren.
Dass die Debatte gerade in dieser Nacht stattfinden würde, überraschte selbst Volkskammerpräsidentin Sabine Bergmann-Pohl (CDU). „Ich dachte, wir könnten das hinter den Kulissen einvernehmlich lösen“, sagte sie jüngst der „Süddeutschen Zeitung“. Als aber de Maizière am frühen Abend des 22. August eine sofortige Sondersitzung zum Termin der deutschen Einheit beantragt hatte, war das Vorhaben obsolet geworden. Ein Ende der Debatte sei überfällig, war de Maizières Meinung. Schließlich belastete die Debatte um das Datum zunehmend den Prozess der Einheit. Der Einigungsvertrag war quasi unterschriftsreif, zudem stand die DDR vor dem wirtschaftlichen Kollaps.
In der Volkskammer entwickelte sich eine ziemlich unübersichtliche Debatte, in der laut Bergmann-Pohl irgendwann das Argument aufgekommen sei, dass man auf keinen Fall mehr den 41. Jahrestag der DDR am 7. Oktober – zugleich den Nationalfeiertag des ehemals sozialistischen Staats – begehen wollte. Also war der 9. Oktober aus dem Rennen.
Der 3. Oktober kam ins Spiel, als den Abgeordneten der Volkskammer bewusst geworden war, dass der Beitritt nicht vor der Sitzung der Außenminister der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) vollzogen werden konnte. Die war für den 2. Oktober in New York geplant und in der sollten die Siegermächte offiziell über das Ergebnis der 2+4-Verhandlungen unterrichtet werden. Mit großer Mehrheit stimmte die Volkskammer schließlich für den 3. Oktober: 294 Abgeordnete waren dafür, nur 62 dagegen, sechs enthielten sich.
Feiern statt Gedenken
Damit stand nun das Beitrittsdatum fest – aber noch nicht das Datum des Nationalfeiertags. Hier kam Helmut Kohl wieder ins Spiel. Stephan Eisel weiß, dass der Bundeskanzler nichts davon hielt, den Tag des Mauerfalls dafür zu nehmen, weil er sich „nicht zum Feiern eignete“. Kohls Meinung sei gewesen: ‚Wir können am 9. November nicht die deutsche Einheit feiern, wenn am gleichen Tag der Reichspogromnacht gedacht wird.‘ Auch die Beibehaltung des 17. Juni sei kein Thema gewesen. „Er wollte einen Tag des Feierns und keinen Gedenktag. Der Jahrestag der Niederschlagung des Volksaufstandes von 1953 passte nicht zum Feiern“, sagt Eisel.Und so habe Kohl ein paar Tage, nachdem die Volkskammer den 3. Oktober als Beitrittsdatum festgelegt hatte, in einem Gespräch mit den Ministerpräsidenten die Initiative, „dass der bisherige Tag der Deutschen Einheit am 17. Juni als Erinnerungstag bleibt, aber der 3. Oktober zum neuen Feiertag wird“. Ein paar Tage später sei dieser Vorschlag auch in der Volkskammer gemacht worden. Eisel meint, er sei von den Liberalen gekommen.
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Auch aus einem anderen Grund fand Kohl den 3. Oktober gut. „Mir schwebte ein NationaIfeiertag Anfang Oktober vor, weil zu diesem Zeitpunkt das Wetter in der Regel noch gut ist und die Menschen im Freien feiern können“, zitierten die Autoren Kai Diekmann und Ralf Georg Reuth den Bundeskanzler in dem Buch „Ich wollte Deutschlands Einheit“ von 1996. „Mir hatte es bei unseren französischen Nachbarn immer gut gefallen, dass der 14. Juli, ihr Nationalfeiertag, nicht nur ein Anlass für pathetische Reden ist, sondern im ganzen Land fröhlich gefeiert wird“, so Kohl weiter.
Wechselnde Feiern als Erbe von Helmut Kohl
Laut Eisel war der Kanzler dann auch „sehr beteiligt“ an der Idee, die Feierlichkeiten jährlich durch die Bundesländer rotieren zu lassen. „Kohl, überzeugter Föderalist, früherer Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, war immer wichtig, dass die Frage der deutschen Einheit, der Wiedervereinigung nicht nur mit Berlin verbunden wird, sondern dass das eine gesamtdeutsche Angelegenheit ist. Mit einer Feier, die abwechselnd in den Bundesländern stattfindet, konnte man das gut zum Ausdruck bringen“, sagt Eisel.
Auch in den folgenden Jahren habe er immer genau wissen wollen, wie die Feierlichkeiten in den einzelnen Bundesländern aussehen und habe darüber jeweils mit den zuständigen Ministerpräsidenten gesprochen. Insofern sei, so Eisel, die Art, die deutsche Einheit in jedem Jahr in einem anderen Bundesland zu feiern, als „ein Erbe von Helmut Kohl“ zu betrachten.