AfD-Politiker werden vom Kreml als Wahlbeobachter eingeladen, Andreas Jurca und Elena Roon folgen Putins Ruf – und schwärmen im Propaganda-TV.
Statisten in Putins InszenierungAfD-„Wahlbeobachter“ in Russland voller Lob: „Sehr gut organisiert“
Ein Rekordergebnis von 87 Prozent, dazu eine Wahlbeteiligung von 77 Prozent – ebenfalls Rekord bei einer russischen Präsidentenwahl. Das Ergebnis der in Russland über mehrere Tage stattgefundenen „Wahl“ bestätigt Wladimir Putin für weitere sechs Jahre im Amt, doch die Zahlen sind offensichtlich zu schön, um wahr zu sein. Von einer regulären Wahl kann keine Rede sein.
Unabhängige russische Wahlbeobachter der Organisation Golos betonten, das Ergebnis sei unter beispiellosen Manipulationen zustande gekommen. Mehr als 34 Millionen Stimmen der für Putin gezählten Stimmen seien fraglich, teilte Golos am Dienstag gemäß einer Analyse eigener Experten mit.
Scheinwahl in Russland bestätigt Wladimir Putin mit angeblichem Rekordergebnis
Unabhängige Wahlbeobachter, wie die der OSZE waren gar nicht erst eingeladen worden, auch deswegen wird der Sieg des russischen Präsidenten bei dieser Scheinwahl international weitestgehend nicht als solcher gewürdigt.
Glückwünsche, wie sonst bei Präsidentschaftswahlen üblich, blieben deswegen auch aus Deutschland von den demokratischen Parteien aus. Gratulation gab es hingegen aus Reihen der AfD, wenn auch nicht von oberster Stelle. Hans-Thomas Tillschneider, derzeit stellvertretender Landesvorsitzender der AfD in Sachsen-Anhalt, gratulierte Wladimir Putin. „Herzlichen Glückwunsch an ihn und an das russische Volk“, so Tillschneider in den sozialen Medien.
AfD-Politiker reisen auf Einladung des Kreml als „Wahlbeobachter“ nach Russland
Für Aufsehen sorgt allerdings nicht nur der Gruß an Putin, gegen den der Internationale Strafgerichtshof vergangenes Jahr einen Haftbefehl erlassen hatte, auch die Bewertung zweier AfD-Politiker zur Durchführung der Wahl schlägt hohe Wellen – zumal Andreas Jurca und Elena Roon offenbar gegen den Ruf der Parteispitze nach Russland reisten.
Jurca und Roon, beide Mitglieder der AfD-Landtagsfraktion in Bayern, folgten der Einladung des Kreml und begaben sich in die Funktion als „Wahlbeobachter“. Was sie beobachteten, schilderten sie anschließend in einem Fernsehstudio von RT DE – einem kremlnahen Propagandasender, dessen Ausstrahlung in Deutschland von der Medienaufsicht bereits vor Jahren verboten wurde.
Andreas Jurca und Elena Roon sehen keine Probleme bei Russland-Wahl
Für Jurca und Roon offenbar kein Grund, nicht in der Sendung aufzutreten. Wenig überraschend stellen sie der von heftigen Manipulationsvorwürfen begleiteten Wahl ein gutes Zeugnis aus.
Ihre Aussagen sind auf dem Onlinedienst X zu sehen, verbreitet wurden sie von Dominik Reichert, der die beiden für den Propaganda-Sender interviewte.
Die Wahl sei „sehr gut organisiert“ gewesen, urteilt Roon. Die Wahlberechtigten seien „sehr gut informiert“ worden über die Präsidentschaftswahl in Russland. Dass den Bürgerinnen und Bürger der Urnengang vielerorts mit kostenloser Bewirtung und Auftritten von Künstlern versüßt wurde, wertet sie positiv. Dadurch hätte sich die Wählerschaft „gut und motiviert“ gefühlt, so Roon.
AfD-Politiker schätzen „Wahlen“ in Russland als unkritisch ein
Angesprochen auf die Unterschiede im Wahlablauf zu Deutschland, gesteht Roon ein, dass es solche durchaus gäbe. Man dürfe aber nicht vergessen, dass es sich hier um „zwei ganz andere Länder mit anderen Mentalitäten“ handele. Es sei aber „alles transparent abgelaufen“, niemand sei zu irgendetwas gezwungen worden.
Ansonsten sei ihr noch aufgefallen, dass in den Wahllokalen in Russland viel gefilmt worden sei. Das wäre in Deutschland so nicht erlaubt, stellt sie fest. Wie ihr Parteifreund Jurca ist sie gegen Widerstände aus dem Bundesvorstand der AfD der Einladung Russlands gefolgt. Andreas Jurca betont wohl auch deswegen, dass sie auf eigene Verantwortung nach Russland gekommen seien.
Kritik an Scheinwahl in Russland? „Nicht unbedingt nennenswert“
Der 36-Jährige, der vergangenes Jahr als vermeintliches Opfer einer politischen Gewalttat Schlagzeilen machte (der Fall ist bis heute nicht aufgeklärt), schildert ebenfalls seine Eindrücke vor Ort. Von Unregelmäßigkeiten berichtet auch er nichts. Auf die Frage, ob es seiner Ansicht nach Kritikpunkte gebe, antwortet Jurca, er habe „in der Tat Kritikpunkte“. Diese seien allerdings „eher technischer Natur“ und „nicht unbedingt nennenswert“.
Der Großteil der Menschen stehe hinter Putin, schildert er seinen Eindruck nach Gesprächen mit Wählerinnen und Wählern – räumt dabei allerdings ein, dass er nicht wisse, ob Andersdenkende ihre Meinung ihm gegenüber frei äußern würden.
Der Einladung aus Russland, die Wahl zu beobachten, sei er gefolgt, „weil wir durchaus den diplomatischen Dialog“ offenhalten müssten. Den Krieg bezeichnet Jurca als „Tragödie“.
Experten kommen zu eindeutigem Urteil: Keine echte Wahl in Russland
Experten kommen derweil zu einer ganz anderen Bewertung als die beiden AfD-Politiker, die er als Statisten in der Kreml-Propaganda sieht. Aktionen wie Konzerte, Lotterien oder kostenlose Bewirtung rund um die Wahllokale, das alles diene nur einem Grund. „Es geht darum, die Wahlbeteiligung höher zu machen, aber nicht aus einer demokratischen Ambition heraus, sondern um überhaupt Menschen zu mobilisieren, zu Wahlen zu gehen, von denen viele nicht glauben, dass sie frei und fair sind“, so Gerhard Mangott, Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Innsbruck laut „Tagesschau“.
Der Politikwissenschaftler bemängelt indes, dass die Wahlurnen aus Glas und somit durchsichtig seien, zudem in den Nächten der drei Wahltage unbewacht blieben. Ebenfalls kritisch findet Mangott, dass kaum Beisitzer aus der Opposition vor Ort seien. Seiner Meinung nach seien „Tür und Tor geöffnet, um die Auszählungsprotokolle so zu manipulieren, wie es eben sein soll“. Viele internationale Beobachter sehen das genauso.
Die EU-Staaten haben inzwischen mit einer gemeinsamen Erklärung scharfe Kritik am Ablauf der Präsidentenwahl in Russland geübt. Unter anderem kritisierte die EU, viele Kandidaten seien bei der Präsidentenwahl von der Kandidatur ausgeschlossen worden – darunter alle, die gegen den illegalen Angriffskrieg Russlands gewesen seien. Die Wähler hätten deswegen keine echte Wahl gehabt. Sie seien auch im Zugang zu Informationen eingeschränkt gewesen.