Der linke Philosoph Slavoj Žižek hat kein Verständnis für „verrückte“ Linke, die Verständnis für Putin haben – und fordert Atomwaffen für Kiew.
Žižek zerlegt linke Putin-Versteher„Hören die nicht, was Russland und Putin sagen? Sind die verrückt?“
Slavoj Žižek provoziert gerne, das ist bekannt. Der Slowene, der bereits als „gefährlichster Philosoph des Westens“ bezeichnet wurde, hält mit seinen Meinungen nicht hinter dem Berg – und trägt diese auch nicht allzu diplomatisch vor. Das bewies Žižek nun erneut mit Aussagen über die Haltung einiger Linker zu Russlands Krieg gegen die Ukraine, die immer wieder Verständnis für die Motivlage des Kremls zeigten.
Der Philosoph, Psychoanalytiker und selbsterklärte Kommunist hat sich mit seinem eigenwilligen Stil ein internationales Publikum aufgebaut. Am Wochenende lud der britische Journalist Piers Morgen Žižek in seine Sendung „Uncensored“ („Unzenziert“) – und plauderte mit dem Philosophen über die großen Probleme unserer Zeit, also auch den Krieg Russlands gegen die Ukraine.
Slavoj Žižek: „Was Sie vielleicht überrascht, ist, dass ich als Linker mit Ihnen übereinstimme“
Žižek ließ sich die Gelegenheit nicht nehmen – und zerlegte in unter fünf Minuten die Haltung vieler Linker gegenüber Russland und Wladimir Putin. „Was Sie vielleicht überrascht, ist, dass ich als Linker mit Ihnen übereinstimme“, erklärte Žižek auf Morgans Frage, wie er die Lage rund um die Ukraine einschätze.
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„Hören die Leute nicht, was Russland, die Staatsmedien und Putin sagen?“, empörte sich Žižek. „Manche meiner verrückten linken Freunde sagen: ‚Russland ist gegen die Nato – also muss das gut sein‘ – sind die verrückt?“
Kritik von Slavoj Žižek: „Putin ist in keiner Weise ein Linker, mein Gott“
Russland unterstütze in Europa ausschließlich rechte und rechtsradikale Parteien, erklärte Žižek weiter. „Le Pen in Frankreich, die Alternative für Deutschland in Deutschland und so weiter“, führte der Philosoph aus. Putin sage offen, dass er den Ukrainern „wegnehmen wolle, was die Bolschewiken“ ihnen einst gegeben hätten. „Putin ist in keiner Weise ein Linker, mein Gott. Er ist ein dunkler, konservativer, religiöser Fanatiker“, führte Žižek aus.
„Deshalb – und um die Leute zu provozieren – sage ich ja auch, man sollte der Ukraine Atomwaffen geben.“ Es sei ohnehin ein Fehler gewesen, dass die Ukraine in der Vergangenheit ihre atomare Abschreckung aufgegeben habe, pflichtete Morgan bei – es sei wie eine Einladung an Russland gewesen. „Absolut“, bekräftigte Žižek.
Philosoph fordert mehr Engagement gegen Russland: „Sie müssen bedingungslos aufgehalten werden“
„Es ist offensichtlich, dass es nicht nur um die Ukraine geht“, führte Žižek aus. „Russland ist – sie sagen es ganz offen – ein imperialistischer, expansiver Staat – und je länger wir das tolerieren, desto furchtbarer wird am Ende die Konfrontation“, erklärte Žižek. Die typische pazifistische Weisheit, dass ein Feind nur jemand sei, dem man nicht gut genug zugehört habe, sei eine der „dümmsten“ Aussagen, empörte sich der Philosoph. „Nein. Ich habe Hitler gelesen – und danach war er nur noch mehr mein Feind.“
Deshalb sollte man die Botschaften aus Russland ernst nehmen, forderte Žižek. „Sie sind im schlimmsten Sinne fanatische religiöse Fundamentalisten und sie müssen bedingungslos aufgehalten werden“, sagte Žižek – und kritisierte das „mehrdeutige Spiel“ des Westens, der der Ukraine stets nur so viel liefere, dass sie nicht verliere, aber nie genug, um zu gewinnen. „Wir haben einen Notstand in Europa“, fügte er an.
Lob für Auftritt von Slavoj Žižek – aber auch Kritik an Wortwahl
Der Auftritt des Philosophen bekam in den sozialen Netzwerken viel Zuspruch. Die ehemalige Grünen-Politikerin Rebecca Harms signalisierte im Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter) Zustimmung zu den Worten Žižeks, der versuche, „die westlichen oder traditionellen Linken aufzuwecken“. Auch der Historiker Matthäus Wehowski lobte den Auftritt. „Žižek hat völlig recht. Man muss Russland genau zuhören, die Staatspropaganda ernst nehmen“, schrieb Wehowski bei X.
Kritik erntete der Philosoph in den sozialen Netzwerken unterdessen für seine Wortwahl, dass die Russen „wie die Araber“ seien. Žižek hatte die Formulierung verwendet, als er im Gespräch mit Morgan „religiösen Fundamentalismus“ in Russland angeprangert hatte. (das)