Nach dem Aufstand von Prigoschins Truppe nimmt Russlands Engagement etwa in Mali deutlich ab. Eine ganze Branche gerät ins Wanken. Eine Analyse der Lage.
Prigoschins GefolgeWie der Aufstand der Wagner-Gruppe auch Afrika in Aufruhr bringt
In den vergangenen Tagen hat Andrei Liakhov Dutzende Nummern in Afrika angewählt. Der Anwalt berät von London aus Militärfirmen auf dem Kontinent. Die Gruppe Wagner – die berüchtigste, aber längst nicht einzige Söldnertruppe mit Kreml-Verbindungen – gehöre nicht zu seinen Kunden. Doch auch zu ihr hat er hochrangige Kontakte.
Die Branche ist seit der abgebrochenen Wagner-Meuterei jedenfalls in Aufruhr, sagt Liakhov, der in St. Petersburg geboren wurde, seine Karriere einst in den 1980er Jahren im sowjetischen Geheimdienst begann und inzwischen britischer Staatsbürger ist. „Es gibt eine große Anspannung.“ Wegen des Bruchs von Russlands Präsident Wladimir Putin mit Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin – und den noch unklaren Folgen.
Nervosität gebe es bei den Militärfirmen in Afrika, aus Russland, aber auch aus England und Südafrika, sagt Liakhov. Und bei der Kundschaft. Zu ihr zählen verbrieft Autokraten aus Mali, Libyen, Sudan und der Zentralafrikanischen Republik. Die US-Regierung geht von der Involvierung des Wagner-Firmennetzwerkes in rund einem Dutzend weiterer Länder aus. Mal über die Absicherung von Bergbaufirmen, wie in Äquatorialguinea oder im Kongo. Mal über Desinformationskampagnen, etwa in Burkina Faso oder Simbabwe.
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Nichts ohne Putins Duldung
Es ist ein zunächst oft mehr privatwirtschaftlich als politisch motiviertes Geschäft, das ohne die Duldung durch Putin aber schon im Ansatz unmöglich wäre. In Russland sind Söldnerfirmen seit 2018 verboten, was der Kreml-Chef lange ignorierte — wegen der Einsätze in der Ukraine und in Syrien. Aber auch in Afrika erwies sich Wagner beim Ausbau von russischem Einfluss als hilfreich. Rund die Hälfte des Kontinents weigert sich bei UN-Abstimmungen, Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine zu verurteilen.
Besonders groß dürfte in diesen Tagen die Aufregung in der Zentralafrikanischen Republik sein. Dort halten rund 1000 Wagner-Söldner Präsident Faustin-Archange Touadéra im Amt. Die Regierung revanchierte sich mit dem Bruch mit der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich, Konzessionen für Gold und Diamanten – und einem Wagner-Denkmal in der Hauptstadt Bangui. Obwohl über die Hälfte der Toten bei Wagner-Einsätzen Zivilisten sind.
Diesem Beispiel sollte vor zwei Jahren Mali folgen, wo die Militärregierung den Abzug der französischen Kampftruppen forcierte und die Lücke im Anti-Terrorkampf mit knapp 1200 Wagner-Söldnern stopfte. Erst Mitte Juni forderten die Generäle dann innerhalb von drei Monaten den Abzug der UN-Mission Minusma, zu der rund 1000 Bundeswehr-Soldaten gehören – eine Reaktion auf einen UN-Bericht, der die Tötung Hunderter Zivilisten durch Wagner-Kämpfer und die malische Armee nahelegt. Zwei Tage vor der Bekanntgabe des Rausschmisses der Blauhelme hatte Junta-Chef Assimi Goïta mit Putin telefoniert, der versprach, auch diese Lücke zu füllen.
Experte: Zweifel an Wagner-Zukunft in Mali
Das war zwar vor der Wagner-Meuterei. Aber schon am Montag danach beschwichtigte Russlands Außenminister Sergej Lawrow, wohlwissend, dass die untreue Söldnertruppe lange vorzüglich für anti-westliche Propaganda taugte. Europa und Frankreich hätten Mali und die Zentralafrikanische Republik „im Stich gelassen“, die daraufhin um russische Hilfe gebeten hätten. „Diese Arbeit“, verkündete Lawrow dem auch in Afrika expandierenden Staatssender RT, „wird weitergehen.“
Doch Militärfirmen-Berater Liakhov hat Zweifel an der Wagner-Zukunft in Mali. „Finanziell ist Mali für Wagner eine gescheiterte, eine abgeschriebene Operation“, sagt er. In den ersten Monaten des Einsatzes hätten die Söldner nur in ihren Baracken gesessen, weil neben den Gehältern auch nicht die zugesagte Ausrüstung gestellt worden sei. Bis heute hapere es daran. „Ich bezweifle, dass sie je zahlen werden.“ Der Kreml hat derartige Lücken nicht geschlossen. „Uns wurde gesagt, dass Afrika gebraucht würde, und danach wurde es aufgegeben, weil das gesamte Geld, das für die Hilfe gedacht war, gestohlen wurde“, sagte Prigoschin in einer seiner Mitteilungen während der Meuterei.
Auch Ulf Laessing, der Leiter des Regionalprogrammes Sahel der Konrad-Adenauer-Stiftung, geht davon aus, dass die Ressourcen für Afrika knapp geworden sind. Zwar glaube er nach den jüngsten Verlautbarungen aus Moskau nicht, dass die Wagner-Einsätze prinzipiell infrage gestellt werden. Aber man werde womöglich nicht nur wegen der versuchten Meuterei, sondern auch aus Kostengründen einige Strukturen ändern.
Laessing zählt Mali „ganz unabhängig von den jüngsten Entwicklungen in Russland zu den Ländern, in denen Wagner die meisten Probleme hat“. Anders als etwa in der Zentralafrikanischen Republik sei Prigoschin bislang nicht der erhoffte Zugriff auf die Rohstoffe des Landes gelungen. Man müsse zudem zwischen den Geschäftsbeziehungen des russischen Verteidigungsministeriums und Wagner unterscheiden: „Russland hat rund 30 Helikopter und Flugzeuge an Mali geliefert und wird versuchen, diese wichtige Einnahmequelle weiter sprudeln zu lassen.“ Aber das sei ein Vertrag mit dem Ministerium, von dem nicht unbedingt Wagner profitiere.
Werbung um Nicht-Russen
Liakhov sagt, dass die Wagner-Strukturen in Afrika künftig wohl weniger politisch ausgerichtet sein werden. Weniger Fronteinsätze, dafür mehr klassische Arbeit privater Militärunternehmen: Ausbildung von Soldaten, Personen und Objektschutz. Und womöglich auch verstärkte Anwerbung von nicht-russischem Personal. 3000 Dollar monatlich verdienten die Wagner-Männer im Schnitt, das sei ein Drittel des Gehalts amerikanischer Söldner. Nicht zuletzt deshalb bleibe die Nachfrage nach ihren Diensten auf dem Kontinent hoch.