Rundschau-Debatte des TagesBraucht die Bundeswehr so viel mehr Geld?
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Berlin – „Unser Ziel, auch mein Ziel, ist, dass wir im Laufe dieses Jahrzehnts eine der handlungsfähigsten, schlagkräftigsten Armeen in Europa bekommen. Eine der am besten ausgerüsteten Armeen in Europa, weil das der Bedeutung Deutschlands, unserer Verantwortung in Europa entspricht“, sagte Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner am Montag im ARD-„Morgenmagazin“.
Der Satz markiert eine Zäsur, denn mit Ende des Kalten Krieges konnte Deutschland eine Friedensdividende einfahren und Rüstungsausgaben einsparen. Beim Kurswechsel stellte sich die Wehrverwaltung bislang mit überbordender Bürokratie und Ausschreibungsregeln ein ums andere mal selbst ein Bein, während die Bundeswehr ein Baukastensystem für Auslandseinsätze wie in Afghanistan und Mali wurde. Mit allein 100 Milliarden Euro Sondervermögen soll nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine nun ein neues Kapitel aufgeschlagen werden.
Ausrüstung
Der erste Schritt könnte schon binnen Tagen eine Entscheidung über die Nachfolge für die überalterten Tornado-Kampfflugzeuge sein. „Jetzt muss die F-35 her, das modernste Kampfflugzeug der Welt und von vielen unserer Partner genutzt“, sagt die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP). Allein für dieses Projekt wird wohl ein zweistelliger Milliardenbetrag fällig.
Fünf Milliarden sind für den künftigen Schweren Transporthubschrauber der Bundeswehr eingeplant, der für die schnelle Verlegung von Material und Truppen wichtig ist. Angesichts russischer Drohungen wird aber auch die Nachfolge für das Flugabwehrraketensystem Patriot bedeutsamer. Vorgesehen ist ein neues Taktisches Luftverteidigungssystem (TLVS).
Kaltstartfähigkeit
Die Bundeswehr ist bisher „planbar einsatzfähig“, wie die deutsche Militärführung selbst sagt. Mit einem zeitlichen Vorlauf werden dazu Verbände und Material für Aufgaben zusammengestellt. Davon zu unterscheiden ist die sogenannte Kaltstartfähigkeit, bei der erste Teile von Großverbänden auf einen Alarm hin binnen Stunden ausrücken und auch im hochintensiven Gefecht bestehen müssen. „Die Bundeswehr braucht mehr Kampfkraft, eine höhere Einsatzbereitschaft und eine erheblich größere Durchhaltefähigkeit.
Das heißt: Vollausstattung und „von allem mehr“, also mehr Panzer, mehr Schiffe, mehr Flugzeuge, mehr Cyberfähigkeiten und mehr Logistik“, sagt Henning Otte (CDU), Vizevorsitzender des Verteidigungsausschusses. Der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais, mahnte schon 2020, es müsse wieder die „unmittelbare Einsatzbereitschaft und Kriegstüchtigkeit“ von Großverbänden erreicht werden. An die Stelle von „Just-in-Time“ – ein gescheiterter Ansatz von Bundeswehrreformern früherer Jahre – trete „Kriegslogistik“, bei der Ersatzteile und Munition in großer Menge bevorratet werden müssten. Mais: „Betriebswirtschaftlich in höchsten Maße ineffizient, aber im militärischen Einsatz extrem effektiv.“
Finanzierung
Die 100 Milliarden Euro werden über ein Sondervermögen bereitgestellt, was den Vorteil hat, dass sie nicht im laufenden Jahr komplett ausgegeben werden müssen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat auch angekündigt, der Bund werde „von nun an – Jahr für Jahr – mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung investieren“. Was Scholz nicht sagte: Das Sondervermögen wird angerechnet, das 2-Prozent-Ziel damit quasi automatisch erreicht. Bei einer Wirtschaftsleistung von rund 3,5 Billionen Euro müssten jährlich rund 70 Milliarden für Verteidigung ausgegeben werden, um das 2-Prozent-Ziel zu erreichen. Das wären 20 bis 25 Milliarden Euro mehr als jetzt. Das Sondervermögen würde also in etwa bis zum Ende der Legislaturperiode reichen. (dpa)