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„Rechtsradikaler“ VorsitzenderWahl von Max Otte spaltet die Werteunion

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Max Otte, deutsch-amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler, aufgenommen während der ARD-Talksendung Anne Will.

Köln – Die Personalie sorgt seit dem Wochenende für Diskussionen – vor allem in konservativen Kreisen: Der Unternehmer, Buchautor und durch TV-Auftritte bekannte Wirtschaftsprofessor Max Otte ist als Nachfolger des nicht mehr angetretenen Alexander Mitsch zum Vorsitzenden der konservativen Werte-Union gewählt worden – was offenbar selbst in dem der CDU nahestehende eingetragenen Verein hoch umstritten ist.

Bayern und andere ziehen sich zurück

Mehrere Landesverbände protestierten, warnten vor einer Spaltung und forderten Otte zum Rückzug auf. In einer Erklärung aus Bayern etwa hieß es: „Mit Max Otte, der von 2018 bis 2021 im Kuratorium der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung tätig war, ist leider eine völlige politische Neuausrichtung der Werte-Union verbunden, die mit unserem wirtschaftsliberalen und wertkonservativen Gründungsmanifest nichts mehr zu tun haben wird.“ Wegen dieser Wahl hätten die bayerischen Amtsinhaber und Kandidaten beschlossen, sich für kein Amt im Bundesvorstand mehr zur Verfügung zu stellen. Die Landesverbände Baden-Württemberg, Sachsen, Rheinland-Pfalz und Sachsen Anhalt seien Bayern gefolgt, hätten ihre Kandidaten ebenfalls zurückgezogen und größtenteils die Tagung in Fulda vorzeitig verlassen. Der NRW-Landesverband hingegen unterstützte Otte.

Der sächsische Landesverband verwies auf Presseberichte, wonach sich Otte in der Vergangenheit immer wieder für Positionen und Vertreter des mittlerweile aufgelösten „Flügels“ der AfD stark gemacht habe. „Vor diesem Hintergrund sahen die sächsischen Kandidaten für weitere Positionen im Bundesvorstand keine Möglichkeit für eine zukünftige konstruktive Zusammenarbeit.“

AfD „zu 90 Prozent eine bürgerlich-konservative Partei“

Die Werteunion ist eine als Verein organisierte Gruppe konservativer Christdemokraten, die meinen, die CDU sei unter Angela Merkel zu weit nach links gerückt sei und müsse wieder konservativere Positionen vertreten. Otte, selbst CDU-Mitglied, hatte in der Vergangenheit öffentlich über seine Nähe zur AfD gesprochen. 2017 etwa sagte er der „Wirtschaftswoche“, dass er bei der Bundestagswahl AfD wähle. Überliefert ist aus demselben Interview die Äußerung, bis auf Björn Höcke sei die AfD „nicht rechtsradikal“. Die AfD sei „zu 90 Prozent eine bürgerlich-konservative Partei“.

Vor zwei Jahren hatte die Werte-Union die CDU wegen solcher Äußerungen noch aufgefordert, den Unternehmer, dessen IFVE Institut für Vermögensentwicklung, das Finanzanalysen erstellt, seinen Sitz am Kölner Gustav-Heinemann-Ufer hat, aus der Partei auszuschließen – auch weil in der CDU ein Unvereinbarkeitsbeschluss zur Zusammenarbeit mit der AfD besteht. Dazu kam es aber nicht.

CDU geht auf Abstand

Den Christdemokraten ist die Personalie offenbar auch nicht geheuer. Einen offiziellen Kommentar gab es nicht. Ein Partei-Sprecher sagte: „Die Werte-Union ist keine Gruppierung der CDU. Deshalb äußern wir uns dazu nicht.“ CDU-Chef Armin Laschet betonte laut Teilnehmern im Präsidium: „Diese Gruppierung hat mit der CDU nichts zu tun. Weder inhaltlich, noch strukturell, noch organisatorisch – oder auf irgendeine andere Art und Weise.“ Tilman Kuban, Vorsitzender der Jungen Union, schrieb, die Union müsse die konservative Wurzel stärken, aber brauche dazu keine zusätzliche Gruppierung und schon gar nicht diese. „Jetzt schafft sich die Truppe selbst ab! Die Auflösung wäre der richtige Schritt.“ Das habe mit der Union nichts mehr zu tun. Noch deutlicher wurde der Berliner CDU-Politiker Peter Mair. Er nannte Otte einen „Rechtsradikalen“. Der CDU-Vorstand solle möglichst schnell die Unvereinbarkeit einer Mitgliedschaft in Werte-Union und Partei beschließen.

Dass SPD, Grüne und FDP Ottes Wahl kritisierten, verwundert bei der Gemengelage nicht. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sprach von einem „Putsch der AfD-Treuen“. Über Glückwünsche per Twitter durfte sich Otte hingegen vom AfD-Chef Tino Chrupalla freuen.

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Der umstrittene neue WerteUnion-Chef selbst gab sich gestern vom Trubel ungerührt und selbstbewusst. In seinem Twitter-Account schrieb er: „Ich werde das Gespräch mit Armin Laschet suchen und die Unterstützung der Werteunion anbieten, wenn wir unsere Positionen im Gespräch darlegen können.“ Die Werteunion stehe für weit mehr CDU-Mitglieder als die 4000, die bei ihnen organisiert sind. „Viele Werteunion-Sympathisanten in der CDU haben Angst, sich zu outen, ich angesichts des aktuellen repressiven Meinungsklimas verstehe. Ich kenne persönlich viele Fälle.“ (sas/dpa)