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„Vernichtung“ als WahlversprechenParteifreund Erdogans droht Gegnern in Deutschland

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Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei.

Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei.

Bei einem Auftritt in Neuss hat ein Vertreter der türkischen Regierungspartei AKP türkischen Dissidenten in der Bundesrepublik mit „Vernichtung“ gedroht.

Die Türkei werde Anhänger der kurdischen PKK und des Predigers Fethullah Gülen in Deutschland und anderswo ausmerzen, sagte der AKP-Abgeordnete Mustafa Acikgöz in einer Rede. Alarmierte Deutsch-Türken schalteten daraufhin die Polizei in NRW ein. Vor den Wahlen im Mai lebt nun die Debatte über türkische Wahlkampfveranstaltungen in Deutschland wieder auf.

Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan will nach Medienberichten am 27. oder 28. Januar zu seinem ersten Deutschland-Besuch seit drei Jahren nach Berlin reisen. Die Bundesregierung wollte das auf Anfrage am Montag nicht bestätigen. Erdogan war zuletzt im Januar 2020 in Berlin, Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte ihn im vorigen März in Ankara besucht. Damals ging es vor allem um den Ukraine-Krieg, der auch diesmal das Hauptthema sein dürfte. Zudem verlangt Ankara aber von Deutschland auch die Auslieferung türkischer Dissidenten.

Beliebter als zu Hause

Vor den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in der Türkei, die laut Regierungsangaben von Juni auf Mai vorgezogen werden sollen, werben Erdogan und andere türkische Politiker auch bei den rund 1,4 Millionen türkischen Wählern in Deutschland um Unterstützung. Oppositionschef Kemal Kilicdaroglu war im Dezember in der Bundesrepublik.

Unter den Deutsch-Türken ist Erdogan beliebter als zu Hause. Bei der letzten Präsidentenwahl 2018 erhielt der Staatschef hier laut Deutscher Welle knapp 65 Prozent der Stimmen; in der Türkei waren es knapp 53 Prozent. In Deutschland leben aber auch viele Erdogan-Gegner. Einige, wie der Journalist Can Dündar, wurden von Erdogan zu Staatsfeinden erklärt. Ankara fordert die Auslieferung von Dündar sowie von mutmaßlichen Anhängern der kurdischen Terrororganisation PKK und der Gülen-Bewegung, die im amtlichen türkischen Sprachgebrauch Fetö genannt wird.

Vor sechs Jahren hatte die Bundesregierung alle Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in der Bundesrepublik verboten, weil sie befürchtete, dass innertürkische Konflikte auf deutschem Boden ausgetragen werden könnten. Die Äußerungen des AKP-Politikers Acikgöz fachen diese Befürchtung jetzt neu an. Bei einem Auftritt vor Landsleuten in Neuss sagte er unter dem Beifall der Zuhörer über PKK und Fetö: „Wir geben ihnen in der Türkei keinen Raum. Wir haben sie ausgemerzt. Mit Gottes Hilfe werden wir sie überall auf der Welt aus ihren Verstecken holen und vernichten. Darauf könnt ihr euch verlassen.“

Dass Acikgöz seine Äußerungen am vorigen Freitag auf seinem Twitter-Konto veröffentlichte, legt nahe, dass er sich der Wirkung seiner Worte in Deutschland nicht bewusst war. Hätte er dieselbe Rede in der Türkei gehalten, wäre er damit nicht aufgefallen: Solche Drohungen gegen die PKK und Gülen-Anhänger sind fester Bestandteil vieler Politiker-Reden in Ankara.

Zu Gast bei „Grauen Wölfen“

Doch in der Bundesrepublik entsetzte Acikgöz damit viele Erdogan-Kritiker. Der Essener Politologe Burak Copur warf ihm Volksverhetzung und Anstiftung zu Straftaten vor. Nach seinen Angaben sprach der AKP-Politiker in einem Neusser Vereinsheim der rechtsextremistischen „Grauen Wölfe“. Die Gruppe untersteht der rechtsnationalistischen türkischen Partei MHP, einer Bündnispartnerin von Erdogan. Copur fordert ein Verbot der „Grauen Wölfe“ in Deutschland.

Der SPD-Politiker Macit Karaahmetoglu sagte unserer Redaktion, „den nationalistischen, aggressiven Ton und das Hochhalten von Feindbildern“ in der Rede von Acikgöz kenne man aus früheren Wahlkämpfen. Rechtlich spreche zwar grundsätzlich nichts gegen Wahlkampfauftritte türkischer Politiker. Allerdings befürchte er, dass deren Rhetorik bis zu den Wahlen noch schärfer werde: „Wenn Oppositionelle in Deutschland eingeschüchtert oder gar bedroht und angegriffen werden, ist das nicht hinzunehmen.“

Karaahmetoglu sieht im Wahlkampfeinsatz von Acikgöz ein indirektes Eingeständnis der Schwäche von Erdogan. „Erdogan geht auf dem Zahnfleisch, ihm droht der Machtverlust“, sagte der SPD-Politiker. „Die zunehmende Entsendung von AKP-Rednern nach Deutschland zeigt, wie sehr er um jede Stimme kämpfen muss.“