Die Ukraine hat am Wochenende erstmals nordkoreanischen Kämpfer in Kursk gefangen genommen. Nun werden weitere Details bekannt.
Suizid-Befehl, nicht informiert„Von Russland benutzt“ – Befragungsvideo von Nordkoreaner veröffentlicht
Seit Monaten versucht Russland, die ukrainische Armee aus dem eigenen Grenzgebiet in Kursk zu vertreiben. Die Ukraine war dort im August 2024 überraschend einmarschiert – und kontrolliert seitdem einige Gebiete in der Region. Zwar konnten die russischen Truppen zuletzt einige Geländegewinne verzeichnen, eine komplette Rückeroberung von Kursk gelingt bisher jedoch nicht. Seit einigen Wochen bringt Moskau deshalb auch nordkoreanische Soldaten in der Region zum Einsatz.
Rund 10.000 Kämpfer aus Nordkorea soll Diktator Kim Jong Un laut westlichen Schätzungen nach Russland entsandt haben. Nachdem es in den letzten Wochen bereits erste Berichte über heftige Verluste in den Reihen von Kims Kämpfern gegeben hatte, meldete Kiew am vergangenen Wochenende die erstmalige Gefangennahme von zwei Soldaten aus Nordkorea. In Befragungen der beiden Kriegsgefangenen kommen nun immer mehr Details über die Einsatzbedingungen der Nordkoreaner ans Licht.
Nordkoreaner gefangen: Ukraine veröffentlicht Befragungsvideo
Einer der Soldaten glaubte nach Angaben der Geheimdienste Südkoreas und der Ukraine, nur zu einer Übung nach Russland entsandt zu werden. Erst bei seiner Ankunft habe er gemerkt, dass er in den Kampfeinsatz geschickt werde. Dem ukrainischen Geheimdienst SBU zufolge sprechen die beiden Gefangenen weder Russisch noch Ukrainisch, ihre Befragung laufe mithilfe koreanischer Dolmetscher.
Ein Foto zeigte einen der Gefangenen mit einem russischen Armeeausweis, der auf einen 26-Jährigen aus der russischen Region Tuwa nahe der Grenze zur Mongolei ausgestellt war. Berichten zufolge stattet die russische Armee nordkoreanische Soldaten mit gefälschten Papieren aus, um ihre Identität zu verschleiern. Dem SBU zufolge sagte einer der Gefangenen, der russische Armeeausweis sei ihm im Herbst übergeben worden, als er nach eigener Überzeugung zu einer einwöchigen Übung mit russischen Einheiten nach Russland gekommen sei.
Nordkoreaner: „Ich war für drei, vier oder fünf Tage auf mich gestellt“
In einem am Montag von Kiew veröffentlichten Video erklärt einer der Gefangenen zudem, er könnte sich nicht erinnern, auf wen sein Ausweis ausgestellt worden war. „Aber es war nicht mein Name“, fügte er an. Der Mann schilderte zudem seine Erinnerungen an seine Gefangennahme. „Es gab ein Gefecht und dann einen Rückzug“, sagte der Nordkoreaner laut ukrainischen Angaben. „Ich war für drei, vier oder fünf Tage auf mich gestellt, dann haben mich die ukrainischen Truppen gefunden und haben mich hierher gebracht“, erklärte der Kriegsgefangene, der in dem Video in einem Bett liegt und befragt wird.
Einer der Männer sagte zudem aus, er sei im Jahr 2005 geboren und seit 2021 als Grenadier in der nordkoreanischen Armee. Er habe geglaubt, „zum Training“ nach Russland geschickt zu werden, „und nicht, um Krieg gegen die Ukraine zu führen“. Entsprechende Angaben machte auch der südkoreanische Geheimdienst NIS. Der gefangen genommene Soldat räumte demnach zudem ein, dass die nordkoreanischen Soldaten in Russland „erhebliche Verluste erlitten“ hätten.
Kiew: „Die Welt wird die ganze Wahrheit darüber erfahren“
Selenskyj beschuldigte am Wochenende erneut russische Soldaten und die nordkoreanischen Kameraden von verwundeten Nordkoreanern, diese zu „erledigen“, damit deren Beteiligung am Krieg gegen die Ukraine nicht nachgewiesen werden könne. Der ukrainische Präsident kündigte an, Journalisten Zugang zu den Kriegsgefangenen zu gewähren. Die Welt müsse „wissen, was passiert“, so Selenskyj, der entsprechende Vorwürfe bereits zuvor erhoben hatte.
„Die Welt wird die ganze Wahrheit darüber erfahren, wie Russland solche Typen ausnutzt, die in einem völligen Informationsvakuum aufgewachsen sind, überhaupt keine Ahnung von der Ukraine haben und die von Russland nur dazu benutzt werden, diesen Krieg zu verlängern und zu eskalieren“, schrieb Selenskyj schließlich auch am Montag noch einmal auf der Plattform X. „Wir ermitteln die Fakten. Wir überprüfen alle Einzelheiten“, kündigte der Präsident zudem an.
Nordkoreaner in Kursk: Hohe Verluste und Suizid-Befehle
Laut Angaben südkoreanischer Dienste sind bisher rund 300 Nordkoreaner in Kursk getötet worden. Weder Pjöngjang noch Moskau haben den Einsatz der nordkoreanischen Truppen bisher bestätigt.
Der südkoreanische Abgeordnete Lee Seong Kweun berichtete unterdessen unter Berufung auf Geheimdienstinformationen, die nordkoreanischen Soldaten hätten den Befehl bekommen, bei einer drohenden Gefangennahme Suizid zu begehen. Darauf deuteten Notizen hin, die bei toten Soldaten entdeckt worden seien. Die nordkoreanischen Behörden hätten sie unter Druck gesetzt, „Suizid zu begehen oder sich selbst in die Luft zu sprengen, bevor sie gefangen genommen werden“, sagte Lee.
Ungeübte Truppen: Nordkoreaner laut ukrainischer Armee „perfekte Ziele“
Die Geheimdienstanalyse habe zudem ergeben, dass die nordkoreanischen Soldaten unzureichend in „moderner Kriegsführung“ geschult seien. Sie würden von Russland in einer Weise eingesetzt, die „zu einer hohen Zahl von Opfern führt“, sagte Lee. Südkorea und die USA hatte bereits zuvor erklärt, dass die nordkoreanischen Soldaten offenbar als „Kanonenfutter“ an die Front geschickt worden seien.
Auch ukrainische Soldaten, die über die ersten Gefechte mit Nordkoreanern in Kursk berichtet hatten, beschrieben das Verhalten der Soldaten aus Fernost als unprofessionell. „Sie sind perfekte Ziele für unsere Artillerie und Drohnen. Die Russen verhalten sich nicht so“, sagte ein ukrainischer Kommandeur der Nachrichtenagentur Unian.