Moskaus Wahleinmischungen nehmen rapide zu. Dmitri Medwedew beleidigt den CDU-Chef. Kurz darauf kursieren Fake News im Internet.
Nach Interview des CDU-ChefsMoskau geht auf Merz los – und droht mit „gefährlichster Phase“ im Krieg
Moskau intensiviert wie bereits in den letzten Tagen die Einmischung in den deutschen Wahlkampf: Ex-Präsident Dmitri Medwedew hat nun dem Unionskanzlerkandidaten Friedrich Merz unterstellt, mit einer Aussage über die Lieferung von Taurus-Marschflugkörper die Lage in der Ukraine zu eskalieren. „Es ist klar, dass diese Raketen nicht in der Lage sind, den Kampfverlauf wesentlich zu ändern“, schrieb der in Moskau immer noch einflussreiche Vizechef des nationalen Sicherheitsrates bei Telegram.
Das Risiko, dass der Konflikt in eine äußerst „gefährliche Phase“ eintrete, werde durch Schläge mit Marschflugkörpern vielfach erhöht, warnte der Moskauer Lautsprecher. Seit Kriegsbeginn hat sich Medwedew immer wieder mit wüsten Drohungen hervorgetan und dabei auch Atomschläge gegen den Westen ins Spiel gebracht.
Medwedew attackiert Merz: „Aufgeblasenes Selbstwertgefühl“
Das Ziel Europas sei es, den Konflikt mit Russland „in eine unumkehrbare Phase“ zu bringen, behauptete Medwedew nun. Es sei erstaunlich, in welchem Ausmaß die derzeitigen europäischen Politiker „den Krieg auf ihr Territorium ziehen wollen“, drohte der Sicherheitsratsvize indirekt mit der Ausdehnung von Russlands Krieg. Merz und weitere EU-Politiker beleidigte er als „Abschaum mit aufgeblasenem Selbstwertgefühl“.
Merz hatte zuletzt zur Lieferung von Taurus an die Ukraine dem „Stern“ gesagt, er halte das offen. In dem am Sonntag veröffentlichten Interview sagte er, er habe den Vorschlag gemacht, „der Regierung in Kiew das Recht zu geben, zu sagen: Wenn das Bombardement auf die Zivilbevölkerung nicht innerhalb von 24 Stunden aufhört, werden die Reichweitenbegrenzungen der vorhandenen Waffen gemeinschaftlich aufgehoben. Falls das nicht ausreicht, wird eine Woche später der Taurus geliefert.“
Ampel-Aus, Steinmeier, Merz: Moskau mischt im Wahlkampf mit
Damit habe Merz „ein Ultimatum an Russland gestellt“, erklärte Medwedew und sprach davon, dass Merz und andere europäische Politiker „zur Freude der Amerikaner und gegen den Willen ihrer eigenen Völker“ handeln würden. „Die erfahrenen und einfach klugen Führer Europas sind Geschichte“, befand der Ex-Präsident.
Auch diese Äußerungen können als Einmischung in den Wahlkampf betrachtet werden. Bereits vor der Europawahl hatten Experten davor gewarnt, dass Moskau das Ziel verfolge, die Parteien an den politischen Rändern in Deutschland zu stärken und die gesellschaftliche Spaltung so zu befeuern.
Putin auf der Suche nach „genehmen politischen Akteuren“
Der Kreml wollte die Bundesregierung zu Fall bringen und durch eine „antiliberale, möglichst leicht korrumpierbare Regierung“ ersetzen, warnte der Historiker Matthäus Wehowski. Russland führe auf unterschiedlichen Ebenen einen hybriden Krieg gegen den Westen, erklärte auch der Politologe Thomas Jäger. „Eine ist es, genehme politische Akteure zu finden“, dazu gehörten in Deutschland das BSW und die AfD, warnte der Kölner Professor für internationale Politik.
Die Narrative der beiden populistischen Parteien in Deutschland ähneln tatsächlich oft denen aus Moskau, von wo aus sie augenscheinlich bewusst befeuert werden. So hatte Sahra Wagenknecht Olaf Scholz bereits als „Vasallenkanzler“ bezeichnet, der abhängig von Washington sei. Auch der Kreml lässt keine Gelegenheit aus, von einer vollständigen Abhängigkeit Deutschlands von den USA zu fabulieren.
Russland kommentiert oft die Lage in Deutschland
Der Erzählung, dass Politiker gegen den Willen des Volkes handeln würden, bedienen sich unterdessen alle populistischen Parteien – meist ungeachtet der Datenlage. Aktuellen Umfragen zufolge unterstützt eine Mehrheit der deutschen Bürger nach wie vor die militärische Unterstützung der Ukraine.
Die Äußerungen Medwedews folgen derweil auf eine ganze Reihe russischer Wortmeldung zur Lage in Deutschland. Seit dem Aus für die Bundesregierung nach der Entlassung von Finanzminister Christian Lindner in der vergangenen Woche meldete sich Moskau immer häufiger zu Wort, vor allem in Person von Maria Sacharowa.
Moskau nennt Deutschland eine „Bananenrepublik“
Die Sprecherin des russischen Außenministeriums bezeichnete Deutschland zuletzt als „Bananenrepublik“ und ließ sich mit schrillen Tönen zu Berichten über einen Wutausbruch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und einem in Moskau ungeliebten ARD-Sportjournalisten aus. Zuvor hatte Sacharowa bereits Außenministerin Annalena Baerbock attackiert.
Die Signale aus Moskau scheinen klar. Wie bereits bei den US-Wahlen, wo die Behörden dem Kreml von Desinformationskampagnen in sozialen Netzwerken bis zu Bombendrohungen diverse Einflussversuche vorwerfen, dürften sich in den etwas mehr als 100 Tagen bis zur Bundestagswahl am 23. Februar die Störfeuer aus Moskau weiter intensivieren.
Fake News über Merz in den sozialen Netzwerken
Bereits kurz nach der Frontalattacke auf Merz verbreiteten einige zweifelhafte Accounts im sozialen Netzwerk X die schrillen Worte Medwedews und verwiesen dabei auf noch zweifelhaftere Webseiten.
Merz‘ Äußerungen wurden dabei oftmals für Fake News benutzt. Der CDU-Chef habe „Krieg mit Russland zum Wahlversprechen gemacht“ oder wolle „Deutschland in den Krieg treiben“, hieß es dort also. Es dürften nicht die letzten auf Moskau befeuerten Lügen im Wahlkampf gewesen sein. (mit dpa)