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„Kleiner Schritt zu Remigration“Merz fordert Ausbürgerung von Straftätern – Kritik an „Dammbruch“ wird laut

Lesezeit 4 Minuten
Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) fordert die Möglichkeit der Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft bei Straftätern.

Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) fordert die Möglichkeit der Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft bei Straftätern.

Merz fordert mehr Möglichkeiten, „wenn wir erkennen, dass wir bei straffällig werdenden Personen einen Fehler gemacht haben“.

Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) will bei einem Wahlsieg wieder für höhere Hürden bei der Einbürgerung sorgen – und hat die Möglichkeit der Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft bei Straftätern gefordert. Für den Vorstoß bekommt der Kanzlerkandidat der Union scharfe Kritik. Die von der Ampel-Regierung beschlossenen Erleichterungen schafften „einfach zu viele Probleme in Deutschland, und deshalb müssen wir das sehr schnell wieder ändern“, hatte Merz im Interview der „Welt am Sonntag“ gesagt.

Im vergangenen Sommer war die von der Ampel-Koalition beschlossene Änderung im Staatsangehörigkeitsrecht in Kraft getreten. Demnach ist eine Einbürgerung nun schon nach fünf, in Fällen von besonders guter Integrationsleistung sogar schon nach drei Jahren möglich. Zuvor lag die Grenze noch bei acht Jahren. Gleichzeitig wurden die Möglichkeiten für eine doppelte Staatsbürgerschaft deutlich ausgeweitet.

Friedrich Merz: „Aberkennung der Staatsbürgerschaft müsste möglich sein“

Merz forderte im Interview, dass die doppelte Staatsbürgerschaft in Deutschland immer eine Ausnahme von der Regel bleiben sollte. „Wir holen uns damit zusätzliche Probleme ins Land. Es müsste wenigstens auf der gleichen Ebene eine Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft möglich sein, wenn wir erkennen, dass wir bei straffällig werdenden Personen einen Fehler gemacht haben“, so der Unions-Vorsitzende.

Merz plädierte zudem erneut für härtere Regeln in der Migrationspolitik. „Wir sehen immer deutlicher, dass wir mit der großen Zahl der zu uns kommenden, oftmals gar nicht schutzbedürftigen Menschen in Deutschland einfach nicht mehr zurechtkommen.“ Dazu müssten Zurückweisungen bei der versuchten Einreise an der Grenze sowie Ausweisungen bei Straffälligkeit von Migranten erleichtert werden, erklärte der CDU-Chef.

SPD: „Friedrich Merz spielt bewusst mit dem rechtspopulistischen Feuer“

Dazu brauche es auch einen engeren Datenaustausch der Sicherheitsbehörden mit den Ausländerbehörden und dem Bundesamt für Migration, damit Gefahren schnell und umfassend erkannt werden könnten. „Und um Anschläge oder weitere Straftaten zu vermeiden, müssen ausländische Straftäter spätestens nach der zweiten Straftat ausgewiesen werden“, forderte Merz.

Aus der SPD kommt nun harte Kritik am CDU-Chef. „Friedrich Merz spielt bewusst mit dem rechtspopulistischen Feuer und ist als Kanzler aller Deutschen nicht geeignet“, sagte SPD-Chefin Saskia Esken dem „Stern“ mit Blick auf Merz Aussagen. Seine Forderung, Eingebürgerten unter Umständen die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen, mache aus diesen Menschen „Bürger zweiter Klasse“, kritisierte Esken: „Menschen, deren ‚Deutschsein‘ er offenbar unter Vorbehalt sieht.“

Die SPD-Vorsitzende ergänzte: „Friedrich Merz bricht mit dem, was uns als Gesellschaft zusammenhält.“ Der Unionskandidat schüre so Misstrauen gegen alle Menschen mit Migrationshintergrund, so Esken. „Dieser populistische und spaltende Aktionismus erzeugt Misstrauen gegen alles Fremde und führt zu großer Verunsicherung in der migrantischen Community“, so die SPD-Parteichefin. „Für Merz sind sie ‚Deutsche auf Bewährung‘.“

Scharfe Kritik an Merz-Vorstoß von SPD und Grünen

Auch Kassem Taher Saleh, Bundestagsabgeordneter der Grünen, kritisierte Merz’ Forderung: „Friedrich Merz will migrantischen Mitbürgern die Staatsbürgerschaft entziehen können. Für ihn sind wir lebenslang Deutsche auf Bewährung“, schrieb Saleh am Sonntag auf der Plattform X. „Unsere Gesellschaft wird Jahrzehnte brauchen, die Gräben, die Herr Merz gräbt, wieder zuzuschütten“, fügte der Grünen-Politiker an.

Auch abseits der politischen Arena wurde scharfe Kritik an Merz laut. So sprach der Ökonom Marcel Fratscher angesichs von Merz’ Vorstoß von einem „Dammbruch, der unsere offene Gesellschaft weiter aushöhlt und die Polarisierung weiter verschärft.“ Die Pläne würden zu einer „Zweiklassengesellschaft bei der Staatsbürgerschaft“ führen, führte Fratscher aus. „Die Kritiker dieser Aussage haben nicht unrecht, dass es nur ein kleiner Schritt von der Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft hin zu Remigration ist.“

Merz will Ausbürgerungen möglich machen: Ökonom sieht „Dammbruch“

Merz wurde in der Vergangenheit bereits vorgeworfen, Forderungen der AfD zu übernehmen. Um „Remigrations“-Pläne der AfD hatte es vor rund einem Jahr großen Wirbel in Deutschland gegeben, nachdem „Correctiv“ über ein Geheimtreffen berichtet hatte, bei dem über die Pläne gesprochen worden war.

TV-Moderator Micky Beisenherz schaltete sich ebenfalls in die Debatte in den sozialen Netzwerken ein. „Wenn man sich mit Menschen mit Migrationsgeschichte unterhält, dann wird einem zumindest ansatzweise klar, was Staatsbürgerschaft auf Abruf für eine Bürde ist“, schrieb der Moderator der WDR-Sendung „Kölner Treff“ bei X. Der Vorstoß sei eine „ganz dünne Decke beim sicherheitspolitischen Eistanz“. (mit kna)