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Landtagswahl NRWSo denkt Joachim Stamp über Atomkraft, Ukraine-Krieg und Coronatests

Lesezeit 4 Minuten

Angesichts der vielen Herausforderungen sieht Joachim Stamp NRW gut aufgestellt. (Archivfoto)

Die Folgen des Krieges in der Ukraine haben längst auch NRW erreicht. Sie wirken sich zudem maßgeblich auf den Landtagswahlkampf im Land aus. Der stellvertretende Ministerpräsident und Spitzenkandidat der FDP, Joachim Stamp, hat im Gespräch mit Andreas Tyrock zu den einigen Punkten und zum Wahlkampf Stellung bezogen.

Waffenlieferungen an die Ukraine: „Bei allem, was wir tun, ist wichtig, dass wir selbst nicht Kriegspartei werden, dass wir unsere Wehrhaftigkeit erhalten und dass wir in enger Abstimmung mit unseren Partnern agieren.“ Deutschland müsse alles tun, was der Ukraine konkret hilft, die Ost-Offensive Putins abzuwehren. „Dazu gehört dann auch schweres Gerät. Welche exakten Waffen das sind, müssen Militärexperten entscheiden.“

Flüchtlingslage in NRW: „Wenn wir mit Warmherzigkeit, mit Herzlichkeit, mit Solidarität weiterhin diesen Menschen Schutz gewähren, tragen wir unseren Teil dazu bei, uns gegen Putins Aggression zu wehren.“ Das Land habe aktuell noch einen Puffer von 10000 Erstaufnahmeplätzen, um eine mögliche weitere Flüchtlingswelle auffangen zu können. Man müsse sich dem Eventualfall widmen, „dass bei einem Flächenbombardement der Westukraine einfach noch einmal eine ganz, ganz große Zahl kommen könnte“.

Integration von Ukrainern: Viele Ukrainer wollten zwar so schnell wie möglich zurück in ihre Heimat, wegen der Unwägbarkeiten des Krieges müsse NRW jedoch eine längerfristige Versorgungs- und Integrationsstrategie haben. „Ich sage bei jeder Gelegenheit, wenn ich mit den Vertriebenen spreche, dass sie keine Angst haben müssen, dass wir sie wieder wegschicken.“ Stamp sprach von einer „enormen Herausforderung“, Tausende zusätzliche Kinder in den NRW-Schulen zu integrieren. „Auch dass wir ermöglichen, dass die ukrainischen Kinder, die das möchten, weiterhin online dem ukrainischen Unterricht folgen können, aber gleichzeitig auch die Möglichkeit bekommen, hier schnell Deutsch zu lernen.“

Atomkraftwerke als mögliche „Überbrückung für einige Jahre“

Energiepolitik: Der Kohleausstieg 2030 bleibe das klare Ziel, aber auf dem Weg dorthin sei „manches zu strecken“. Man müsse ernsthaft prüfen, ob die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland „noch als Überbrückung für einige Jahre weiterlaufen können“. Er wisse, dass das bei den Grünen schwer vermittelbar wäre, „aber in der jetzigen Situation muss man an der einen oder anderen Stelle da auch über seinen Schatten springen“, stellte Stamp klar.

Wahlziele und Koalitionsoptionen

Obwohl die NRW-FDP seit Monaten in Umfragen nur noch bei acht Prozent dümpelt, sagte Stamp: „Unser Ziel bleibt es, zweistellig zu werden.“ Stamp würde am liebsten mit der CDU weiterregieren, doch dafür ist keine Mehrheit in Sicht.

Zweitliebste Option: Die Grünen als Reserverad könnten Schwarz-Gelb in Form einer Jamaika-Koalition an der Macht halten. „Wenn wir einen dritten Partner brauchen, dann werden wir uns mit dem ernsthaft und sehr fair an einen Tisch setzen“, sagte Stamp. Auch ein Ampel-Bündnis wie im Bund schloss er nicht aus: „Entscheidend bleibt, dass wir als marktwirtschaftliche, wachstumsorientierte Partei erkennbar sind.“

Die NRW-FDP sei frei von Berliner Einflüssen bei der Partnerwahl, wie Stamp betonte. Alle demokratischen Parteien müssten seinen Worten zufolge miteinander koalitionsfähig sein.

Vorwürfe im Wahlkampf: Stamp distanzierte sich von der Aggressivität, mit der zurzeit CDU und SPD über die Russland-Politik und die Mallorca-Party mehrerer Regierungsmitglieder im Flutsommer des Jahres 2021 streiten. „Ich finde es völlig unverantwortlich von unseren politischen Mitbewerbern, dass sich momentan nur gegenseitig mit Dreck beworfen wird.“ Dies werde den gegenwärtigen Herausforderungen Nordrhein-Westfalens nicht gerecht, kritisierte Stamp.

Testpflicht in Schulen: Stamp verteidigte die Entscheidung der NRW-Landesregierung, nach den Osterferien die Kinder nicht mehr in den Schulen testen zu lassen. Der Expertenrat der Ampel-Bundesregierung habe darauf hingewiesen, dass anlasslose Corona-Tests bei der Omikron-Virusvariante „nichts mehr bringen“, sagte Stamp. Für einen möglichen nächsten Corona-Herbst bereite das Land NRW aber gerade vor, sich am internationalen Markt wieder ausreichende Testkapazitäten für die Schulen zu sichern.

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Die teilweise umstrittene NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) nahm Stamp hingegen in Schutz und verwies auf Erfolge der Ministerin, wie die Abschaffung des Turbo-Abiturs, das Ende des Experiments „Schreiben nach Hören“, die Einführung des Fachs Wirtschaft und die Etablierung von besonders ausgestatteten „Talentschulen“. In der Corona-Krise sei Gebauer immer wieder von Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz getrieben worden. „Und wir hatten die Torte im Gesicht, weil wir die Dinge so kurzfristig umstellen mussten.“