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Kommentar zur Wahl in ThüringenEin politisches Erdbeben, kühl kalkuliert

Lesezeit 2 Minuten
Kemmerich

Thomas Kemmerich, Thüringens neu gewählter Ministerpräsident, gibt ein Statement im Landtag.

Ministerpräsident mit 5,005 Prozent! Das hat es in der Geschichte der Bundesrepublik so noch nicht gegeben. Thomas Kemmerich ist neuer Regierungschef in Thüringen. Diese Wahl ist ebenso ein Paukenschlag wie eine Erschütterung für das demokratische Parteiensystem. Ein politisches Erdbeben, kühl kalkuliert im Hinterzimmer. Mit dem FDP-Landesvorsitzenden Kemmerich wird jemand Ministerpräsident, den die Wählerinnen und Wähler für dieses Amt bei der Landtagswahl im Oktober 2019 nicht auf dem Zettel haben konnten. Der Wählerwille ist auf den Kopf gestellt.

Thüringen in einer tiefen Krise

CDU, FDP und AfD in Thüringen mögen sich auf die Schenkel klopfen, weil ihnen ein politischer Coup gelungen ist. Tatsächlich aber hat die AfD ihr Machtspiel gewonnen und dabei CDU und FDP ausgetrickst. Null Stimmen für den AfD-Kandidaten im dritten Wahlgang und alles auf FDP-Mann Kemmerich gesetzt. Der klare Sieger der Landtagswahl 2019, Bodo Ramelow, dessen Links-Partei mit 31,0 Prozent mit Abstand stärkste Kraft war, wurde eiskalt aus dem Amt des Ministerpräsidenten katapultiert. Jetzt ist Thüringen in der tiefen Krise.

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Kemmerich startet mit einer schweren Hypothek: Er ist auch mit den Stimmen des besonders rechten Flügels der AfD um deren Frontmann Björn Höcke gewählt. Und: Der FDP-Politiker weiß im Moment noch nicht, mit welcher Mehrheit er regieren wird oder kann. Die Landes-CDU müsste sich über einen geltenden Unvereinbarkeits-Beschluss der Bundes-CDU und eines CDU-Bundesparteitages hinwegsetzen, würde sie eine Koalition mit der rechten AfD eingehen. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer schickte nach der Wahl ein unmissverständliches Signal an die Landes-CDU und ihren Vorsitzenden Mike Mohring: Bis hierhin und nicht weiter! Die Volte der Thüringer CDU sei gewissermaßen ein Alleingang gewesen - gegen den Willen und die Empfehlungen der Bundespartei. Dann lieber Neuwahlen.

AFDP DEmo

Berlin: Menschen demonstrieren vor der Bundesgeschäftsstelle der FDP, u.a. mit Plakaten "AFDP" gegen das Verhalten der FDP bei der Wahl von Thomas L. Kemmerich, 

Sieg hat einen hohen Preis

Nach dieser Wahl sind die Lager in Thüringen jedenfalls klar aufgestellt. SPD und Grüne werden sich nach diesem Putsch kaum dafür hergeben, eine Mehrheit für Ministerpräsident Kemmerich zu sichern, auch nicht bei einzelnen Regierungsprojekten, die sonst überparteilich unstrittig wären. Dieser Sieg hat einen hohen Preis. Die FDP ist die erste Partei, die einen Ministerpräsidenten mit Hilfe der AfD ins Amt bringt. Das ist ein Tabubruch und eine historische Last. CDU, FDP und AfD haben es zwar geschafft, eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung in Thüringen zu verhindern, wohl wahr. Doch nun regieren im Freistaat Chaos und Ratlosigkeit. Keine gute Alternative für Deutschland.