Kommentar zum Ukraine-KriegPutins „Teilmobilmachung“ zeugt von Ratlosigkeit
Köln – Ist dies schon Wahnsinn, so hat es doch Methode: Wladimir Putins Verhalten mag von Cäsarenwahn zeugen oder, wie Bundeskanzler Olaf Scholz meint, von purer Verzweiflung, jedenfalls zeigt es keine Spur mehr von rationalem – und sei es auch verbrecherisch rationalem – Kalkül. Dafür verbaut sich Putin methodisch jeden Ausweg aus einer Lage, in der es für ihn ohnehin nur schlechte Optionen gibt. Denn nach der Annexion wird es nicht mehr möglich sein, selbst begrenzte Truppenabzüge etwa als Umgruppierung oder Gesten guten Willens zu kaschieren.
Was genau will Putin eigentlich? Welche Gebiete will er annektieren? Solche, die Russland noch gar nicht kontrolliert? Andere wie den Raum Cherson, die militärisch nicht zu halten sind? Seine Truppen versagen spektakulär. Will er als Herrscher in die Geschichte eingehen, dessen Soldaten angeblich heiligen russischen Boden schmachvoll räumen mussten?
„Teilmobilmachung“ zeugt von Ratlosigkeit
Natürlich, sobald Putin umkämpftes Territorium als Teil des „Mutterlandes“ definiert, stehen ihm nach russischem Recht und russischer Militärdoktrin neue Möglichkeiten zu Gebote – vom erzwungenen Kriegsdienst bis zur nuklearen Drohung. Tatsächlich aber zeugt seine „Teilmobilmachung“ von Ratlosigkeit: Die Begrenzung auf 300 000 Leute erlaubt es, die Jugend in Moskau und St. Petersburg zu verschonen, aber sie reicht im für Putin besten Fall gerade, die Kriegsverluste auszugleichen und erschöpfte Truppen auszuwechseln – durch kaum trainierte, kaum motivierte Soldaten.
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Die Mehrheit der Russen ist für den Krieg, will aber nicht in diesem Krieg sterben: Das wird Putin auch jetzt merken. Und die Atombombe? Ein Atomschlag gegen eine ukrainische Stadt wäre ein neues ungeheuerliches Verbrechen, würde den Kampfeswillen der Ukrainer aber kaum brechen, während sich Staaten wie Südafrika oder Indien abwenden würden. Nur in der westlichen Öffentlichkeit imponiert es so manchem, wenn Putin den Irren mit der Atombombe markiert. Prompt redet die AfD den Dritten Weltkrieg herbei.
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Scholz desavouiert
Den deutschen Kanzler Scholz, der sich noch kürzlich auf ein Gespräch mit ihm einließ, hat Putin durch seine Eskalationsstrategie erneut desavouiert. Umso deutlicher sollte der Westen zeigen, dass er sich nicht einschüchtern lässt. Mit der Erklärung seiner Kriegsbeute zu Teilen des „Mutterlandes“ hat Putin jede Verhandlungsoption vom Tisch genommen. Also bleibt nur die militärische Lösung. Deutschland will ja nur abgestimmt mit seinen Partnern handeln. Dann sollte sich Scholz aktiv für die Lieferung westlicher Panzer einsetzen, anstatt zu bremsen – dies hat ihm Putin ohnehin schlecht gedankt.