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Kommentar zum Ukraine-KonfliktPutin stellt westliche Politiker reihenweise bloß

Lesezeit 2 Minuten
Putin in Pose

Wladimir Putin, Präsident von Russland 

Köln – Wladimir Putin testet den Westen. Mit seiner Entscheidung, die ostukrainischen „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk anzuerkennen und russische Truppen dorthin zu schicken, stellt er westliche Politiker reihenweise bloß: Emmanuel Macron, dem er Gespräche über eine Waffenruhe in Aussicht stellte, Joe Biden, der sich mit ihm treffen wollte, Olaf Scholz, der ihn noch am Montagabend umstimmen wollte. Und den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij, der wochenlang Kriegswarnungen für unbegründet erklärte. Da die Nato überdies keine Staaten aufnimmt, die Konflikte mit ihren Nachbarn haben, ist auch dieses Thema vom Tisch – so weit es nicht schon durch die Annexion der Krim erledigt war.

Was Putin am Montag unternommen hat, ist allerdings immer noch eine begrenzte Provokation: verdeckte Aggression wird durch offene abgelöst. Es sind noch viele weitere Schritte möglich, von der Annexion der Gebiete über weitere begrenzte Militäraktionen bis zum Großangriff. Putins Rede, mit der er den Einmarsch in der Ostukraine begründete, liefert das ideologische Fundament für jede gewünschte Eskalation. Die Anerkennung der Separatistengebiete samt Lügengeschichten über einen angeblichen Genozid könnte man noch als Retourkutsche für den Kosovo-Krieg und die westlich gestützte Unabhängigkeit der einst serbischen Provinz verstehen. Aber Putin geht viel weiter und stellt das Existenzrecht der Ukraine komplett in Frage. Er behält sich die Vernichtung eines ganzen Staates vor.

Das ist eine radikale Absage an alle völkerrechtlichen Normen. Mit Putins Argumentation könnte jeder Staat beliebige Kriege rechtfertigen. Viele Territorien haben im Laufe der Geschichte ihre staatliche Zugehörigkeit gewechselt. Und wenn man an die Träume vom Osmanenreich denkt, die der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan propagiert, dann kann man sich ausmalen, was geschähe, wenn Putins Beispiel Schule machen würde.

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Umso wichtiger ist eine entschiedene Reaktion. Sanktionen sind erforderlich, die Russland an seiner empfindlichsten Stelle – im Rohstoffgeschäft – treffen und dennoch so bemessen sind, dass noch weitere Eskalationsstufen für den Fall bleiben, dass Putin weiter provoziert. Mittelfristig müssen Staaten wie Deutschland und Österreich alles daran setzen, ihre Abhängigkeit von russischem Gas zu reduzieren. Und wir müssen auch in Deutschland wieder über Rüstung reden und die Debatten über das Zwei-Prozent-Ziel der Nato beenden. Glaubwürdige gemeinsame Verteidigungsanstrengungen dürften Putin mehr imponieren als manche kurzfristige Strafmaßnahme.

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