Kommentar zum ProzessWie Verantwortliche den Missbrauchsfall verschluderten
Er habe die Welt nicht mehr verstanden: So hat der heutige Hamburger Erzbischof Stefan Heße vor dem Kölner Amtsgericht jenen Tag geschildert, an dem ihm bekannt wurde, dass die Staatsanwaltschaft Köln ihre Ermittlungen gegen den Pfarrer und mutmaßlichen Missbrauchtäter Hans Bernhard U. eingestellt hatte.
Die Welt nicht verstehen werden auch viele Menschen, die den Prozess gegen U. verfolgen oder sich im Gutachten des Kölner Strafrechtlers Björn Gercke informiert haben: Auch dem sozialen Dienst der NRW-Justiz ist 2010 klar, dass die Opfer nur unter Druck ihrer Familie eine Wiederholung ihrer Aussage gegen U. ablehnen. Diese Einschätzung und Hinweise einer Opferanwältin sind dem Personalchef Heße bekannt. Trotzdem wird U. am Ende ohne jede Auflage wieder eingesetzt, die Glaubenskongregation wird vorschriftswidrig nicht informiert. So verschludern die Verantwortlichen den Fall, und nach heutigen Erkenntnissen der Ermittler findet U. weitere Opfer.
Entschlossen und schnell habe man gehandelt, sagt Heße, aber am Ende stand das Gegenteil.Entschlossenheit zeigte das Erzbistum erst viel später, unter neuer Führung. Wenn der aus anderen Gründen viel gescholtene Kardinal Rainer Maria Woelki den Fall nicht hätte aufrollen lassen, stünde U. heute nicht vor Gericht. Die staatlichen Ermittler waren gescheitert, aber auch Heße hat dazu nichts beigetragen.
Und was sagt Heße heute? Er verweist auf sein Rücktrittsangebot, das er erst unter dem Druck des Gercke-Gutachtens gemacht hatte und das der Papst ablehnte. Statt einer Darstellung seiner einstigen und vorübergehenden Entschlossenheit wäre hier und jetzt ein Wort tiefen Bedauerns angemessen.