Die SPD hat bis einen schweren Stand in der Ukraine. Vor allem Fraktionschef Mützenich eckt dort mit Zurückhaltung bei Waffenlieferungen an.
Bei Ukraine-Besuch von MützenichKlitschko fordert Kniefall von Putin für mögliche Versöhnung
Gut ein Jahr nach dem russischen Angriff auf die Ukraine sind SPD-Parteichef Lars Klingbeil und Fraktionschef Rolf Mützenich zu ihrem ersten Besuch im Kriegsgebiet eingetroffen. Die beiden kamen am frühen Montagmorgen mit einem Sonderzug in der ukrainischen Hauptstadt Kiew an, um dort im Laufe des Tages Gespräche mit Vertretern der ukrainischen Regierung und des Parlaments zu führen.
Mützenich-Besuch in Kiew: Wladimir Klitschko fordert Kniefall von Wladimir Putin
Mützenich und Klingbeil trafen bei ihrem Besuch in Kiew auch Bruder von Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko, Wladimir Klitschko. Der ehemalige Box-Weltmeister hält eine spätere Aussöhnung mit Russland trotz des derzeitigen völkerrechtswidrigen Angriffskrieges gegen die Ukraine bei einer historischen Geste wie einst von Willy Brandt für möglich, erklärte er anlässlich des Besuchs der SPD-Politiker in Kiew.
„Die Geschichte hat schon gezeigt, dass kriminelle Regime vieles zerstören können. Aber das Leben kann man nicht stoppen“, sagte Klitschko dem RND. Dafür müsste aber eine Voraussetzung erfüllt sein: „Wenn der russische Präsident nach Kiew kommt und auf die Knie geht und um Verzeihung bittet und Reparationen zahlt, wird das ukrainische Volk sagen, es ist an der Zeit, dass wir die Vergangenheit ruhen lassen.“ Der Kniefall des früheren Bundeskanzlers Willy Brandt in Warschau sei ein Beispiel für eine solche Versöhnung.
Wladimir Klitschko: Kniefall von Willy Brandt in Warschau Beispiel für Versöhnung
Den Besuch von Klingbeil und Mützenich bezeichnete Klitschko als unglaublich wichtig. Gespräche vor Ort schafften mehr Verständnis als eine „Ferndiagnose“ aus Berlin. Die Politik der ganzen SPD drehe sich gerade um „180 Grad“, sagte Klitschko. Aus der früheren Nähe zu Russland vieler SPD-Mitglieder werde jetzt Distanz.
Die SPD hat in der Ukraine wegen ihrer Russland-Politik vor der Invasion einen schweren Stand. Ihr wird vorgeworfen, den russischen Präsidenten Wladimir Putin über Jahrzehnte falsch eingeschätzt und zu stark auf Kooperation mit Russland gesetzt zu haben. Sowohl Klingbeil als auch Mützenich haben Fehleinschätzungen allerdings bereits offen eingeräumt. Im Dezember will die SPD ihre Außenpolitik und damit auch ihre Haltung zu Russland auf einem Parteitag neu definieren.
Melnyk fordert „Ja“ der SPD zur Lieferung von Kampfjets
Mützenich ist in der Ukraine auch wegen seiner Zurückhaltung bei Waffenlieferungen und seinem Werben für Diplomatie immer wieder angeeckt. Der ukrainische Vizeaußenminister Andrij Melnyk griff ihn deswegen erst im Januar wieder auf Twitter scharf an. „Er (Mützenich) wird für immer in die Geschichte eingehen als der wertvollste Aktivposten Russlands bei der Blockade der Hilfe für die Ukraine seit Beginn der vollständigen russischen Aggression“, schrieb er.
Melnyk forderte die SPD-Spitze nun auf, ihrem Besuch in Kiew auch Taten folgen zu lassen. Er hoffe, dass SPD-Chef Lars Klingbeil „die Notwendigkeit erkennen wird, die Bundesregierung dazu zu bewegen, weitere mutige Entscheidungen zu treffen, vor allem Kampfjets freizugeben“, sagte Melnyk am Montag der Deutschen Presse-Agentur.
Melnyk sagte, es sei wichtig, dass die SPD-Spitzen endlich die Ukraine besuchten, „um mit eigenen Augen die Schrecken der russischen Aggression zu sehen“. Der frühere ukrainische Botschafter in Berlin bezweifelte aber, dass Mützenich nach seiner Rückkehr nach Deutschland seine Haltung zu Waffenlieferungen ändern werde. „Ob das dazu führen wird, dass Herr Mützenich nicht mehr auf der Bremse für deutsche Waffenlieferungen stehen wird, bleibt sehr fraglich.“
Mützenich beklagte, auf eine „Terrorliste“ gesetzt worden zu sein
Das „Zentrum gegen Desinformation des nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats der Ukraine“ setzte Mützenich im Juli 2022 auf eine Liste von 70 internationalen Persönlichkeiten, denen die Verbreitung von russischen „Narrativen“ vorgeworfen wurde. Mützenich warf daraufhin seinerseits der ukrainischen Regierung vor, ihn auf eine „Terrorliste“ gesetzt zu haben, was zu „Sekundärdrohungen“ geführt habe. Das ukrainische Außenministerium wies das zurück.
Das genaue Programm des Besuchs wurde aus Sicherheitsgründen zunächst nicht veröffentlicht. Seit Beginn der russischen Invasion am 24. Februar 2022 waren bereits mehrere hochrangige SPD-Politiker in der Ukraine – allen voran Bundeskanzler Olaf Scholz im Juni 2022. Verteidigungsminister Boris Pistorius reiste nur wenige Tage nach seinem Amtsantritt dorthin. (das/dpa)